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Ausgabe:

1942

Spalte:

273-275

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Molland, Einar

Titel/Untertitel:

The conception of the gospel in the Alexandrian theology 1942

Rezensent:

Dibelius, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1042 Nr. 9/10

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die Vatikanischen Beschlüsse ausgearbeitet haben. S. 391, Z. 1 ist
wohl über statt vitae zu lesen. Ebd. Z. 7 lies 20. Jahrhunderts.
Sehr anfechtbar erscheint mir, was Heiler S. 374 ff. über die neute-
stamentliche Grundlage des Primates ausführt. Keines der „drei feierlichen
Jesusworte", die dem Petrus einen Primat geben sollen, geht
auf den historischeu Jesus zurück, auch Lk. 22, 31 f. nicht, das deutlich
eine Widerspiegelung der geschichtlichen Tatsache der Sammlung
der zersprengten Jünger Jesu nach dessen Tode ist. Petrus hat in
der Aposlel'gesch., wie oft dargelegt worden ist, keinen uneingeschränkten
Primat der autoritativen Leitung; er muß sich ja 8, 14
von den Aposteln in Jerusalem nach Samarien delegieren
lassen; auf dem Apostelkonzil c. 15 dringt er mit seinem Vorschlag
nicht durch. Und den ,,Primat der Ehre" hätte Paulus nicht respektiert
; er nennt den Jakobus vor Kephas (Oal. 2). Und welchen Sinn
soll man mit dem Satz S. 375 verbinden: „Der Primat des Petrus
war zunächst ein persönlicher; a<bcr er schloß seine Fortpflanzung
auf die spätere christliche Gemeinde nicht aus"? War der Primat
des Petrus ein „persönlicher", dann haftet er an Petrus und nur an
ihm; ist er auf andere übertragbar, dann hat es keinen Sinn, von
einem ,persönlichen" Primat bei Petrus zu sprechen. Interessant ist
nun aber die Fortsetzung. Eine unmittelbare Übertragung päpstlicher
Gewalten von Petrus auf den ersten römischen Bischof ist, so schreibt
Heiler in Sperrdruck, historisch ebensowenig nachweisbar wie ein
Episkopat Petri in Rom. Petrus soll aber nach Heiler in Rom gewirkt
haben. Wie soll man sich hier die geschichtlichen Zusammenhinge
denken? Soll man annehmen, daß der Mann, der von Jesus
mit dem Primat der autoritativen Leitung betraut worden ist, in R o m
den Episkopat die autoritative Leitung) nicht ausgeübt hat?

Hier stimmt wohl verschiedenes nicht. — Auffallend ist, daß Heiler
ein umfangreiches Buch über die römisch-katholische Kirche schreiben
kann, ohne das Problem des Einflusses der jüdischen Religion
auf den römischen Katholizismus zu steilen; nur auf S. 7 wird es
einmal gestreift, in einem Zitat aus R. Seeberg.

Jena Karl H e u s s i

Mo 11 an d, binar: The Conception of the Gospel in the Alexan-
diian Theology. Oslo: J. Dybwad 1938. (XI, 185S.) gr. 8° = Skrifter
av det Norske Videnskaps - Academi i Oslo, II. Hist. - Filosoph.
Klasse. 1<J38. No. 2. Kr. 14—.

Der Verf. behandelt in Fortsetzung seiner Arbeit
über das paulinische Evangelium (erschienen 1934) die
alexandrinische Theologie und ihre Auffassung des Evangeliums
und verspricht zugleich ein Buch über denselben
Gegenstand im zweiten Jahrhundert Er begnügt sich in
dem vorliegenden Werk nicht mit der Untersuchung der
„Evangeliums"-Stellen bei Clemens und Origenes —
diese Art der monographischen Behandlung würde namentlich
bei Clemens die wesentlichsten Probleme nicht
erfassen. Wir erhalten vielmehr ein fesselndes, weil mit
großer Intensität gezeichnetes Bild der beiden Theologien
, entworfen vom Standort des Begriffs „Evangelium
".

Bei beiden alexandrinischen Theologen ist unter diesem
Gesichtspunkt als wichtigste Übereinstimmung zu
blichen die Einheit von Gesetz und Evangelium. Bei Clemens
ist sie eine Art philosophisches Postulat: beide,
Gesetz und Evangelium haben ihren Ursprung in Gott,
und Gott kann sich nicht selbst widersprechen. Der gerechte
Gott ist auch der gute, und Marcion ist mit der
Trennung von beiden im Unrecht. Origenes dagegen entzieht
sich der relativen Wahrheit der marcionitischen
Anschauung nicht — M. zitiert Harnacks plastisches
Wort, daß Origenes von allen, die er bekämpfte, gelernt
habe; „alle seine Gegner sind auch seine Vorläufer".
Darum muß Origenes Gesetz und Evangelium auf verschiedene
Ebenen stellen. Sie stehen einander gegenüber
wie die unvollkommene und die vollkommene Religion.
Der Buchstabe des Gesetzes ist geringer als der Buchstabe
des Evangeliums, aber seit dem Erscheinen Christi
in der Welt ist der geheime Sinn des Gesetzes durch die
allegorische Interpretation enthüllt. Nun zeigt sich, daß
das christologisch gedeutete Gesetz in vollkommener Harmonie
mit dem Evangelium steht, und daß alle Einwände
der Gegner des Alten Testaments auf der falschen, nur
buchstäblichen Deutung des Gesetzes beruhen. Die Übereinstimmung
von Gesetz und Evangelium im einzelnen
sucht Origenes der Biblizist nun durch allerlei Nachweise
zu stützen. Und hier zeigt sich der große Unterschied
von Clemens: das Problem der allgemeinen Offenbarung
, das für Clemens, den Bewunderer der alten Philosophen
, so wichtig ist, steht bei Origenes, der eine neue
christliche Philosophie schafft, nicht mehr im Zentrum.
„He has not the broad-mindedness of Clement nor the
discursive brilliance of his master, nor Iiis vagueness."

