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Ausgabe:

1942 Nr. 11

Spalte:

317-318

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Vries, W. de

Titel/Untertitel:

Der ʺNestorianismusʺ Theodors von Mopsuestia in seiner Sakramentenlehre 1942

Rezensent:

Abramowski, Rudolf

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817

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 11

318

Setzung des „Mannes der Lästerung" mit Jesus und des
„einzigartigen Lehrers" mit Johannes dem Täufer ist.
Denn an Dositheus hatte schon Schechter gedacht und
hatte darin Nachfolger gefunden. Richtig gesehen ist
ohne Zweifel, daß die Eigenart der Sekte in der „Auslegung
" des Gesetzes liegt. Auch der zeitliche Ansatz
hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. Ob aber darüber
hinaus die Thesen zu haLten sind, ist fraglich. Schon die
von dem Verf. erwähnte Tatsache, daß B nicht einfach
eine Abschrift von A gewesen ist, sondern in den parallellaufenden
Stücken wesentliche Abweichungen bietet, die
B als jüngeren Text hinstellen, mahnen zur Vorsicht.
Denn die Terminologie von B scheint darauf hinzuweisen
, daß es eine spätere Bearbeitung von A ist, die vielleicht
eine weitere Entwicklungsstufe voraussetzt und einbaut
. So müßte das Bild zuerst allein aus A genommen
werden, und da fehlt der „einzigartige Lehrer" gerade
noch in dem mit B parallelen Stück. Auch die Nachrichten
über Dositheus sind nur zum Teil mit der Damaskusschrift
in Einklang zu bringen. So bleiben manche
Fragen offen, die etwas zu kühn durch Hypothesen beantwortet
werden. Aber daß der Verf. diese Möglichkeiten
durchdacht hat, verpflichtet zu Dank und sichert
seinen Studien unter den mannigfaltigen Meinungen über
die Kreise, die hinter der Damaskusschrift standen,
einen wichtigen Platz.

Greifswald Leonhard Rost

V r i e s, W. de, S. J.: Der „Nestorianismus" Theodors von Mopsu-
estia in seiner Sakramentenlehre. S.-A. a. „Orientalin Cliristiana
Periodica" VII, 1—2. (S. 91—148.) gr. 8°. Rom: Pont. Inst.
Orientalium Studiorutn 1941.
Ed. Schweizer und ich hoffen in nächster Zeit
in der ZNW über die exegetische und theologische Hinterlassenschaft
des Diodor von Tarsus abschließende Berichte
vorlegen zu können. Damit wäre dann die Basis
zur Darstellung der Theologie des zweiten großen An-
tiocheners, Theodors von Mopsuestia (t 428), gewonnen
. Vielleicht ist es zu begrüßen, daß diese trotz
der dringenden Forderung des Altmeisters Friedrich
Loofs nicht allzu rasch gegeben wurde. Denn das
letzte Jahrzehnt hat zu ihrer Beurteilung zweierlei beigesteuert
: 1. scheint es nun gewiß, daß das dogmatische
Hauptwerk Theodors „über die Menschwerdung", das
Addai Scher noch in Händen hatte, verloren ist; 2. ist
durch A. M i n g a n a Theodors katechetisches Werk im
Druck veröffentlicht worden.

Zu dem für unsere patristikfremde Epoche bedeutenden
Echo, das diese Publikation hervorgerufen hat, zählt
die zu besprechende Arbeit. W. de V r i e s, der sich
durch seine Darstellung der Sakramententheologie bei
den Syrischen Monophysiten (Rom 1940) als Kenner
ausgewiesen hat, erörtert, zunächst in Polemik gegenüber
E. A ni a n n, die Sakramentenlehre Theodors und kommt
zu dem sicherlich richtigen Ergebnis, daß sie gleichfalls häretisch
ist. Die Trennung zwischen göttlicher und menschlicher
Natur dort muß hier zu einer Trennung zwischen
Symbol und Sache, irdischer Anwartschaft und himmlischem
Zukunftsgut führen. Die ausgezeichnete Darstellung
kann mancherlei Korrekturen zu den bisherigen
Übersetzungsversuchen und eine glückliche Diskussion
der gelehrten Materialien, die Ad. Rück er zusammengetragen
hat, geben. Sie verbreitet sich mit sicherer
Disposition über Christologie, Soteriologie, Sakramenttheorie
und -praxis und gibt so dem künftigen Bearbeiter
die nötigen Kategorien und Belegstellen. Freilich muß
sie auch stark resignieren. Sowohl die pädagogische Haltung
wie auch die Benutzung des tradierten Unterrichtsstoffes
zwingt Theodor, seine genuine Theologie sehr gedämpft
vorzutragen, ähnlich wie im Johannesevangelium
ed. Chabot 1897. Der Bearbeiter ist genötigt, die eigentlichen
Merkmale erst durch Abhebung der Traditionselemente
klarzustellen, was dann auch mit sicherer Hand
geschieht.

