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Ausgabe:

1942

Spalte:

277-278

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Miller, Max

Titel/Untertitel:

Die Söflinger Briefe und das Klarissenkloster Söflingen bei Ulm a. D. im Spätmittelalter 1942

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Seite 1

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277 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 9/10 278

tem de veritatibus Theologiae. Der Herausgeber hofft Ausführungen des Verfassers, der gerecht alles abwägt,

mit diesem Heft auch Seminarzwecken zu dienen. sprechen eine deutliche Sprache. Der Herausgeber gibt

Erlangen W. v. Loewenich zuerst eine auf eingehenden Forschungen beruhende Darstellung
der Klostergeschicke und Klosterverhältnisse bis

Miller, Max: Die Söflinger Briefe und das Klarissenkloster Söflingen zur Reformation. Hieran schließt sich die Edierung der

bei Ulm a. D. im Spätmittelalter. Würztwrg - Aumühle: Konrad 1 exte; Stichproben in den beigegebenen Photographien

Triltsch 1940. (x, 2bi, xvi Taf.) gr. 8°. rm y—; Ln. rm 12—. zeigen, daß dieselbe peinlich genau erfolgte; die Abwei-

Privater Briefwechsel hat immer etwas Reizvolles. Er chunS von den Lesungen der früheren Editoren werden

führt wie nichts anderes oft ein in die Wirklichkeit des §enau notiert. Schwieriges wird gedeutet und schwer

Geschehens; aber noch mehr, das persönliche Moment, Verständliches reich kommentiert. Die Arbeit stellt eine

das hier greifbar wird, wie sonst selten, zieht den Leser wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse des ausgehen-

in seinen Bann. Das gilt um so mehr, je stürmischer die den Mittelalters dar.

Zeiten sind, wenn es sich handelt um den Umbruch einer S. 126, z. 23 v.u. lies „Regensburg" statt „Nürnberg"; s. 135,

Zeit. Allerdings, je weiter die Jahrhunderte zurückliegen, ! z- 2 v- tenlt >>vor"-

um so spärlicher sind solche Funde. Um einem solchen i Nürnberg K. Schornbau m
Briefwechsel aus der Zeitenwende handelt es sich nun

bei dem vorliegenden Buche. Am 8. und 9. Januar 1454 Wilms, P.Hieronymus, OP.: Der Kölner Universitätsprofessor
reformierten die Benediktineräbte von Blaubeuren und Konrad Köllin. Köln: Albertus-Magnus-Verlag; Leipzig: Otto Har-
Hirsau unter Einsatz der militärischen Macht der Reichs- rassowitz in Komm. 1941. (143 S.) gr. 8° = Quellen u. Forschgn.
Stadt Ulm das nahe gelegene Klarissinnenkloster Söflin- 1 z- Gescn- d- Dominikanerorden« in Deutschland. H. 39. rm 7—
gen. Unter dem Inventar, das in den einzelnen Kloster- Der Dominikaner Konrad Köllin (f 1536) ist in der
zellen beschlagnahmt wurde, befanden sich u. a. auch Reformationsgeschichte insbesondere dadurch hervorge-
eine Reihe von Briefen und Liedern, die jetzt teils im [ treten, daß er ein umfangreiches Werk gegen Luthers
Stadtarchiv Ulm teils im Ha|iptstaatsarchiv Stuttgart lie- 1523 erschienene Auslegung von l.Cor. 7 verfaßte und
gen. Der erste, der sein Augenmerk auf diesen Brief- als Inquisitor an den Prozessen gegen Peter Fliesteden
Faszikel richtete, war Anton Birlinger, der 1875 in der und Adolf Klarenbach beteiligt war. In neuerer Zeit hat
Zeitschrift Alemannia einen Teil: 4Gedichte und 8 Briefe ihm bereits Nikolaus Paulus eine kenntnisreiche Abpublizierte
. Den größten Teil aber edierte 1907 G. Stein- handlung gewidmet, die er auch in sein Werk: Die deut-
liausen im 2. Bande seiner „Deutschen Privatbriefe des sehen Dominikaner im Kampf gegen Luther (Erläuterun-
Mittelalters". Dennoch hat sich verlohnt, daß Miller den gen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deut-
Stoff von neuem der Untersuchung unterzog. Er hat ] sehen Volkes IV, 1 u. 2. Freiburg i. Br. 1903) aufgenom-
niebt nur die Briefe in ihrer Totalität geboten; — zu den i men hat. Die vorliegende Schrift zieht die Züge des von
Liedern fand er noch 3, zu den Briefen noch 8, dazu 3 j Paulus gegebenen Bildes auf Grund eines in langjähri-
andere wichtige Ergänzungen bietende Aktenstücke — ! ger Beschäftigung mit dem Gegenstand gesammelten
er hat auch die Texte einer neuen gründlichen Unter- j Materials im einzelnen weiter aus. Außer einigen Archi-
suchung unterzogen und den bisher bekannten Text Valien sind dafür in erster Linie gedruckte Quellen und
vielfach richtig gestellt und verbessert. Aber noch mehr, die Werke Köllins selbst benutzt. So zeichnet das Buch
er hat die historischen Zusammenhänge eindringend im- in besonderen Abschnitten Köllins äußeren Lebensgang,
Versucht und damit die Maßstäbe zur richtigen Interpre- ' der von Ulm über Heidelberg nach Köln in die
tation gewonnen. Worin besteht nun die Bedeutung die- Stellung eines Priors, Regens, Universitätsprofessors und

