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Ausgabe:

1942

Spalte:

323-325

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Lang, August

Titel/Untertitel:

Puritanismus und Pietismus 1942

Rezensent:

Völker, Walther

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von den Ereignissen des großen Kampfes einen Blick
in die wunderbare innere Ruhe Luthers tun lassen und
die exegetische Arbeit als eine der größten Kraftquellen
in seinem Ringen offenbaren. In ihrer Unpersönlichkeit
sind diese Vorlesungen die größten persönlichen Dokumente
dieser Jahre. Darum liegt auch der überzeugendste
, wenn auch nicht alles erklärende Grund für die
völlige Neubearbeitung in den exegetischen Fortschritten,
die Luther damals macht: der besseren Kenntnis der
Hebräischen und der Verdrängung der formal christolo-
gischen durch eine inhaltlich evangelische Auslegung der
Psalmen, einem Vorgang, den Vogelsang als Grundrichtung
der exegetischen Entwicklung des jungen Luther
ausgezeichnet darstellt (S. 25 ff.). Angesichts der umfassenden
Umarbeitung möchte man auch einen etwas
größeren Zeitraum zwischen beiden Texten annehmen,
als Vogelsang errechnet.

Obwohl Luther also seine Auslegung dieser Psalmen
durch eine andere ersetzt hat, dürfen wir uns doch
freuen, sie nun zu besitzen. Nicht nur weil uns jedes
Zeugnis seiner Entwicklung willkommen ist, sondern
auch weil sie eine Fülle prägnanter Formulierungen der
reformatorischen Theologie, namentlich der Rechtferti-
gungslehre, wie wir sie aus der Römerbrief-Vorlesung
kennen (vgl. vor allem S. 84ff.) oder die klassischen
Sätze über das Verständnis .der Schrift durch den Affekt
(69, 29 ff.) u.a. enthält. Um nur zwei Beispiele zu geben
: Timor dei est nihil timere amittere nisi solum deum
(64,7). Omnia bona in cruce et sub cruce abscondita
sunt, ideo nec quaerenda nee intelligenda alibi quam sub
cruce (88, 28).

Leipzig Heinrich Bornkamm

KIRCHENGESCHICHTE: NEUERE ZEIT

Lang, n. August: Puritanismus und Pietismus. Studien zu ihrer
Entwicklung von M. Butzer bis zum Methodismus. Neukirchen:
Buchh. d. Erziehungsvereins [1041]. (360 S.) gr. 8° = Beiträge z.
Gesch. u. Lehre d. Reformierten Kirche. Bd. 6. RM 7.50; geb. RM 9—.

Seit dem Buche von H. Heppe: „Geschichte des Pietismus
und der Mystik in der reformierten Kirche" (Leiden
1879) hatte man bei Beantwortung der Frage nach
den Ursprüngen des Pietismus auch den englischen Puritanismus
berücksichtigt, war aber im großen und ganzen
über mehr gelegentliche Bemerkungen nicht hinausgekommen
. Daher ist es zu begrüßen, daß ein Sachkenner
wie A. Lang dieses ganze Gebiet einmal systematisch
durchforscht hat und dabei zu beachtlichen Ergebnissen
gekommen ist.

Verf. holt weit aus, indem er mit seinen Untersuchungen
bei Butzer einsetzt und in Fortsetzung seiner Jugendarbeit
auf puritanische Züge bei diesem Theologen
aufmerksam macht (S. 13 -38). Dem schließt sich eine
Würdigung Hoopers an, der vornehmlich als der „Urheber
der englischen Sabbatauffassung und Sabbatheiligung
" erscheint (S. 49), und eine Charakteristik von
Butzers Schüler Bradford (S. 54—71), bei dem „pietistische
Züge" aufgespürt werden.

Nach einer mehr summarischen Übersicht über die
Erscheinungsformen des Puritanismus, wobei besonders
der Kongregationalismus beschrieben wird (S. 72—100),
folgt eine eingehende, mit viel Liebe durchgeführte Schilderung
von William Perkins, der als der Vater des Pietismus
gefeiert wird (S. 101—131). Bei dessen Schülern
(Baynes, Sibbs) und Geistesverwandten (Bolton, Bayly)
tritt der pietistische Puritanismus noch greifbarer hervor,
was cap. IV im einzelnen breit ausführt (S. 132—203).

