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Ausgabe:

1942

Spalte:

237-238

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Schick, Erich

Titel/Untertitel:

Johann Caspar Lavater, der Christuszeuge 1942

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1

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2137 Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7/8 VS8

1934.) Weiter war die Gefahr vorhanden bei der Man- rakterbild hochwillkommen. Es ist in der Auswahl ge-
nigfaltigkeit des Geschehens und der Undurchsichtigkeit schickt, in der Darstellung volkstümlich, im Urteil Be-
vieler Vorgänge infolge der großen Zahl der verschiede- sonnen und gerecht. Es schildert L. als den begeisterten
neu Gruppen und des sich unter ihnen ständig vollzic- und erfolgreichen Jünger und Verkünder Jesu Christi,
henden Prozesses der Annäherung und Trennung, daß als den „Christuszeugen". Nach einer kurzen Darlegung
die Darstellung sich in Einzelheiten verlöre. Der Vf. hat seiner allgemeinen Bedeutung und der Verhältnisse sei-
das glücklich vermieden. ner Kindheit wird zuerst sein kluges und mannhaftes
Er hat seinen Stoff in drei große Abschnitte geglie- Vorgehen gegen den gewalttätigen Landvogt Grebel cha-
dert. Der erste (S. 1—120) befaßt sich mit dem Hinter- rakterisiert, wodurch der Einundzwanzigjährige die öf-
grund, auf dem die erste deutsche Ansiedlung in Pa. fentliche Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Den Schluß
entstanden ist (Mennonitengemeinden, Spiritualisten, des Ganzen bildet das 16 monatige heldenhafte Leiden,
Quäker, Labadisten), und gibt dann genauen Bericht über i das, durch die Kugel eines fanatisierten französischen
die an der Auswanderung beteiligten Personen und die Soldaten herbeigeführt, den vaterländischen und christ-
mit ihr zusammenhängenden Vorgänge der Ansiedlung. liehen Sinn Lavaters bis zum Tode (2.1.1801) herrlich
Das Kapitel über die religiöse Zugehörigkeit der An- | offenbarte. Zwischen diesen beiden ergreifenden Bildern
Siedler (S. 110 116) zeigt die aus der großen Anzahl [ werden alle wesentlichen Züge seiner Wirksamkeit dar-
der Gemeinden und deren vielfach fließenden Grenzen gestellt: seine Berufstätigkeit in Predigt, Seelsorge,
sich ergebenden Schwierigkeiten. Mit Recht wird Jakob Wohltätigkeit und Fürsorge auf den Gebieten der Inne-
Tellner (S. 86ff.) in seiner Bedeutung für die Auswan- ren Mission; seine umfangreiche und bedeutende schrift-
derung stärker in den Vordergrund gestellt, ohne jedoch stellerische Tätigkeit; seine patriotischen und religiösen
Pastorius zu unterschätzen. Ein zweiter Abschnitt (S. 121 Lieder; seine Reisen (1763 nach Berlin und Pommern,
bis 245) geht auf die später auftretende Gruppe der 1774 nach Bad Ems und Elberfeld, 1766 nach Bremen
Neutäufer und die von ihnen beeinflußte Weiterentwick- und Kopenhagen); seine persönlichen Beziehungen zu
lung des religiösen Lebens unter den deutschen Einge- vielen bedeutenden Männern und einigen Fürsten; seine
wanderten ein. Diese Separatisten aus Krefeld und dem zuerst begeisterte und dann völlig ablehnende Stellung
Wittgensteiner Land, die die Väter der Tunkerkirche in ! zur französischen Revolution. So entsteht das fesselnde
Nordamerika sind, können nicht nur im Unterschied zu i Bild eines geistigen Helden, der nur Jesu Christo dienen
den anderen Gruppen eine Reihe führender Persönlich- ; wollte. Vielleicht hätte noch mehr hervorgehoben werden
keiten aufweisen, sondern haben es auch trotz aller reli- , können, daß L. ein Kind seiner Zeit war, in seinem Eifer
giösen Streitigkeiten zu einer solch bedeutsamen Grün- zuweilen überschwenglich, übertreibend und rücksichtslos
dung wie das Ephratakloster unter Konrad Beißel ge- sich geäußert hat und vorgegangen ist und oft aus Tatbracht
, das mit seiner asketisch-mystischen Frömmigkeit : Sachen Schlüsse gezogen hat, die zweifelhaft und
und seiner wichtigen literarischen Produktion in der Ge- phantastisch waren. Z. B. meinte er, daß das Äußere
schichte des Protestantismus einzig dasteht. Ein letztes eines Menschen, einen entscheidenden Totaleindruck verKapitel
(S. 201—245) entwickelt an dem Beispiel der in i mittle, daß „der betende und glaubende Christ überDeutschland
verbliebenen und etwa um Johann Lobach 1 natürliche Einsichten und Kräfte habe", und sagte auch
sich sammelnden Brüderkreise, wie trotz aller religiösen i »Weg m't dem Christentum, wenn es die Probleme nicht
Lebendigkeit die Entwicklung vom Separatismus und ! Iost. die niemand sonst losen kann", — was alles in die-
Subjektivismus in die Aufklärung und den Rationalismus ser Allgemeinheit schwerlich richtig ist. Er konnte auch
führt und die Brüderschaft zerfällt — eine Entwicklung, Gefangene, die in Steinbrüchen schwer arbeiten mußten,
die sich parallel auch in Nordamerika einstellt —. Der ! fur Konige oder Tyrannen halten, die in einem früheren
dritte Abschnitt bringt eine zusammenfassende svstema- Dasein Menschen auf das Grausamste gequält hatten! —
tische Darstellung und Beurteilung der Grundgedanken, Als Ganzes ist Schicks Büchlein zweiffelos allen, nament-
die diesen seperatischen Kreisen trotz aller Unterschiede llch Pfarrern und Lehrern, sehr zu empfehlen,
im einzelnen eigen sind. Die grundlegende Unterschei- Jugenheim a.d. B. w. Bornemann
dung zwischen Buchstaben und Geist führt zu einer spiri-

