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Ausgabe:

1942

Spalte:

21

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meissner, Kurt

Titel/Untertitel:

Der Shintoismus als Quelle des japanischen Volkscharakters und Nationalgeistes 1942

Rezensent:

Gundert, Wilhelm

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deutlich ist nur, daß hier andere Oedanken im Vordergrund
standen als im babylonischen Epos, das danach
also als durchaus eigene Dichtung zu werten ist, zumal
da es sich auch stofflich durchaus nicht mit den sumerischen
Dichtungen deckt. Hoffentlich ermöglichen uns
spätere Ausgrabungen, den Text der verschiedenen sumerischen
und babylonischen Fassungen nach und nach
ganz wiederzugewinnen, damit wir Sinn und Einzelgestaltung
jeder einzelnen von ihnen mit Sicherheit richtig
verstehen und würdigen können.

Güttingen W. von Soden

Meißner, Kurt: Der Shintoismus als Quelle des japanischen
Volkscharakters und Nationalgeistes. Tokyo: Dt. üesellsch. f.
Natur- u. Völkerkunde Ostasiens; Leipzig: O. Harrassowitz in Komm.
1939. (IV, 6 S.) gr. 8° — „Mitteilungen" d. Dt. Oesellsch. f. Natur
- u. Völkerkde. Ostasiens, Bd. XXVIII, Teil I. RM —40.
Im XXVIII. Band ihrer „Mitteilungen" hat die obengenannte
Gesellschaft eine Reihe von zunächst als Einzelhefte
erschienenen Aufsätzen über den japanischen
Nationalgeist zusammengefaßt und damit erneut bewiesen
, daß sie nach wie vor an ihrer ehrenvollen Aufgabe,
die in Ostasien tätigen Deutschen zu wissenschaftlicher
Durchforschung ihres Gastlandes zusammenzuschließen,
nicht nur festhält, sondern daß sie auch die Kräfte besitzt
, diese Aufgabe in einer Weise durchzuführen, die
den seit ihrer Gründung im Jahre 1873 stark gewandelten
Verhältnissen entspricht. So behandelt z. B. in Teil
D C. von Weegmann „Die vaterländische Erziehung in
der japanischen Volksschule" in Teil G H. Zachert „Die
Tokugawazeit und ihren Einfluß auf Wesen und Nationalgeist
der Japaner", in Teil J Horst Hammitzsch
„Shüyödan, die Erneuerungsbewegung des gegenwärtigen
Japans".

In Teil I nun nimmt der langjährige Vorsitzende der Gesellschaft
selbst das Wort, um auf kaum 6 Seiten daran zu erinnern, daß der
letzte und tiefste Grund für die einzigartige Geschlossenheit der japanischen
Nation doch immer nur im Schintoismus zu suchen ist. Als
vorzüglicher Kenner und von praktischein Verstand geleiteter Beobachter
zeigt er auf, wie der moderne japanische Staat es verstanden
hat, die alte anim istische Volksreligion durch Unterdrückung allzu
primitiver Elemente zu „läutern", durch konsequente Ausrichtung auf
die nationalen Werte, zumal auf die kaiserliche Dynastie als Höchstwert
, zu straffen, durch ihre Übernahme in die Zuständigkeit der
inneren Verwaltung und der Schule vom Gebiete der Religion im Vollsinn
des Wortes abzusetzen und damit ebenso der religiösen Diskussion
wie den Auswirkungen der verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit
zu entziehen, und wie das so geschaffene „nationale
Ritual" tatsächlich zum Kristallisalionspunkt des gesamten nationalen
Empfindens, Erlebens und Handelns geworden ist. Eine Erörterung
der gerade durch diese Regulierung aufgeworfenen, sehr tiefgreifenden
religionskundlichen und weltanschaulichen Fragen nach dem Charakter
des Schintoismus als Religion liegt nicht im Rahmen dieser durchaus
positivistischen Darstellung. Das sh in der Schreibung „Shintoismus
" enthält eine Konzession an das Englische, die überholt sein
dürfte, nachdem „Schintoismus" längst zu einem Begriff der deutschen
Religionswissenschaft geworden ist.

