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Ausgabe:

1942

Spalte:

270-271

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Gemeinde- und evangelische Pfarregistraturen des Kreises Göppingen 1942

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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wird dann kritischer Maßstab für die Dogmen- und Kirchengeschichte
, und das wird exemplifiziert an Ignatius
von Antiochien als Beispiel für die Typen der Auffassung
von der praesentia Christi in der Alten Kirche.
Letztlich soll also die ganze Kirchen- und Dogmengeschichte
in Position und Negation die Geschichte des
Christus praesens sein und wäre in dieser Weise darzustellen
— so ist der Untertitel: „Vorerwägungen zu einer
Grundfrage der Kirchen- und Dogmengeschichte" zu verstehen
. Es wäre also abermals eine neue Inhaltsbestimmung
für die Dogmengeschichte gewonnen, und in Auseinandersetzung
mit Harnacks Christus-praesens-Untersu-
chung werden S. 46 f. Grundlinien gezogen. Daß eine
solche Dogmengeschichte fruchtbar gestaltet werden
kann, ist zweifellos, es käme nur auf die Ausführung
an (der S. 46 z. B. in praesentia und repraesentatio herausgearbeitete
Gegensatz ist der von Luther und Zwingli
im Abendmahlsstreit). Indem jener Maßstab sich bis zur
Gegenwart fortsetzt, mündet die Dogmengeschichte in
die Dogmatik, das historische Interesse des Vf. in das
systematische ein.

Die dogmengeschichtliche Untersuchung zu Ignatius
von Antiochien ist lehrreich. Natürlich ist das Aussagen-
bild über die Christusverbundenheit der Kirche hier
noch nicht von der späteren schematischen Systematik
beherrscht, aber Vf. kann zeigen (vgl. etwa die Tabelle
der Christusbezeichnungen S. 51), daß die Christusprädikationen
vorwiegend an die Inkarnation gebunden sind
und nur zaghaft in die Präexistenz vorstoßen, um so
schärfer sich gegen den Doketismus wenden. Die Kirche
als katholische Einheit wird sehr erfolgreich unter den
Blickpunkt der kultischen Größe gerückt („kultisch-musikalische
Bilder" S. 63), und es ist zweifellos richtig,
daß eine jurisdiktioneile Interpretation fehlgreift, auch
bei der Deutung des Bischofsamtes, so gewiß Verschiebungen
gegenüber den neutestamentlichen Formulierungen
vorliegen. Auch der Begriff des ndhrWis und n'",m'?
wird unter kultischen Blickpunkt gerückt. „Das Seta von
Hebr. 9, 28 ist bei Ignatius aus dem „einfürallemal" in
eine jederzeit zu vergegenwärtigende und zu wiederholende
dxtau; aufgelöst: alles, was sich am Christus
vollzieht, vollzieht sich am Christen" (S. 72). Damit
beginnt dann zugleich „die große, die ganze Dogmengeschichte
durchziehende Ant-Agonistik zwischen der freien
Gnade der praesentia Christi und dem religiös-kultischen
Bemühen des Menschen in der Kirche um die repraesentatio
des Göttlichen sich abzuzeichnen".

Die Erläuterung der „Grundbegriffe im Neuen Testament
" zur Frage des Christus praesens bietet nicht minder
der Anregungen viele. Man wird von einer „überlegenen
Einheit der Schau" hier reden können, auch etwa
zustimmen können, daß bei der Präexistenzvorstellung
„das in Frage stehende ,prae' in erster Linie nicht zeitlich
, sondern qualitativ als Prärogative gefaßt werden
muß" (S. 22) oder daß die praesentia Christi ihn als
Träger und Bringer der praesentia Dei sieht, u. ä. Aber
wenn der Vf. mit dieser neutestamentlichen Exegese die
ganze Frage erledigt sieht und restlos den von ihm festgestellten
Befund als normativ setzt, so muß dagegen
Einspruch erhoben werden. Schon daß er die gewiß
nicht geringfügigen Nuancierungen der verschiedenen
nt. Schriftsteller vollkommen ignoriert, ist bei allem Vorhandensein
der einheitlichen Schau wissenschaftlich unzulässig
. Und wenn Jesus nun einmal eine historische Persönlichkeit
ist, dann gibt es auch, wie Vf. formuliert, „die
Sicht des Kammerdieners, in der der Fürst als gewöhnlicher
Mensch erscheint, dessen „Fürstenmythus" erst
eine Volks- und „Gemeinde"bildung wäre" (S. 25); was
Vf. radikal ablehnt. Das lasse ich gelten, wenn man von
vorneherein Jesus aus der Geschichte heraushebt
wirklich „heraus"-hebt —, wozu der Vf. neigt (vgl. S.10
Anm. 13), dann steht man eben vor dem überhistorischen
Wunder. Es geht aber nicht, Jesus historisch zu machen
und dann sich den Konsequenzen des historischen Denkens
ihm gegenüber zu entziehen. Das ist eine schlimme

