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Ausgabe:

1942 Nr. 7

Spalte:

241-243

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Begegnung 1942

Rezensent:

Weber, Otto

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241

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7 8

242

Lützel er, Heinrich: De Gestalte van Christus. In het Neder-
landsch vert. d. Dr. W. J. A. Visser. Freiburg i. Br.: Herder [1940].
(8 S., 25 Taf.) 8° = De Kunst in het leven. 1. Pp. RM 1.30.

Es handelt sich um die niederländische Übersetzung
des ersten Heftes der vom Herder-Verlag herausgegebenen
Reihe „Der Bilderkreis". Eine kurze Einleitung
Lützelers gibt dem Betrachter die Handhabe, die Bilder
im rechten Geist zu schauen. Er geht von der Problematik
des Christusbildes überhaupt aus, von der Unmöglichkeit
, den Gottmenschen in der Kunst zu erfassen.
Da/u kommt, daß jedes Volk ihn anders erlebt und gestaltet
. Doch wird das Trennende durch gemeinsame
Grunderlebnisse, z. B. das des Leidens Christi, gleichsam
aufgehoben, so daß sich Darstellungen desselben
Gegenstandes durch Künstler verschiedener Völker im
letzten Gehalt oft sehr nahe sind. Erst durch die Arbeit
aller Völker an der Gestaltung des Christusbildes
wird der ganze Reichtum offenbar.

Die Auswahl der Bilder zeigt den Kenner des gesamten
Stoffes; es wird nicht das Allerbekannteste aneinandergereiht
, sondern viel Seltenes geboten. An den
Bildern ist sowohl die Gemeinsamkeit in der Gestaltung
eines Themas durch verschiedene Völker als auch die
Eigenart eines jeden Volkes deutlich abzulesen.
Jena Hanna J n r s c Ii

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Weber, H. E. u. E.Wolf: Begegnung. Theologische Aufsätze zur
Frage nach der Una Sancta. München: Ev. Vlg. A. Lempp 1941.
(174 S.) gr. 8° h Beiträge z. Eving. Theologie, Bd. 4. RM 4 40.

Vieles spricht dafür, daß die gegenseitigen Beziehungen
der christlichen Konfessionen im Begriffe stehen,
aus dem koufessionalistischeii in ein theologisch-sachliches
Stadium überzutreten. Dies bedeutet zum mindesten
, daß Dasein und Selbstverständnis der einen „Konfession
" zu einer Frage und positiven Provokation an
die anderen werden. In diesem Sinne treten H. E. Weber
und E. Wolf in dem vorliegenden Sammelbande an
den römischen Katholizismus heran. Der Band vereinigt
fünf Aufsätze von hohem theologischem Rang, von denen
vier (lauter Vorträge ursprünglich) aus neuerer Zeit
stammen, während einer (Wolf, Der Mensch und die
Kirche im katholischen Denken) aus ZZ 1932 abgedruckt
, aber mit einer außerordentlich lesenswerten Vorbemerkung
versehen worden ist.

H. E. Weber bietet zunächst einen Aufsatz: „Katholischer
und evangelischer Gottesglaube". Der katholische
Gottesglaube ist als „nomistisches" und „ontologi-
sches" Denken charakterisiert. Die Reformation ist die
Infragestellung beider. Aber es steckt in beiden auch
für ein von der Reformation bestimmtes Denken ein unverlierbares
Wahrheitsanliegen. Umgekehrt ist das Nein
— „Tragik der ülaubensspaltung!" — im Laufe der Geschichte
übersteigert worden, es hat seine Verbindung
mit dem reformatorischen Ja zum Evangelium verloren:
Quietismus und vordergründige Verständigkeit waren die
Folge, schlugen aber ihrerseits in säkularisierten Katholizismus
um. Aufgabe der Theologie ist die Rückkehr
zum reformatorischen Ansatz; dieser trägt das Wahrheitsmoment
des Nomismus (nämlich die Anerkennung
des „Anspruchs" Gottes) wie des Ontologismus (nämlich
die Anerkennung der „Wirklichkeit" Gottes) in sich
und ist also in sich wahrhaft katholisch. Der reformato-
rische Ansatz aber lebt in dem sola fide — und eben
für dies zeigt sich im jüngsten katholischen Denken eine
wachsende Erschlossenheit