tualistischen Auffassung von Schrift, Sakrament und tTTTKrcrrvcrmrirn?

Kirche und damit zur Abwertung dieser drei objektiven IvUly^lirtjöLrllLnlt
Größen zugunsten der eigenen subjektiven Erleuchtung

Und damit trotz des eigentümlichen Ernstes christlicher Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte,Ins» v. Otto Schmitt.

Lebensauffassung zuletzt doch zu einer Entfernung von Lief- 13~iy (- Bd- Sp. 1-896). Stuttgart: j. B. Mctzlenchc

dem biblisch-reformatorischen Verständnis der christli- i Verlagsbuchhandlung 1938-41.

chen Glaubenswahrheiten. Das Schlußkapitel (S. 372 bis j Wenn wir nach längerer Unterbrechung heute wieder
375) faßt die Ergebnisse der wohlgelungenen Darstel- einen Hinweis auf die seit der letzten Anzeige (März
lung noch einmal zusammen. Die klar und lesbar ge- 1938) erschienenen Lieferungen des RDK bringen, so
schriebene Veröffentlichung verrät eine gründliche Bear- so11 nicht all das zum Lobe und zur Kennzeichnung des
beitung des weiten geschichtlichen Fragenkreises. Die Werkes wiederholt werden, was schon früher zur Sprache
geschichtliche Forschung über die Entwicklung der deut- gekommen ist (vgl. ThLZ 1934 Sp. 61 f., 1935 Sp. 112,
sehen Einwandererkirche von Nordamerika empfängt 1937 Sp. 314, 1938 Sp. 135 f.). Es soll nur ein Überblick
durch sie wertvolle Hinweise. Zugleich liefert sie einen uber die wichtigsten, hier besonders interessierenden Ar-
Beitrag zur Geschichte der Frömmigkeit in den außer- tlkel gegeben werden.

kirchlichen Kreisen des 17. und 18. Jahrhunderts. Im ganzen fällt auch im 2. Band wieder die erstaun-

Bremen Bodo Heyne j liehe Vielseitigkeit und Reichhaltigkeit des Gebotenen

ebenso auf wie die gründliche, sachliche Form der Orien-
Schick, Kiich: Johann Caspar Lavater, der Christuszeuge. tierung, die das Nötige zusammenstellt, oft genug ganz
Basel: Basler Missionsbh. 1941. (83 S.) kl. 8°. RM i.30. ' neue Erkenntnisse vermittelt und durch kurze Hinweise
Am 15. November 1941 war der 200. Geburtstag des und reiche Literaturangaben überall weiterhilft. Überaus
großen Schweizers Lavater. In Deutschland ist Lavater groß ist wieder die Zahl oft ganz entlegener „Realien",
gebildeten Kreisen durch seine „physiognomischen Frag- bei denen man nicht oder doch zunächst nicht an eine
mente" und durch seine zuerst so herzliche und später so „kunstgeschichtliche" Bedeutung gedacht hätte, die sie
gestörte Freundschaft mit Goethe bekannt. Es gibt über gleichwohl gewinnen; vgl. etwa die Stichworte Bauern-
lhn zahlreiche Biographien, die aber bei der Bedeutung haus, Beischlag, Bergfried, Besteck, Bett u. ä.; sie sind
seiner Persönlichkeit und der Fülle des Stoffes für die z.T. auch von großem kulturgeschichtlichen Interesse,
meisten Leser unsrer Zeit zu umfangreich sind. Da ist Andere bieten, jeweils unter ihrem besonderen Gesichts-
Schicks knappes, zusammenfassendes Lebens- und Cha- punkt, fesselnde Durchblicke in die allgemeine Kunst-