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Ausgabe:

1942

Spalte:

271-273

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Heiler, Friedrich

Titel/Untertitel:

Altkirchliche Autonomie und päpstlicher Zentralismus 1942

Rezensent:

Heussi, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1Q42 Nr. 9/10

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keiten verbunden. Es ist wohl in dem ganzen Bezirk
noch nirgends wenigstens der Anfang zu einer archivmäßigen
Pflege der Akten gemacht worden, man hat
nicht einmal die reponierte von der laufenden Registratur
getrennt; es liegen offenbar alle Bestände noch beieinander
; der Archivpfleger mußte mühsam alle Schränke und
Reposituren durchsuchen, um das in Betracht Kommende
aufzuzeichnen. Ein typisches Beispiel ist Geislingen. Die
Akten befinden sich in den verschiedensten Kästen und
Zimmern. Zwischen kirchl. und weltlichen Registraturen
ist in dieser Hinsicht kein Unterschied. Es scheinen noch
keine Bestimmungen über die Reponierung der Akten getroffen
worden zu sein; denn eine einheitliche zeitliche
Grenze für die hier verzeichneten Akten läßt sich nicht
feststellen. Die Verhältnisse bedingen aber auch in
andrer Hinsicht eine Klärung. Es verwundert schon, daß
kirchl. Registraturen unter den Gemeindearchiven aufgeführt
werden. Aber auch dies wird verständlich, wenn
man sieht, daß viele kirchl. Sachen in den Gemeinderegistraturen
liegen; wenn Gemeinden Archivalien aus
der Zeit vor 1800 verwahren, sind es meist fremde
kirchl. Bestandteile, die den Zusammenhang stören. Aber
auch für das 19. Jahrhundert kommt es weitgehend zu
dieser Vermischung. Da kann man lesen: Pfarrgemein- i
deratsprotokolle nicht mehr vorhanden (S. 97, 105); soll- !
ten sie nicht vielleicht in der Gemeinderegistratur sich
noch befinden? Es sollte endlich aus jeder Registratur
das fremde Archivgut entfernt werden und somit ein
Austausch, der zu einer archivmäßigen Bereinigung führen
würde, erfolgen. Eines wäre allerdings auch noch
nötig: Es mußte eine Zusammenstellung alles archivali-
schen Gutes zunächst erfolgen; die „Bündel" und „Pakete
" müßten gesichtet und archivmäßig behandelt; und
dann alles nach einer gewissen Ordnung verzeichnet und
registriert werden. Es könnte noch manches Wertvolle
zum Vorschein kommen.

Nürnberg K. Schornbau ni

Brandl, Karl: Deutschland und Italien. München: Bnickinann
1941. (24 S.) gr. 8°. RM 1.80.

In großzügigem Überblicke und mit manch neuem
förderlichen Gesichtspunkt behandelt hier ein altbewährter
deutscher Italienkenner die Entwicklungsgeschichte
des engen Zusammenhangs zwischen Deutschland und
Italien, in den auch die Italienpolitik der deutschen Kaiser
und Könige organisch und überzeugend eingeordnet
wird. Gewiß hat die Gegenwart hier manches zur Erleuchtung
historischer Zusammenhänge beigetragen. Das
verführt aber den vorsichtigen Verfasser an keiner Stelle,
in unzulässiger Weise moderne Lichter in das strahlende
Bild der Vergangenheit zu mischen.
Wyk auf Föhr J. H a s Ii a g e n

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Heiler, Friedrich: Altkirchliche Autonomie und päpstlicher
Zentralismus. München: Reinhardt 1041. (XVI, 420; 4 S.) gr. 8°
=> Die katholische Kirche d. Ostens u. Westens Bd. II 1.

RM 7—; Lvv. RM 9—,

Um dieses Werk richtig zu verstehen, muß man im
Auge behalten, daß es sich nicht um eine Monographie
über das Thema „Altkirchliche Autonomie und päpstlicher
Zentralismus", sondern um Teil II, 1 eines größeren
Werkes handelt und daß in Teil I das Thema „Ur-
kirche und Ostkirche" erörtert ist. Wir haben es mit
einer groß angelegten „Konfessionskunde" zu tun, die
ganz stark auf historische, nicht bloß auf Gegenwartssicht
eingestellt ist. Der leitende Gedanke ist, daß die
Struktur der westlichen Kirche ursprünglich dieselbe gewesen
ist, wie die der östlichen, daß sich aber im Westen
eine Strukturverschiebung vollzogen hat, die eine
der tieferen Ursachen der kirchlichen Trennung zwischen
dem Osten und dem Westen geworden ist. Der Aufweis
dieses geschichtlichen Sachverhaltes ergibt dem Verf.

