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Ausgabe:

1942

Spalte:

283-284

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Titel/Untertitel:

Band 31 1942

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 9/10

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schichte liegt aber noch arg im Dunkeln. Gewöhnlich liest man, daß |
Karl der Große 805 oder 808 eine Martinskapelle in Nürnberg gegründet
habe; neben dieser hätten sich Mönche niedergelassen; als das
Kloster zerstört worden war, bewirkte Konrad III. mit seiner Gemahlin
Gertraud 1148 eine Neugründung durch Obergabe an die
Regensburger Schottenmönche. Das Patroztnium hatte inzwischen einen
Wandel von Martin zu Egidius erfahren. Pfeiffer weist nun die Quelle
dieser Erzählung nach: Die Weltchronik Hartmann Schedels. Zugleich
aber hat er eine fast an die Gründling des Klosters (1138—1146) her- [
anreichende Chronik in der vita Mariani vom Jahre 1185 ausfindig ge- 1
macht. Darnach fanden die Schotten bei der Übernahme der Station
in Nürnberg bereits ein Gotteshaus vor, das aber nicht dem Martin, |
sondern dem Egidius geweiht war. Konrad III. übergibt mit seiner
Gemahlin Gertrud dem SchoftenaM Karus diese Kapelle; es handelt
sich also um eine königliche Eigenkirche. Neben dieser Kapelle wird
dann noch eine geräumige Kirche erbaut. Dieser Quelle ist offenbar
mehr zu glauben als Schedels Weltchronik. Pfeiffer unternimmt nun
den Versuch, die Existenz der alten Egidienkapelle noch weiter zu
erforschen. Bekanntlich sind ja von den alten Egidienkirche bei dem
großen Brande 1096 3 Kapellen stehen geblieben: die Tezel-, die
Eucharius- und die Wolfgamgskapelle. In allen Kunstgeschichten kann
man sie als die ältesten Bauwerke der Stadt aufgeführt finden. Durch
genaue archivalische und architektonische Studien beweist er nun, daß
die alte Egidienkapelle mit der jetzt sogenannten Euchariuskapelle j
identisch ist. Der jetzige Name ist ein Mißverständnis des ersten
Abtes Carus, die ursprüngliche Bauform zeigt die Zeit ca. 1140. Aber
dabei bleibt nun der Verfasser nicht stehen. Er untersucht die dotatio
der königlichen Eigenkirche, die später an die Stadt verkauft wurde;
er findet viele verwandte Züge mit einer andern königlichen Eigenkirche
, der Deutschordenskirche. Dadurch erhebt sich für ihn die Frage
, ob sich nicht dadurch das alte Königsgut in Nürnberg bestimmen
läßt: er nimmt 2 Meierhöfe auf beiden Seiten der Pegnitz im Schatten
der königlichen Burg an. So ist der Verfasser durch subtile Forschung I
bis in die Anfänge der Reichsstadt vorgedrungen. Er ist selbst sich
bewußt, daß noch manche Frage zu lösen ist; aber das Verdienst
kann ihm niemand absprechen, daß er die Forschung einen großen
Schritt vorwärts geführt hat. — Eine andere Klostersache behandelt
Fr. Aug. Nagel: Das Klösterlein zum heiligen Kreuz und der
Frauenauracher Hof in Nürnberg. Das jetzige Schulhaus am Webersplatz
steht an der Stelle, wo einstens Dominikanerinnen eine kleine
Niederlassung hatten; erst 1276 zogen sie nach Frauenaurach, behielten
aber den alten Besitz in Nürnberg bei. In der Reformationszeit
kam das Kloster und mit ihm auch dieser Besitz in die Hand des
Markgrafen von Brandenburg, weshalb der Komplex den Namen:
„markgräfliche Häuser" erhielt. — Artur K r e i n e r beschäftigt sich
mit den Schicksalen der Professoren der Universität Altdorf. Von
Theologen erwähnt er Joh. Fabricius (1644—1720), Joh. Mich. Lang
(1664—1731), Georg König (1614—1654), Joh. Balthasar Bernhold |
(1687—1769), Joh. Gottfr. v. Bernhold (1721/1766). — Nicht unter-
alssen sei, auf den an der Spitze stehenden Beitrag hinzuweil*
den. Frch. Bock hat sich der mühevollen Arbeit unterzogen, das
Schrifttum der Stadt Nürnberg aus den Jahren 1933—1939 zusammenzustellen
. Wie umfassend diese Arbeit ist, mag daraus ersehen werden,
daß auch Romane, historische Erzählungen u. a. verzeichnet sind. Zeitschriften
sowohl wie Bücher sind im weitesten ^Maße herangezogen,
daß jeder, der sich hier Rat erholen will, ihn im vollen Maße finden
wird.