Hamburg W. Gundert

Frank, Carl: Kultlieder aus dem Ischtar-Tamuz-Kreis. Leipzig.
O. Harrassowitz 193«. (VII, 134 S.) gr. 8°. RM 12—.

Frank plante ursprünglich, alle bekannten Ischtar-
Tamuz-Texte in neuer Übersetzung und mit Erklärung
herauszugeben. Da sich das zunächst als undurchführbar
erwies, hat er in der vorliegenden Arbeit, die schon 1936
abgeschlossen wurde, aber erst Ende 1938 erscheinen
konnte, elf solcher Texte bearbeitet, und zwar sechs aus
de Genouillacs „Textes religieux sumeriens", zwei aus
CT 36, je einen aus KAR und Zimmerns „Kultliedern",
endlich den von Pinches edierten Tamuzhymnus des
Manchester Museums. Die Texte sind überwiegend sumerisch
, mit teilweiser akkadischer Übersetzung, die aber
deutlich in einzelnen Fällen und wahrscheinlich überall
sekundär ist; vorwiegend akkadisch ist nur Nr. 6. Einige
sind Duplikate, genauer das alte sumerische Original,
zu Texten der Reisnerschen Sammlung. Die Bedeutung
dieser Texte liegt vor allem auf dem religionsgeschichtlichen
Gebiete. Die schon von Zimmern erkannte wichtige
Rolle des Tamuz als Typus des sterbenden und auferstehenden
Vegetationsgottes springt ja heute, wo zu
dein seinerzeit von Baudissin verarbeiteten Material so

1 viel neues, vor allem auch das ugaritische, hinzugekommen
ist, noch viel mehr in die Augen. Interessant sind

i sie aber auch nach der literargeschichtlichen Seite, wofür

i Frank gleichfalls wertvolle Hinweise gibt: sie zerfallen
meist in kleinere Lieder, haben besonderen Rhythmus,
auch Binnen- und Endreim. Manche haben die Form
der Litanei, andere verlaufen in Gesang und Gegengesang
, Rede und Gegenrede, wobei die redenden Personen
meist nicht genannt und darum auch nicht immer mit
Sicherheit zu bestimmen sind. Beliebt ist die oft nur
schwach oder gar nicht variierte Wiederholung, wobei
vom wiederholenden Vers nur das erste Wort mitgeteilt
wird (vgl. Slotki ZAW 49, 21 lff.). — Aber nach beiden
Seiten hin wird der Ertrag der Texte stark beeinträchtigt
durch das vielfach recht mangelhafte Verständnis, das
durch schlechte Erhaltung, Flüchtigkeiten der Schreiber
und durch innere Schwierigkeiten (dunkeln Stil und immer
noch unzureichende Kenntnis von Wortschatz und
Grammatik des Sumerischen) bedingt ist. So hat Franks
Übersetzung für ihn selber oft nur den Wert eines Ver-

j suches und weicht von derjenigen, die Witzel von einigen
dieser Texte in seinen „Perlen sumerischer Poesie"
und seinen „Tamuzliturgien" gibt (vgl. S. 130 ff.), oft so
stark ab, daß man wie Frank selber sagt, kaum glauben
möchte, daß es sich um denselben Text handelt.

