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Ausgabe:

1942 Nr. 12

Spalte:

348-349

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Willibald Pirckheimers Briefwechsel; 1. Band 1942

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 12

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los aufgereihten Stellen wäre eine gründliche Übersicht
über die verschiedenen Arten und Methoden der antiken
Allegorese und Exegese gewesen!

Ethik. Bei Agon (Jüthner) vermißt man völlig einen
Hinweis auf die christliche Stellungnahme zu den Spielen
, doch soll das wohl der Artikel Wettkampf bringen.
Almosen ist sehr gut und ausführlich im christlichen
Teil (Schwer), der außerchristliche ist ungenügend (Bol-
kestein). Wo ist das Almosen „seit ältester Zeit" in
Israel als wichtige Tugend geschätzt worden, wenn als
Quellen ausgerechnet eine Sirach- Und eine Tobitstelle
allein angegeben werden?

Hagiographie. Agatha (Doerrie) leidet an den
schwierigen Überlieferungsfragen und mangelnden Publikationen
hagiographischer Quellen, was sich ja bei jeder
hagiographischen Arbeit schmerzlich fühlbar macht. So
muß sich der Verf. vielfach auf die Bollandisten verlassen
. Sonst ist die Wiedergabe des Materials erfreulich
, nur der religionsgeschichtliche Teil ist zu naiv!
Archäologisches Material fehlt völlig. Einwandfrei ist
dagegen Agnes (Schaefer) bis auf die doch wünschenswerte
genauere Analyse der Versionsverschiedenheiten.

Liturgisches, Form geschichtliches. Bei
Agrypnia (Baumstark) hilft der Verweis auf Dmi-
triewskij, der nicht jedem Benutzer des Handbuches zugänglich
ist, wenig, besser wäre eine Darstellung des
Verlaufs gewesen. Auch einige Belege für christliche und
außerchristliche Hochschätzung nächtlicher Feiern im
Sinne der A. wären erwünscht, ebenso die religionsgeschichtlichen
Zusammenhänge, soweit das nicht im Artikel
Vigilien erfolgen wird. Allen Anforderungen entspricht
Akklamation (Klauser), ein guter Gedanke
ist die 29 Nrn. umfassende Liste christlicher Akklamationsformeln
mit reichen außerchristlichen Parallelstellen.
Auch Akrostichis (Kurfeß-Klauser) enthält alles hierher
Gehörige. In dem ebenfalls recht guten Alleluja
(Engberding) ist leider Z. 2 ein sehr siunstörender Druckfehler
stehen geblieben, während das Buch bisher ziemlich
druckfehlerfrei ist. Statt Tob. IS muß es Jes. 38
heißen!

Allerheiligen und Allerseelen (Schneemel-
cher) sind trotz ihrer mittelalterlichen Herkunft behandelt
, weil besonders das erstere altkirchliche Vorläufer
hatte. Wie schon bei der ersten Lieferung bemerkt, ist
der liturgische Teil des Handbuches bisher der beste.

Pflanzen: Hier scheint mit Recht ziemliche Vollständigkeit
erstrebt zu werden. Sowohl Alant (Stcmp-
linger) wie vor allem Alraun (Käthe Schneider) bringen
viel wichtige Belege vor allem zur magischen Wirkung
, aber auch zur medizinischen Verwendung und zur
Symbolik. Magie: Von erfreulicher Ausführlichkeit und
wirklich vom ersten Sachkenner bearbeitet ist Akepha-
los (Preisendanz), wobei auch Germanisches berücksichtigt
ist. Der weitaus reichhaltigste Artikel aller bisher
erschienenen ist aber Alchemie (Gundel), der
wirklich eine vollständige Geschichte der antiken Alchemie
mit ihren Nebenzweigen darstellt, streng quellenmäßig
gearbeitet und mit reicher Kenntnis sämtlicher Literatur
. Auf Magisches weist auch hin der kurze, aber selbständig
-kritische Abschnitt Akrogoniaios (Scheikle).

Zusammenfassend sei noch einmal gesagt, daß man
dem Lexikon für die Zukunft eine größere Einheitlichkeit
wünschen muß. Jetzt leiden die guten Artikel noch zu
sehr unter den schlechten. Die Herausgeber müßten
darauf sehen, daß wirklich nur Erstklassiges und vor
allem möglichst quellenmäßig Vollständiges erscheint.
Plaudereien und Banalitäten müssen rücksichtslos ausgemerzt
werden. Zwar bin ich mir voll bewußt, daß es
leichter ist, Kritik zu üben, als unter Kriegsverhältnissen
ein Lexikon herauszugeben, aber es ist besser, die Mängel
werden nach den Anfangslieferungen aufgezeigt als
dann, wenn es zu spät ist.