Diese Unbestimmtheit und Unklarheit im Denken des
Clemens hat M. von Anfang an betont, mir will scheinen:
zu reichlich betont. Er ermöglicht sich dadurch eine Erklärung
der inneren Gegensätze im Denken des Clemens,
die bequem, aber nicht immer sachgemäß ist. Es wäre
doch wohl richtiger gewesen, die verschiedenen Traditionsströme
aufzuzeigen, die sich im Werk des Clemens
zusammenfinden und nicht immer zur Einheit verschmolzen
werden. M. selbst hat diese Spannung deutlicli auf-

1 gezeigt bei der Frage nach der Gottverwandtschaft des
natürlichen Menschen. Aber er hat es unterlassen, sie
aus der Vorgeschichte der Ideen des Clemens abzuleiten,

I und dieser Verzicht auf die Berücksichtigung der geistigen
Vorgeschichte ist m. E. der größte Mangel des
Buches. Eine Erklärung dafür kann ich nur vermuten:
M. hat sich durch Munck (Untersuchungen über Klemens
von Alexandria, 1933) überzeugen lassen, daß Bousset
in seinem Buche „Jüdisch-Christl. Schulbetrieb in Alex;in-
dria und Rom" 1915 zu Unrecht mindestens für die
Stromata aus Gedankendifferenzen Quellendifferenzen erschlossen
habe. Der Vf. will „various lines of thought"

| zwar zugeben, will sie aber aus des Clemens „persona-
lity and complex thought" erklären. So mißtraut er nicht

j nur Quellenhypothesen, sondern auch jeder Art von

; „Ableitung".

Der Hinweis auf Persönlichkeit und unklare Gedan-
kenbildung ist nun zweifellos keine genügende Erklärung
für die Differenzen bei Clemens. Das läßt sich gerade
an dem Problem zeigen, bei dem M. die Spannung in
der Gedankenwelt des Clemens besonders betont hat: bei
der Frage nach der Gottverwandtschaft des natürlichen
Menschen. Clemens steht hier einerseits in der stoischen

I Tradition, die im Christentum zuerst Acta 17 bemerkbar

' wird. Andrerseits warnt ihn das Beispiel der häretischen
Gnostiker vor den Konsequenzen jener optimistischen
Anthropologie. Will man nicht von verschiedenen Quellen
sprechen, so muß man doch die Verschiedenheit der
Einflüsse anerkennen, die auf Clemens gewirkt haben
und die er nicht immer bewältigt hat. Und ähnlich steht
es bei den verschiedenen Theorien über Offenbarung.
Wenn Clemens da zum Beweis der Notwendigkeit einer
Spezialoffenbarung Ex. 33,16 heranzieht (Strom. II, 6: 1),
so beruft er sich damit auf eine Lieblingsstelle Philos,
der in ähnlichen Zusammenhängen gern auf sie verweist.

1 Von diesen Dingen und noch anderen (z. B. der Übernahme
stoischer Termini und jüdischer apologetischer
Gedanken) mußte doch die Rede sein, wenn die inneren
Spannungen im Werk des Clemens untersucht wurden.

Sonst ist gerade dieser Teil des Buches über Clemens
reich an interessanten Hinweisen. Dahin gehören die Abschnitte
über die Verwandtschaft der biblischen Gedanken
mit denen der griechischen Philosophie: als Beweis
für die Abhängigkeit der Griechen erscheint hier auch
der Stil der ältesten griechischen Philosophen, deren
Brachylogie nach Clemens die Abhängigkeit von semitischen
Schriften verrät.

Der zweite Teil des Buches, der Origenes gilt, geht

; aus von dem Nachweis des Biblizismus (durch den die
Geltung der kirchlichen Tradition keineswegs ausgeschlossen
wird) und mündet in einer Betrachtung von
Luthers hartem Urteil über Origenes: in toto Origene
non est verbum unum de Christo. Was Luther von Origenes
trennt, ist einmal sein Mißtrauen gegen die Alle-
goristik und vor allem die Erkenntnis, daß des Origenes
„Evangelium" nicht die Rechtfertigung des Sünders zum
Mittelpunkt hat. Der Unterschied der beiden Gedankenwelten
ist besonders deutlich gemacht. Aber auch hier
wäre ein Rückblick auf die Vorgeschichte dieser Theologie
in der griechischen oder jüdischen Philosophie förderlich
gewesen.