Hier sei nur das Wichtigste aus den Liedern herausgehoben. Ein
Hymnus auf Istar, die auch Ininna und ■ Ningal genannt wird, ist
Nr. 4. Viel häufiger ist die Forin der Selhstverherrlichung „ich
bin . . ." 1,7 ff. 2, 7 ff.; 3 Rs. 18 ff. 6, 1 ff. 7, 27 ff.; 9 Vs. III
2 ff. V 13 f.; 11 III 20 ff. Von ihren Epitheta seien erwähnt: „erhabene
Wildkuh" 1,10 ff., „Jungfrau" 1 Rs. 3 u. ö. „(gebärende)
Mutter" 9 III lff., „himmlische Gebärende" 11 VI 32, „(holte)
Hierodule" 1 Rs. 6 u. ö., „Mutter Hierodule, die beim Mann sitzt"
2,7. Als Liebesgöttin erscheint sie 1 Rs. 6 ff. und 7, 41 ff. Ihr gewalttätiges
Wirken, das 5 I 15 ff. II 5 ff. schildert, dient in fj Rs.
17 ff. der Wiederherstellung von Ordnung und Frieden. Ihre Klage
um den weggerafften oder entschwundenen Tamuz 3, II ff.; 5 1 12 f.
Rs. 39ff.; 9 VI 11 ff. 21 ff.; 10, 03 ff. 112 ff.; 11 I lff. lOff. verbindet
sich mit der Klage um die Zerstörung von Stadt und Tempel
3,9 f.; 5 I 10 f., das Wüten eines Feindes 11 III 14 ff. Tamuz ist
ihr Gemahl 9 III 2. 12 u. ö., Bruder 8,31 u. ö. — sie nennt sich
selber die „küssende, liebkosende Schwester" 11 V 32 f. — und
Sohn 9 III 13. So ist sie Mutter und Schwester in einem 9 II 11.
Aber auch neben ihr kommt die Mutter vor 9 VI 11 ff., 11 IV 17 ff.
V 3 ff., so wie um Lillu Mutter und Schwester trauern (AOT *
272 f.). Auch von einer Amme ist die Rede 9 VI 12; 10, 77 ff.,
wenn das nicht nur wieder eine andere Bezeichnung für Istar ist. —
Dem Tamuz gelten die Hymnen 9 1 lff. 10, 146 ff. 11. Er weilt
nun in den Bergen, in der Erde 7,56ff., in der Wüste 11 II 14 —
darnach heißt er „die Zeder der Wüste" 11 I lff. —, im Fluß
10, 118 ff. 232 ff. Er ist der „Kleine", der „kleine Sohn" 9 VI 21 ff.;
10,77 ff., „als Kleiner im versinkenden Schiff, ... als Großer im
Getreide versunken" 9 IV 13 f. (s. AOT! 271), heißt darum „Mann
; des Schiffes" 10, 188 ff.; das „Flußmotiv" scheint auch sonst anzuklingen
5 Rs. I 9 f. Auch „Dattelmann" 8,3 f. und „König" 11 III .
9 f. wird er genannt. Von seiner Rückkehr reden 8, 26 ff.; 9 V 1 ff.
Er wirbt um Istar 11 V 7 ff., befiehlt, daß sie die ihr entrissenen
Kleidungsstücke wieder erhalte 8, 9 ff. (mit Auf/ählung derselben wie
im Oegenstücke in der „Höllenfahrt" AOT 2 207 f.). Die Natur, die
nach seinem Weggang erstarrt war 8, 1 f.; 9 VI 15 ff., lebt nun wieder
auf 10, 246 ff.; 11 IV 9 ff. Von der Wiedervereinigung der Beiden
reden 8, 36 ff.; 10, 216 ff.; 11 VI 23 ff. —

Aus diesem mythischen Rahmen scheint die Wehklage
um einige Könige von Isin 9 VII lff., von Ur und
Isin 10,191ff. — dem hier 10,208 erstmals auftretenden
König Idin-Istar und dem chronologischen Problem der
Dynastie von Isin wird S. 106 ff. ein Exkurs gewidmet
— herauszufallen. Aber Frank sieht ebenso wie Witzel
den Zusammenhang darin, daß, wie schon Zimmern vermutet
hat, auch diese verstorbenen Könige als Tamuze
aufgefaßt wurden, deren Auferstehen zu erwarten war;
die betreffenden Texte seien geradezu das Totenlied für
den jeweils zuletzt genannten und offenbar erst kürzlich
verstorbenen König. Wenn dem auch gewisse Schwierigkeiten
entgegenstehen, vor allem daß der letzte König