Königsberg Pr., z. Zt. im Heeresdienst. Carl Schneider

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMA TIONSZEIT

Willibald Pirckheimers Briefwechsel. I. Rand. In Verbindung
mit Dr. Arnold Reimann (f) gesammelt, herausgegeben und erläutert
von Dr. Emil R e i c k e. München: C. H. Beck 1940.
(LI, 592 S.) gr. B° = Veröfferetl. d. Kommission z. Erforschung d.
Gesch. d. Reformation u. Gegenreformation. Hmnanistenbriefe,
! IV. Bd. RM 32—.

Ein Werk, an dem der Verfasser volle 49 Jahre gearbeitet
hat, liegt in diesem ersten Bande der Pirck-
heimer- Korrespondenz vor: seit 1891 ist Emil Reicke,
i dessen Name mit der Erforschung der Geschichte der
Stadt Nürnberg für alle Zeiten rühmlichst verknüpft
bleiben wird, an der Pirckheimer-Ausgabe tätig, seit
etwa 1895 trat ihm Arnold Reimann als Mitarbeiter,
vorab für die Erläuterungen, zur Seite, und als Reicke
1930 in den Ruhestand trat, bedurfte es noch zehn Jahre,
bis das „druckfertig" ausgesprochen werden konnte. Dafür
ist nun aber auch ein Werk entstanden, das in den
Editionen von Briefwechseln seinesgleichen suchen, aber
kaum finden kann, der Spürsinn des Herausgebers dringt
in die kleinsten Einzelheiten hinein, nicht wenige Exkurse
sind beigegeben, sodaß der mit einem guten Personcu-
und Sachregister versehene Band eine Fundgrube zur
Geschichte Nürnbergs, insbesondere des Pirckheimerkrei-
I ses, und nicht zuletzt zur allgemeinen Kulturgeschichte
am Vorabend der Reformation geworden ist. Mit bestem
! Rechte sind nicht nur die persönlichen Briefe, sondern
auch Staatsschreiben und Geschäftsbriefe aufgenommen,
die Einleitung orientiert über die sehr wechselvolle Ge-
; schichte des trotz allerlei Irrfahrten jetzt doch wesentlich
in Nürnberg gesammelten Materiales. Kann man
; eine gewisse Besorgnis ob des weiteren Fortganges der
Ausgabe nicht unterdrücken — was soll werden, wenn
für die weiteren Bände (wir stehen jetzt erst beim Jahre
1507 und Pirckheimer starb 1530!) auch etwa nur ein
Viertel der auf den ersten Band verwandten Zeit gebraucht
wird? —, so ist zu hoffen, daß einerseits die
Erläuterungen gekürzt werden können, anderseits das
Material schon weitgehend parat liegt, da man mit der
Herausgabe einer solchen Korrespondenz nicht'eher beginnen
kann, bis die Briefe alle gesammelt und eingeordnet
sind. Jedenfalls schuldet die Wissenschaft Reicke
für dieses kulturhistorische Werk den reichsten Dank.

Mit Absicht ist der Ausdruck „kulturhistorisch" gewählt
. An dieser Stelle, in e'iner theologischen Zeit-
i schritt, muß gesagt werden, daß der theologische Ertrag
j des Bandes gering ist; in die theologischen Fragen, insbesondere
die Abendmahlskontroverse, bringt erst die
Reformation Pirckheimer hinein. Immerhin hat P. etwa
i die Frage nach dem Widerspruch im ersten Kapitel der
Genesis zwischen der Erschaffung des Lichtes am ersten
und der der Sonne am vierten Schöpfungstage beschäftigt
(S. 60ff.) oder man liest einen seltsamen Traum
über das Fegfeuer, indem P.s Schwager ihm erscheint
i und über seine Erlebnisse im Jenseits berichtet, auf die
i Frage aber, ob er „durch Almosen oder andere gute
Werke befreit werden könne", sehr charakteristisch
„schweigt" und nur durch Gesten andeutet, daß er gerne
befreit sein möchte. Natürlich gewährt die Korrespondenz
mit den Schwestern, vorab mit der berühmten
Charitas, und ihrem Kreise auch manchen kirchenhisto-
, risch wertvollen Einblick. Aber der Schwerpunkt, wie
i gesagt, liegt auf kulturgeschichtlichem Gebiete, und hier
kann im reichsten Maße für die Erfassung der allgemeinen
geistigen Höhenlage am Vorabend der Reformation
aus dieser Quelle geschöpft werden. Das Nürnberg
des Humanismus wird in einzigartiger Weise plastisch
lebendig, bis herunter zum Mittagstisch (S. 67), bis
herauf zur Pflege der Literatur und Wissenschaft (Bücherverzeichnisse
, neueste Druckwerke, Klage über die
gens fraudulenta bibliopolarum), und in der Mitte ein
recht offenes, ungeniertes Liebesleben. Nicht zu ver-
j gessen ist die große Zahl von Dürerbriefen, die, an sich
! zwar schon bekannt, durch R. eine vielfach neue Inter-
I pretation finden. Zur Geschichte der Nürnberger Ver-