petitio prineipii, für den Vt. freilich eine Selbstverständlichkeit
. Das historische Denken verlangt die Analogiebetrachtung
. Und wenn nun diese zeigt, wie jede Kultgemeinde
ihren Kultheros apotheosiert und den Äußerungen
gerade der „Gläubigen" gegenüber äußerste Vorsicht am
Platze ist, dann darf man nicht das Zeugnis — wohl gemerkt
: es ist Zeugnis, kein Bericht — 1. Joh. 1, 1 als
Zeugnis von „Augenzeugen" schlechthin aller Kritik entheben
. Und es ist doch ein wenig gar zu plump, die religionsgeschichtliche
Idee der Epiphanie mit dem die Gestalt
eines Stieres annehmenden Zeus (S. 15) zu erledigen
und dann zu behaupten, „jener säkularisierte neutrale
Wissenschaftsbegriff laufe im Gebiet der Religionsgeschichte
notwendig [ ! j in einen gott-losen Polytheismus
und Pantheismus aus" (S. 21). Davon kann gar
keine Rede sein. Die geschichtsphilosophischen Anschauungen
des Verfassers sind äußerst brüchig, der Freibrief,
den das „theologische Denken" zu besitzen glaubt, sollte
sein Recht zunächst einmal erkenntnistheoretisch erweisen
, ehe er — nicht nur bei dem Vf. allein — so anspruchsvoll
auftritt. Zum Glück hängt der Wert seiner
Schrift nicht an diesem Mißgriff.
Heidelberg w. « ö hier

Burkhardt, Georg: Gemeinde- und ev. Pfarregistraturen
des Kreises Göppingen I (früheren Oberamts Geislingen Steige).
Stuttgart: Koh.lhanuner 1040. (VI, 120 S.) gr. 8° = WOrttemb.
Archivinveiitare. H. H>. RAI 2.40.

Das vorliegende Heft verzeichnet die Archivalien des
ehemaligen Oberamtes Geislingen. Es kommen 36 Orte
und 17 Ev. Pfarreien in Betracht. An Urkunden finden
sich bedeutendere Bestände nur in Geislingen: 12+237
H 1° Nummern aus den Jahren 1381/1521, 1329/1825 u.
1437/1761. Es handelt sich um die Urkunden des Hospitals
und der alten Sebastiansbruderschaft. Der Inhalt betrifft
dementsprechend zumeist Kauf und Verkauf, sowie
Stiftungen und Schenkungen. Sonst sind nur „Akten"
verzeichnet; in frühere Zeiten gehen nur wenige zurück
vor allem kirchl. Bestände; die meisten entstammen dem
19. Jahrhundert. Es gibt Gemeinden und Pfarreien, die
kein älteres Archivgut aus der Zeit vor 1800 besitzen.
Dem Inhalt nach sind es „Sal" und „Lagerbücher" (vor
allem bei den Kirchen), „Kauf- und Verkaufsprotokolle",
„Rechnungen", „Protokolle der Verwaltungen der ein-
i zelnen Körperschaften" und anderes dergleichen, wie es
eben die Verwaltungstätigkeit mit sich brachte. Über lokale
Bedeutung in kirchl. Hinsicht ragen wohl die Akten
des Stadtpfarramtes Geislingen hinaus, in der sich Akten
über Pietisten und über das gottesdienstliche Leben der
letzten Zeit der Ulmischen Reichsstadt und der Herrschaft
Bayerns befinden (S. 93).

Die Urkunden werden in Regestform mitgeteilt. Es
hat sich immer mehr als richtige Wiedergabe derselben
erwiesen, wenn der Inhalt kurz zusammengefaßt, aber
dabei eine Übertragung in die jetzige deutsche Schriftsprache
nach Diktion, Interpunktion und Orthographie
vorgenommen wurde. Es braucht dann kein Aussteller
und kein Empfänger eigens genannt werden; das Verwerten
ist in kürzester Zeit möglich. Hier hat man zu einer
andern Art gegriffen; man wollte möglichst viel Namen
mitteilen, man wollte die urkundliche Form möglichst
beibehalten; so erscheint vielfach die Schreibweise und
Diktion der Urkunden. Dies Verfahren ist verständlich;
die Lesbarkeit aber hat nicht gewonnen; der Forscher, sei
es Sprachforscher, sei es Wirtschaftshistoriker, muß
doch die Originale einsehen. Alles andere Gut der Registraturen
ist als „Akten" bezeichnet. Auch diese Bezeichnung
kann nur im weitesten Sinne genommen werden
. Grundbücher, Salbücher, Rechnungen etc. pflegt
man sonst nicht darunter zu verstehen. Eine Scheidung
der hier sogenannten „Akten" in einzelne Bestandteile
hätte der Übersichtlichkeit wesentliche Dienste geleistet.

Es kam aber offenbar bei der Verzeichnung nur
darauf an, die alten Bestände möglichst vollständig zu
erfassen. Und das war hier mit besonderen Schwierig-