Nürnberg K. Schornbaum !

j

Mitteilungen d. Vereins f. Kunst u. Altertum in Ulm u. Oberschwaben
. Bd.31. Ulm: Ebnerl941. (212S., 16Taf.)4". Hlw.RM5-.
Auf religiöse und kirchliche Fragen kommt dieser Band nur obiter
zu sprechen. Otto Häcker behandelt „die Schwäbische Erzbildnerei vom
Mittelalter bis zur Neuzeit mit besonderer Berücksichtigung Ulms und j
der Beziehungen zwischen den Kunstgießereien der süddeutschen i
Städte". Er stellt die Behauptung auf, daß Peter Vischer seine Ausbildung
als Erzgießer in Ulm genossen habe, hier schon im 15. Jahr- i
hundert das Erzgießerhandwerk heimisch gewesen sein. Er verweist !
zum Beweis dafür auf den ersten Entwurf des Sebaldusgrabes in
Nürnberg, der nach dem Vorbild des Ulmer Sakramenthauses gezeichnet
ist. Diese Frage bedarf wie so manches Andere noch eingehen-
derer Untersuchungen. Hier kann nur darauf hingewiesen werden, daß
unter den Werken der Erzplastik natürlich viele Grabmäler, Glocken
und Ähnliches erwähnt werden. Tafel I—XII enthalten gute Reproduktionen
von solchen. — Die Biographie des Daniel Mauch von
Ulm, der Sigmund von Herberstein 1526/27 auf seiner Reise nach Rußland
begleitete, von A. Nägele interessiert deswegen, weil Mauch gegen
Ende seines Lebens eine Domherrnstelle in Worms annahm und
sich damit sowohl der Förderung wissensch. Bestrehungen als kirchl.
Aufgaben zuwandte. — Ebenso ist das Lebensbild Erasmus Rauchschnabels
, eines Ulmer Ratsherren in der Reformationszeit, von [
Albrecht Rieber deswegen zu beachten, weil wir hier einen Vertreter
tier altgläubigen Minorität vor uns sehen. — In der Beschreibung

einer Reise, die Job. Christoph Schmidlin (f 1800 als Rektor in Stuttgart
) 176'J von Tübingen nach Wien vor allem auf der Donau zurücklegte
, findet sich nur eine kurze Notiz, die aber für die religiöse
Volkskunde nicht ohne Wert ist, daß bei Passieren der Strudel von
Sarblingstein die Schiffer jeden veranlagten, nach seiner Religion ein
Vater Unser zu beten (S. 122). — Den Wert der Kirchenbücher zeigt
vor allem die sippenkundiiehe Arbeit von Georg Schenk, Laupheim:
Die Bevölkerung von Seißen bei Blaubeuren bis zum Jahre 1800. Sie
hätte ohne diese gar nicht geschrieben werden können. Die erste
Seite des Ehebuchs ist wiedergegeben, Tafel 30. — Grabungen gelegentlich
von Luftschutzarbeiten haben ein Stück des Friedhofes bei
der alten Ulmer Pfarrkirche ,,über Feld" zu Tage gefördert. (Kraus,
Carl, Zwei geschichtlich wichtige Zufallsgrabungen). — Bei Bespre-
sprechung von neuerem Schrifttum über das Ulmer Münster macht
K. Friedrich auf mehrere für die Baugeschichte desselben wichtige
Pläne, von denen 2 zum Abdruck kommen (Tafel 31 u. 32), aufmerksam
. — Am meisten erweckt kirchengesch. Interesse der Artikel von
Otto Wiegandt, Ulm als Stadt der Auswanderer. Schon die Notiz,
daß der Sammler Joseph Haußer aus Neu-York 50 fl. für die cv.-luth-
Kirche daselbst erhielt, ist bemerkenswert. Dann aber muß aufmerksam
gemacht werden 1) auf die Berichte über den Durchzug der
Salzburger Exulanten, 1732 2) die Briefe Martin und Bartbel Bozenhardts
aus Amerika, die die Verhältnisse der Ansiedler in der neuen
Welt gut beleuchten, 1753.