Es zeigt sich schon hier, was H. E. Weber auch in
seinen beiden anderen Aufsätzen immer wieder betont:
1) Das Nein der Reformation trifft in der Tat die gefährlichen
Punkte des katholischen Denkens. 2) Es ist
aber seinerseits nur die Kehrseite des reformatorischen
Ja. 3) Diese Bezogenheit von Ja und Nein ist in der Geschichte
der evangelischen Kirche bedenklich gelockert
worden. 4) Umgekehrt aber findet sich im zeitgenössischen
katholischen Denken manches, was auf ein wachsendes
Verständnis des reformatorischen Ja (und z. T.
des Nein) deutet. Die Folgerungen liegen auf der Hand.
Es würde zu weit führen, auch nur die wichtigsten In-
haltsmomentc der beiden anderen Aufsätze („Katholisches
und evangelisches Christusverständnis" und „Der
Mensch in katholischer und evangelischer Auffassung")
wiederzugeben. Entscheidend sind die angegebenen
Grundgedanken, und die Fülle der einzelnen wertvollen
Überlegungen und gedanklichen Durchblicke ist in einer
kurzen Anzeige doch nicht annähernd wiederzugeben.
Die zeitgenössische katholische Literatur ist auf breitester
Basis herangezogen, und Webers wie Wolfs Aufsätze
werden kraft dieser imponierenden Belesenheit
auch als Einführung in die katholische Theologie der
Gegenwart willkommen sein. Die evangelische Literatur
tritt demgegenüber, entsprechend der ganzen Anlage des
Buches (und wohl auch mit Rücksicht auf die bei uns
herrschende theologische Sprachenverwirrung) etwas mehr
zurück.

Die eindringlichste Behandlung wird im ganzen Buche
der Anthropologie zuteil, der Webers dritter und der
größere Teil von Wolfs erstem Aufsatz gewidmet ist,
m. E. die beiden wichtigsten Beiträge. Weber kann hier
die oben angegebenen Grundgedanken mit leuchtender
[ Klarheit durchführen. Es ergibt sich, was auch bei Wolf
■ vorausgesetzt ist, daß die katholische Anthropologie, in
weiten Bezirken für unsere Anschauung kaum mehr an
Angelegenheit von „Theologie" anzusehen, auf eine gefährliche
Verselbständigung des Menschen angelegt ist.
Und Wolf zeigt, daß die Kirche die nämliche Verselbständigung
erfährt, indem sie gleichsam von unten her
l gedacht, als Gesellschaft begriffen und so theologisch
' und kirchenrechtlich in Analogie zur Anthropologie ange-
I faßt wird. Indessen zeigt die neu zugefügte Vorbemerkung
zu diesem Aufsatz, die im wesentlichen auf M. D.
, Koster, „Ekklcsiologie im Werden", 1940 Bezug nimmt,
1 daß auch innerhalb der katholischen Theologie die Fragen
empfunden werden.

Der Schlußaufsatz E. Wolffs: „Zum Fragen nach der
J Una Sancta" sucht die geschichtliche Situation, in der
heute die Frage nach der Una Sancta erhoben wird, zu
! umreißen. Evangelischerseits ist die Kulturkampfvorstel-
| lung autgegeben, katholischerseits weicht die „gegen-
! reformatorische", „katholizistische" Verhärtung. Die Fra-
j ge nach der Kirche als corpus Christi mysticum, nach
I der Einheit und der Katholizität der Kirche ist von beiden
Seiten sachlich gestellt. Die Verständigung mit dein
I römischen Katholizismus wird indessen erschwert durch
! die „Doppelschichtigkeit" des römischen Kirchenbegriffs,
j die sich durchgängig nachweisen läßt: allemal steht eine
„hierarchisch - organistisch - ekklesiologische" Komponente
in tiefer Spannung zur „christologischen". Immerhin
besteht in der heutigen römischen Kirche, getragen von
der reichlich anthropologisch angesetzten civitas Dei-
I Vorstellung, eine weitgehende „Offenheit" des „Wartens
" und des „Bereitseins". Soweit im römischen Katholizismus
die ökumenischen „Einstellungen" taktische
Griffe oder synkretistische Erweichungen sind, haben
i sie keine Zukunft. Anders aber ist es da, wo die Zer-
i rissenheit der Kirche als Schuld anerkannt wird. Da ist
die evangelische Theologie verpflichtet, „kirchlich" zu
antworten und sich gegenüber ihrem reformatorischen
Ansatz wie gegenüber dem Katholizismus zu verantworten
. Soviel über den Inhalt des Buches.

Die aufgeworfenen oder anklingenden Fragen sind
zahlreich und schwer. Ob die sorgfältig wiedergegebenen
„ökumenischen" Zeugnisse zeitgenössischer römischkatholischer
Theologen ganz die hoffnungsvolle Beurteilung
finden müssen, wie sie ihnen namentlich Weber
zuteil werden läßt, bleibt bei aller Anerkennung der
persönlichen Ehrlichkeit und Frömmigkeit jener Katholiken
eine Frage: entschieden wird das Problem der Una
Sancta in diesem Sinne ja nicht von den Theologen hüben
und drüben, sondern von anderswoher, für die römi-