zugleich „nette Perspektiven für die Frage der Einigung
der Kirchen" (S. VII). Der Leser erhält zuerst (Abschnitt
I) einen Überblick über die alten „autonomen"
Kirchenprovinzen und Kirchen des Abendlandes (S. 3 bis
185), nämlich die nordafrikanische, die spanisch-westgotische
, die gallische und fränkische, die mailändische Kirche
, die Kirche von Aquileja, die keltische (britische, irische
und schottische) Kirche, sowie die „arianischen"
germanischen Stammeskirchen; dabei wird immer die Liturgie
besonders eingehend gewürdigt. Das Ergebnis
ist, daß im Westen wie im Osten jede Provinzialkirche
ihre selbständige Verfassung hatte und ihr gottesdienstliches
Leben selbständig gestaltete; der Mannigfaltigkeit
liturgischer Typen in der Ostkirche entsprach eine Mehrheit
von Liturgien im Westen, und zwar standen außer
der afrikanischen alle außerrömischen westlichen Liturgien
in starker Abhängigkeit vom Orient. Eine zentrali-
stische Leitung gab es im Westen in den ersten Jahrhunderten
ebensowenig, wie bis heute in der Ostkirche
(S. 185). Die Hauptmasse des Buches (Abschnitt II) beschreibt
in großen Zügen die Entstehung und Entwicklung
des Papsttums (S. 186—393), und zwar von den
Anfängen bis zur Gegenwart. Sechs Kapitel schildern
den Primat der römischen Kirche in der vornicänischen
Zeit, die Entfaltung des römischen Jurisdiktionsprimats
und Universalepiskopats von Silvester I. (mit dem die
„ersten Päpste" anheben) bis auf Gregor I. einschließlich
, die Entwicklung des Papsttums zum „geistlichen
Weltimperium", das Papsttum im Kampf mit dem Evan-
gelismus und Episkopalismus (von der Kritik Bernhards
von Clairvaux bis zum Wiederaufleben des episkopalisti-
SChen Landeskirchentums im 17. und 18. Jahrhundert),
die Krönung des Papalismus durch das Vaticanum, sowie
das Papsttum als kirchliches Einheitszentrum in der
neuesten Zeit (von Leo XIII. bis auf Pius XI). Es folgt
noch eine zusammenfassende Betrachtung über Entfaltung
und Entartung in der Geschichte des Papsttums,
sowie eine interessante Ausführung über die Hoffnung
auf den Pastor angeücus (S. 373—386; 386—393). In
diesen beiden letzten Abschnitten kommt die Grundauf-
fassung Heilers am klarsten zum Ausdruck.

Es bedarf keines Wortes, daß sich hier ein wirklicher
Kenner zum Gegenstande äußert. Auch mit der
neuesten Forschung ist der Verf. gut bekannt. So empfängt
der Leser auf diesen 400, in ziemlich gedrängter
Darstellung gehaltenen Seiten eine Fülle von Belehrung
. Ich nenne beispielsweise die Ausführung über
Augustins Abendmahlslehre im Verhältnis zur Lehre von
der Transsubstantiation der Scholastik und zur Abendmahlslehre
Calvins (S. 39 f.), die Erörterung über Augu-
stin als Versöhner der getrennten Kirchen (S. 43), die
j eindrucksvolle Schilderung der afrikanischen Autonomie
(S. 48—51), die lehrreiche Zusammenstellung über den
Titel vicarius Christi (S. 270—275), die Erörterung über
den konziliaren Kirchenbegriff der concordantia catholica
des Nicolaus von dies (S. 299—314), die interessante
Beurteilung Döllingers (S. 345 f.), sowie die Ausführung
über Bedeutung und Wert des Vatkanums (347 ff., bes.
S. 350), schließlich die Bewertung der Lateranverträge
von 1929 (S. 367 ff.).

Ein paar Einzelheiten. S. 12 unten lies montanistischen statt
monophysitischen. S. 34: die Nachwirkungen von Augustins Qottes-
staat über Bossuet hinaus verdienten Erwähnung. S. 238: die Annahme
, daß die Donatio Constantini erst 816 bei der Begegnung
Stephans IV. mit Ludwig dem Frommen in Rheims entstanden sei,
scheitert an ihrer Benutzung im Codex Carolinus von 778. S. 243:
wieso ist Nikolaus I. „Typus der großen weltbeherrschenden Päpste
des Mittelalters" und machte er das römische Papsttum zum „Welt-
impcrium", wenn er doch „von Übergriffen auf rein politische Verhältnisse
sich frei hielt" (S. 241)? S. 245: wohl nicht erst Rothad
hat die Pseudo-Isidorischen Dckretalen nach Rom gebracht, vgl.
J. Haller, Nikolaus I. und Pseudo-Isidor S. 175. S. 253 u.ö.: Dic-
tatus papae ist als Plural zu gebrauchen. S. 265 lies: Bonifatius.
S. 282: nach dem, was vorher über den Charakter Bonifatius' VIII.
gesagt ist, leuchtet es nicht recht ein, wenn dann von „tiefer
Tragik" gesprochen wird. S. 344: hier könnte ein Wort über die mangelhafte
Akribie gesagt werden, mit der die päpstlichen Theologen