Druckfehler: S. 82 Z. 14: „Altenmuhr"; S. 28 oben ist der Text
durch Zeilenauisfall unverständlich; S. 29 Z. 6u.: „verbreitert".
Nürnberg K. S c Ii 0 r n h a u in

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Winter, Eduard: Franz Brentanos Ringen um eine neue Gottessicht
. Nach d. unveröffentl. Briefwechsel F. Brenlano — H. Schell.

Brünn, Wien, Leipzig: Rohrer [1941]. (48 S ) gr. 8° = Vcröffcntl. d.
Brentanogesellschaft in Prag. N. R. Bd. 1. RM 1.50.

In dem Briefwechsel zwischen Franz Brentano und
Hermann Schell (aus den Jahren 1871 bis 1905, mit Unterbrechungen
) spielt sich ein geistiges Ringen von typischer
(und gerade für die heutigen Fragestellungen beziehungsreicher
) Bedeutsamkeit ab. Uns in diesen Briefwechsel
, auf dessen in Aussicht stehende Drucklegung
wir gespannt sein dürfen, Einblick verschafft und seine
innere Linien aufgezeigt zu haben, ist das Verdienst von
Winters Schrift. In dem Briefwechsel geht es vor allem
um die Frage: Ist die (römisch-katholische) Kirche im
Sinne einer religiösen Reform wandlungsfähig und wird
sie in der Zukunft noch religiös zu wirken imstande
sein? Schell beantwortet die Frage mit Ja; er blieb katholischer
Theologieprofessor, auch nachdem er indiziert
war, und suchte in den Grenzen, die ihm gezogen waren,
reformkatholische Ideen zu verbreiten. -Brentano, der bereits
1873 Priestertum und Kirche verlassen hatte und
Professor der Philosophie geworden war (seit 1895 Privatgelehrter
), sagt leidenschaftlich Nein und sucht seinem
früheren Schüler nachzuweisen, daß seine Haltung
eine Halbheit sei, und ihn zu beeinflussen, daß er die
„Mittelstellung zwischen Wahrheit und Kirche" aufgebe.
Später sieht Brentano ein, daß Schells Weg für ihn innerlich
notwendig und nicht von Opportunismus bestimmt
war, aber behält sachlich recht, denn die römischkatholische
Kirche zeigt sich nicht aufnahmefähig für die
Reformgedanken Schells; Papst Pius X weist sie ausdrücklich
zurück und verlangt 1910, vier Jahre nach
Schells Tode, den „Modernisteneid".

Es ist aber nicht zu verkennen, daß die religiösen
Auffassungen und Haltungen Brentanos und Schells voneinander
stark abweichen, obwohl sie sich darüber
(wenigstens soweit die Schrift Winters es erkennen läßt)
wenig auseinandersetzen, und daß es dadurch (und
nicht nur durch die entgegengesetzten Ansichten von der
Reformfähigkeit der Kirche) begründet ist, warum Brentano
die Kirche verläßt und Schell in ihr verbleibt. Die
„neue Gottessicht" Brentanos bzw. sein Ringen um sie
tritt aber in der Schrift bzw. den Briefausziigen nicht so
deutlich hervor, daß wir den Titel der Schrift für glücklich
halten könnten; der Wert der Schrift liegt, wie gesagt
, in der Darstellung des Briefwechsels und der Auseinandersetzung
der beiden Männer über die Kirchen-