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Ausgabe:

1942

Spalte:

279-280

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Häring, Nikolaus

Titel/Untertitel:

Die Theologie des Erfurter Augustiner-Eremiten Bartholomäus Arnoldi von Usingen 1942

Rezensent:

Köhler, Walther

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 9/10

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des paulinischen Evangeliumsverständnisses ausgerichtet
ist, vermissen läßt. Er verbaut sich den Zugang zu Luthers
Gedanken gleich von vornherein dadurch, daß er
den Anlaß zu Luthers Schrift in dessen libido scilicet et
petulantia ac in venerea propensio fedissima sieht und
auf diese Voraussetzung auch immer wieder mit ärgsten
Verunglimpfungen des Gegners zurückkommt. Das Gesamturteil
des Buches über Köllins Persönlichkeit und
Leistungen ist außerordentlich günstig. Der Verfasser
reiht ihn unter die „Großen des katholischen Deutschland
jener Tage" ein, ohne freilich diese Größe dem Leser
recht anschaulich zu machen. Die Grenzen der Persönlichkeit
Köllins sind ja nicht zu übersehen. Es sei
nur hingewiesen auf die Ängstlichkeit seines Wesens,
die nicht nur als Demut und Bescheidenheit zu erklären
ist. Keine seiner größeren Schriften wäre erschienen,
hätten ihn nicht andere dazu gedrängt. In den häufigen
Anfragen an Cajetan stößt man auf ein bei einem Mann t
von Köllins Gelehrsamkeit auffallendes Bedürfnis nach
Deckung durch eine höhere Autorität, wie ihm denn auch
Cajetan einmal gelegentlich einer Anfrage schrieb, daß
er die Sache auch selbst habe entscheiden können. Auch
die Tatsache, daß er eine kleine moralische Abhandlung
zum Jagdrecht, die das Mißfallen der Fürsten erregen
konnte, anonym erscheinen ließ, zeugt nicht von Mut.
Nicht minder begrenzt ist Köllins geschichtliche Wirkung
. Ein nennenswerter Erfolg seiner Schriften ist
nicht nachweisbar. Das 1512 erschienene Stück des
Thomaskommentars scheint wenig beachtet worden zu
sein, zumal zwei Jahre später auch Cajetan einen Kom- j
mentar zur Prima Secundae veröffentlichte. Luther hat j
es überhaupt nicht gekannt. Köllins gegen Luther ge- I
richtetes apologetisches Werk, dessen dritter Teil überhaupt
nicht erschien, aber wird in seiner ermüdenden
Weitläufigkeit wohl nur von solchen ganz gelesen worden
sein, die schon überzeugt waren. So wird man geneigt
sein, die Bedeutung Köllins zurückhaltender zu beurteilen
, als der Verfasser es tut.
Adelebsen Ph. M e y e r

Häring, Dr. Nikolaus, PSM: Die Theologie des Erfurter
Augustiner-Eremiten Bartholomäus Arnoldi von Usingen.

Beitrag zur Dogmengeschichte der Reformationszeit. Limburg a. d. Lahn :
Pallotiner-Verlag 1939. (XVIII, '.'99 S.) gr. 8°. RM 7- .

Verfasser bietet in seinem Buche eine willkommene
Ergänzung zu der Biographie Usingens von Nik. Paulus
(1898), behandelt daher das Biographische sehr kurz, um
allen Nachdruck auf das Dogmengeschichtliche zu legen.
Er hat die gedruckten Schriften des Augustiners und
das handschriftliche Material (s. das Verzeichnis S. XI f.;
es wird nicht allgemein bekannt sein, daß U. einen
Anabaptismus gegen die Täufer schrieb und eine — verlorene
— Schrift über das Marburger Religionsgespräch)
sowie die Literatur zur Sache ausgiebig benutzt; bei der
Seltenheit der Schriften sind die zahlreichen Auszüge
aus U.s Werken sehr willkommen. Die Frage nach dem
Einfluß seines Lehrers auf Luther wird nur gestreift, '
für den Biblizismus umgekehrt eine Einwirkung der Reformation
auf U., m. E. mit Recht, abgelehnt. Von U.s j
Gegnern werden Johann Lang, Ägidius Mechler, Johannes
Kulsamer, Antonius Musa, Georg Forchheim und
Johann Cop kurz gekennzeichnet. Als energischer Anhänger
der via moderna trennt U. scharf Theologie und
Philosophie und gibt der potentia ordinata Gottes die
AAöglichkeit zu allem, was keinen Widerspruch in sich j
schließt. Von da aus kann es in der Sündenlehre heißen:
nihil sua natura dico peccatum, cum omnia quae sunt
entia sunt, ergo bona; quod autem aliquid dicitur pecca- i
tum, accidit ei, quia ex imputatione divina ad poenam. j
Als „waschechter Occamist" (G. Ritter) will H. den Erfurter
Professor nicht bezeichnet wissen, gibt aber manche
Übereinstimmung mit Occam oder Gregor von Ri-
mini zu, obwohl er diesen in seinen theologischen j
Schriften nicht nennt; auch zu d' Ailli und Marsilius von
Inghen hat er ein nahes Verhältnis, auch zu Biel, „es ist J