Das nächste Kapitel enthält eine ausführliche Beschreibung
von J. Bunyans persönlicher Entwicklung,
seiner Haupt- und Nebenwerke (S. 204—272), wobei Verf.
zu dem Resultat kommt: „... steht er nicht nur in seinen
Grundgedanken, sondern bis auf Ausdrücke und Redewendungen
in einem engen geschichtlichen Zusammenhang
mit den puritanischen Pietisten, die wir seit Perkins

kennengelernt haben" (S. 271). Den Abschluß bildet eine
Charakteristik von J. Wesley und G. Whitefield, den Be-
I gründern des Methodismus, deren religiöse Entwicklung
und Bekehrung dargelegt und deren Predigten auf ihre
I Grundgedanken hin abgehört werden. Daraus soll sich
| die Berechtigung ergeben, auch diese Persönlichkeiten
dem gleichen Kreise zuzuweisen (S. 273—350). So spannt
A. Lang einen weiten Bogen von Butzer bis zu den Anfängen
des Methodismus, kennzeichnet mit der ihm eigenen
Beherrschung der Quellen Werden, Höhepunkt und
allmähliche Zersetzung des puritanischen Pietismus, weist
energisch auf die engen Beziehungen dieser Kreise zu
Calvin und dem reformierten Lebensideal hin und be-
I reichert unsere Kenntnis an nicht wenigen Punkten (cf.
I besonders S. 244ff.).

Es kann natürlich nicht ausbleiben, daß manches zum
! Widerspruch herausfordert oder einer Ergänzung bedürf-
! tig erscheint. So finde ich die Komposition des Buches
j wenig praktisch, weil Verf. in breiter Ausführlichkeit den
: Inhalt einzelner Schriften erzählt, jedes Mal die gleichen
j „pietistischen" Züge entdeckt und dann den jeweiligen
i Puritaner in diesen Zusammenhang einordnet. Daher
! schleicht sich in die Darstellung eine gewisse Monotonie
i ein, die noch dadurch wächst, daß Verf. eine mehr syste-
j matische Schilderung sogar beim gleichen Autor ablehnt,
I vielmehr Schrift für Schrift durchgeht, an jedes Werk
I die gleichen Fragen richtet und die gleichen Antworten
| erhält. So störend sich diese Schwerfälligkeit auch be-
! merkbar macht, so ermöglicht sie uns doch andererseits
einen Einblick in viele puritanische Traktate und eine
Kenntnis von Einzelheiten, die wir sonst nicht gewinnen
! würden.

Verf. legt darauf den größten Nachdruck, daß diese
| Puritaner mit der reformierten Welt eng verbunden und
nur im Zusammenhang mit dem calvinischen Lebensideal
recht zu verstehen sind. Diese Einsicht ist gewiß nicht
neu (cf. etwa K. Müller, Kirchengeschichte II 2, 1919,
S. 439, wo in mustergültiger Kürze bereits alles Wesentliche
gesagt ist), aber die bisherige Forschung hat sich
j auf diese Erkenntnis nie mit so starrer Einseitigkeit festgelegt
und andere Einflüsse ganz ausgeschaltet. Es ist
ein Verdienst von M. Hume: Spanish Influence on Eng-
lish Literature (London 1905), auf den starken Nachhall
geachtet zu haben, den spanische Mystiker in der anglikanischen
und puritanischen Erbauungsliteratur gefunden
haben (cf. besonders S. 226: „owed much of its inspira-
j tion to the writings of a Spanish friar"). Er macht dabei
j besonders auf Ludwig v. Granada aufmerksam, dessen
! Schriften mehrfach ins Englische übersetzt waren. M. Hagedorn
: Reformation und Spanische Andachtsliteratur —
Luis~de Granada in England (Leipzig 1934 Kölner
Angl. Arbeiten XXI) hat hier mit ihren Untersuchungen
I eingesetzt und im einzelnen nachgewiesen, welcher Be-
' liebtheit sich dieser spanische Mystiker in anglikanischen
Kreisen erfreut hat (auf S. 103 f. streift sie auch die puritanische
Andachtsliteratur). Daß Werke spanischer Mystik
damals in Volkskreisen zirkulierten, wissen wir z. B.
I aus der Tatsache, daß die Pugna spiritualis des Juan de
i Castaniza zu den Lieblingsbüchern von Wesleys Mutter
gehörte (cf. Lang, S. 275, A. 5). So muß man also damit
rechnen, daß derartige Schriften teils direkt, teils durch
Vermittlung der anglikanischen Erbauungsliteratur die
j puritanischen Andachtswerke haben beeinflussen können,
was um so leichter möglich war, da beide Gruppen unter
weitgehendem Verzicht auf dogmatische Erörterungen
sich den Fragen der praxis pietatis zuwandten. Wir hätten
dann in England eine interessante Parallele zum
deutschen Luthertum, wo wir den gleichen Vorgang
einer Übernahme katholisch-mystischer Werke im 16./17.
Jhd. beobachten können.

Daneben wäre noch ein anderes zu bedenken. Im
Gegensatz zu Lang, der allein das reformierte Element
gelten lassen will, muß darauf hingewiesen werden, daß
lutherische Einflüsse im damaligen England wirklich
nicht gefehlt haben. Lang selbst erwähnt, daß Bunyan