Wenn wir mit dem Verf. in Inhalt und Ergebnis
übereinstimmen, so müssen wir doch gegen Methode und

Form dieselben Bedenken anmelden wie schon Th. L.
Ztg. 1941 Sp. 203. So wenig wir die protestantische
Methode für glücklich halten, alle sog. Ketzer einem
wohlwollenden Rechtfertigungsverfahren frei nach Gottfried
Arnold zu unterziehen, so wenig glücklich will es
uns scheinen, den wissenschaftlichen Apparat nur zu
dem Zweck aufzuziehen, um einem Häretiker noch einmal
seine Häresie zu bescheinigen. Der große Aufwand
wird für diese kirchenrechtliche Zielsetzung etwas nutz-
; los vertan. Theodor ist es schon wert, daß man ihm
! theologisch und geduldig zuhört; Rationalismus und Mi-
nimismus genügen zu seiner Charakteristik nicht. Über
die Quellen, aus denen die eigenartige antiochenische
Theologie gespeist wurde, hören wir von de V r i e s
ebensowenig wie über die Zusammenhänge dieser Theologie
mit den griechischen und orientalischen Ausprägungen
. Selbst seine engsten theologischen Nachbarn
werden kaum berührt; die beiden Hinweise am Schluß
auf Fortwirkung seiner Thesen sind allzuwenig.

So bleibt hier für die zukünftige Forschung noch ein
i reiches Arbeitsfeld.

Lyck R. Abramowski

KIRCHENGESCHICHTE: MITTEL A LT EH

Eich mann, Eduard: Die Kaiserkrönung im Abendland. Ein

Beitrag zur Qeistesgeschiclvte des Mittelalters mit besond. Berück-
siclrt. des kirchl. Rechts, der Liturgie It. d. Kirchenpolitik I.: Gesamtbild
. (XXVIII, 331 S., 2 Taf.); II.: Einzeliintersuchuiigen.
(VIII, 320 S., 18 Taf., 2 Pläne) gr. 8°. Würzburg: Echter-Verlag
1942. Hlw. je RM 13.50

Das Lebenswerk des Münchener Kirchenhistorikers
ist ein bedeutender Beitrag zur mittelalterlichen Kaiserpolitik
, der mit den der Kaiserkrönung gewidmeten Untersuchungen
unser Wissen über das innere Wesen des
mittelalterlichen Kaisertums und seine Stellung in Welt
und Kirche klärt und festlegt. Nur die römische Kaiserkrönung
ist Gegenstand der Darstellung. (Die späteren
j sogenannten Kaiserkröiiungen auf deutschem Boden sind
! rituell Königskrönungen, die an dem deutschen König
I als „erwähltem römischem Kaiser" nach dem Ritual für
die deutsche Königsweihe vollzogen wurden.) Die Kai-
I serkrönung selbst war ein weltlich-politischer Akt, der
sich in kirchlich-liturgischen Formen in Angleichung an
j die Bischofsweihe vollzog. „Bei dieser Verschmelzung
| von Welt und Kirche tritt die Liturgie in den Dienst der
; Politik und bildet mit ihrer Symbolik, mit ihren sorgsam
abgewogenen Texten, Formeln und Bräuchen — jedes
Wort, jede Haltung, jede Geste haben da ihre Bedeutung
j — die unmittelbarste und sicherste Quelle für die Stellung
und Sendung des Imperators in der Kultur- und
Geisteswelt des Mittelalters."

Von der sakralen Herrscherweihe im alten Orient,
der Kaiserkreierung in Byzanz, der Kaiserausrufung Karls
des Großen vom 25. Dezember 800 bis zur Kaiserkrönung
Karls V. (1530) dehnt sich der äußere Rahmen
des Werkes, in dem die Topographie, die Insignien, die
Kaisertracht, die Eide, die Servitien, der Zügel- und Bügeldienst
und das Palatium Lateranense eingehend berücksichtigt
sind. Die besonderen Aufgaben des Kaisers
werden in vertiefter Erkenntnis beurteilt. In diesen Zusammenhängen
gewinnen die Untersuchungen über die
jetzt wieder in Nürnberg verwahrten Reichskleinodien
(Insignien und kaiserlicher Ornat) besondere Bedeutung,
weil sie die mittelalterliche Reichs- und Kaiseridee geistesgeschichtlich
erfassen. „Jedes Insigne ist Träger
einer Idee, einer Aufgabe."

Der Verfasser breitet ein reiches gelehrtes Wissen,
immer durch Quellenzitate belegt, vor dem Leser aus
und erkennt große geistige Zusammenhänge, die das
mittelalterliche Kaisertum gleichsam in eine höhere Ebene
heben. Davon werden besondere Wirkungen auch auf
die Beurteilung der mittelalterlichen Kaiserpolitik ausgehen
. Die prächtige Ausstattung ist des hohen Themas
, würdig.

Jena Friedrich Schneider