ser Briefe? Zunächst wohl sind sie wichtig für die
Sprachgeschichte. Gerade der jetzt genau festgestellte
Text kann für die Entwicklung des schwäbischen Idioms
von besonderer Bedeutung werden. Es sind ja nicht allzuviel
Quellen, die in dieser Hinsicht zu Gebote stehen.
Dann aber ist die kulturgeschichtliche Seite hervorzuheben
. In dieser Hinsicht wissen wir ja immer noch zu

schließlich auch Inquisitors führte, und sein Charakterbild
, in dem er als ein „musterhafter, sittenreiner Ordenspriester
, ein beachtenswerter Gelehrter und ein edler
, liebenswürdiger Mensch" mit nie erschütterter christkatholischer
Haltung erscheint. Ebenso findet Köllins
Tätigkeit als Inquisitor in den Bezirken Mainz, Trier und
Köln und als Prior des Heidelberger und des Kölner

wenig und die Forschung ist dankbar für die Erschlie- Dominikanerkonvents gesonderte Behandlung. Ausführ

ßung jeder neuen Quelle. Und die Quelle, die hier eröff- liehe Abschnitte gehen der wissenschaftlichen Betätigung
net ist, bietet ja Einblicke in verschiedene Seiten des ', Köllins als gelehrter Kommentator der Prima Secundae

Lebens. Allerdings eines kommt dem Leser immer mehr des Thomas, als Moralist (vor allem die in Dialogform

zum Bewußtsein: wie gewaltig sind die Jahre, die uns Fragen der Moral und des Kirchenrechts behandelnden

von jener Zeit trennen; die Denkweise ist eine andere Quodlibeta) und als Apologet gegenüber Luther nach,

geworden; wir verstehen jene Welt kaum. Der Verkehr Die apologetische Tätigkeit beansprucht naturgemäß be-

der Mönche und Nonnen ist uns unverständlich. Der sonderes Interesse. Luthers kleiner Schrift, die nach der

Herausgeber weist mit Recht darauf hin, daß die Stellen, Gliederung von l.Cor. 7 in drei Teile zerfällt, setzt

die von sittlichen Verfehlungen der Klarissen sprechen Köllin ein großes Werk von ebensoviel Bänden entgegen,

sollen, falsch gedeutet wurden bzw. anders zu lesen sind, Die Widerlegung des ersten Teils geschieht in der Ever-

daß infolgedessen die darauf gestützten Vorwürfe in sich sio Lutherani Epithalamii, 1527 in Köln gedruckt, und

zusammenfallen. Aber dennoch ist der Briefwechsel der füllt einen Quartband von 240 Bl. Gegen den zweiten

Nonnen für die Gegenwart schwer faßbar. Die besonne- Teil geht der 272 Bl. umfassende Quartband Adversus

nen Ausführungen des Herausgebers, die uns auf das caninas Martini Lutheri nuptias, erst 1530 in Tübingen

Hereinwirken der mystischen Bewegungen des Mittel- erschienen. Der dritte Teil ist überhaupt nicht mehr

alters hinweisen, werden wohl zutreffen; so manche herausgekommen. Wilms gibt ausführliche Beispiele für

Ausdrücke lassen sich nur also erklären (S. 241: aliud, die Arbeitsweise Köllins. Luthers Schrift ist in einer

242: Te solum). Aber wie konnte man denn die 7 Lieder, von Köllin selbst angefertigten (WA. 12, S. 89 ist da-

die doch von Laien stammen, im Kloster aufbewahren? nach zu berichtigen) lateinischen Übersetzung vollständig

Am meisten aber bieten die Briefe für die Erkenntnis des in die Gegenschrift aufgenommen und wird Stück für

religiösen Lebens im Kloster. Sie bieten den stärksten Stück in breiten Ausführungen, die sich in Bücher und

Beweis, daß eine Reformation des Klosters berechtigt, weiter in Traktate und Kapitel gliedern, zu widerlegen

ja notwendig war. Herbst des Mittelalters könnte man in versucht. Wilms beurteilt die Arbeit als gründlich und

dieser Hinsicht über das Kloster Söflingen schreiben, durchschlagend, kann aber auch ihre an Wiederholungen

Auch wenn keine sittl. Verfehlungen zu konstatieren sind, reiche, weitschweifige und doktrinäre Art nicht leugnen,

wie weit war man von dem Ideal der Ordensstifterin Wir müssen darüber hinaus feststellen, daß Köllin jedes

abgerückt, wie wenig ist von derselben zu spüren; die Verständnis für Luthers Auslegung, die an der Ganzheit