die Eigenart der via moderna, die widersprechendsten
Lehren unter ihren Anhängern zu dulden". U. ist daher
auch nicht allenthalben einheitlich, sein Kollege Trut-
vetter z. B., mit dem ihn H. konfrontiert, distanziert Vernunft
und Offenbarung schärfer als U. Die von dem Vf.
gebotene systematische „Darstellung der Lehre" ist nach
den dogmatischen loci geordnet und kann, da sehr häufig
auf gleichzeitige Controversisten zurückgegriffen
wird, auch die Scholastik reiche Berücksichtigung findet,
als ein sehr dankenswertes Kompendium katholischer
Dogmatik in der Frühzeit der Reformation gewertet werden
, das man gerne auch zum Verständnis der reformatorischen
Lehre heranziehen wird. Besonders wertvoll
sind natürlich die Ausführungen über Rechtfertigung,
Gnade, freier Wille, Verdienst; ein geradezu quälendes
Balanzieren (S. 132 Anm. 30!) bringt doch immer wieder
das meritum zur Geltung. Die Frage, ob U. Luther
immer gerecht wird, mag hier auf sich beruhen, der Wert
des Buches liegt in der Vorführung der catholica.

Heidelberg W. K ö hier

LANDESKIRCHENGESCHICHTE


Weitnauer, Dr. Alfred : Die Bevölkerung des Hochstifts Augsburg
im Jahre 1650. Hrsg. Kempten: Oechelhäuser 1941. (XX11I,
449 S., 12 Bl. Abb., 1 Kt.) 8" = Alte Allgäuer Geschlechter. 20
= Allgäuer Heimatbücher. Bdch. 25. RM d—.

Genealogische Forschungen, nur auf Kirchenbücher
gestützt, sind oft zum Scheitern verurteilt. Ganz abgesehen
von der Knappheit der Einträge, die oft über
bloße Namensangabe nicht hinausgehen und infolge dessen
zu vielen Trugschlüssen Anlaß geben, ist es oft die
Lückenhaftigkeit der Überlieferung besonders in den
Zeiten des dreißigjährigen Krieges. Die ernste Forschung
hat deshalb schon immer darnach gestrebt, möglichst
viele andere Quellen, wie Bürgerbücher, Salbücher,
Lehenbücher etc. zu erschließen, um über die toten
Punkte hinwegzukommen, gesicherte Zusammenhänge zu
schaffen und Lücken zu schließen. Der Flerausgeber der
vorliegenden Sammlung hat durch manche mühevolle
Editionen schon viel dazu beigetragen, daß in Schwaben
die Forschungen auf weithin sicheres Aktenmaterial sich
stützen können. In dieser Linie liegt auch das vorliegende
Werk. Der Bistumsverweser von Augsburg Doin-
kapitular Johann Rudolf von Rechberg auf Hohenrech-
berg Jieß 1650 das ganze Augsburger Bistum huldigen.
Zunächst mußten alle Pflegen genaue Bestandserhebungen
über die Einwohner des Hochstifts, ihre Rechte und
Besitzungen anstellen; diese Berichte wurden dann zur
Unterlage für die Vereidigung verwendet. Später wurden
dann dieselben zusammengebunden und ein eingehender
Bericht über die Vorbereitung und den Verlauf der Huldigung
beigefügt. Der stattl. Band liegt heutzutage im
bayr. Hauptstaatsarchiv zu München, Hochstift Augsburg
605. Er kommt nun in dieser Publikation zum Abdruck
. Die Bedeutung desselben liegt darin, daß wir
einen genauen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse
des Hochstifts nach dem dreißigjährigen Kriege
erhalten. Zwar sind die Berichte der einzelnen Pflegämter
nicht gleichartig; aber es läßt sich deutlich erkennen
, welch schwere Schäden die Kriegszeit über das Land
gebracht hat. Denn darin sind alle Berichte gleich, daß
bei jedem Pflegamt genau vermerkt ist, welche Höfe
und Sölden noch bebaut wurden und welche öde lagen.
Dem Familienforscher ist vor allem wichtig, wenn bei
jedem Besitz der Name des Besitzers vermerkt ist. Daneben
fehlen auch nicht die Angaben über die Lehensverhältnisse
; einige Berichte bringen auch genaue Angaben
über den Umfang des Hofes, die zu leistenden Abgaben
. Die Bevölkerungszahl der einzelnen Bistums-
städte wie Füssen und Dillingen läßt sich genau, wenigstens
den Familien nach, ermitteln. Dem Abdruck des
Huldigungsbuches folgt die Übersetzung des vom Bischof
Heinrich V. 1635 an den päpstlichen Stuhl gesandten