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Ausgabe:

1942

Spalte:

236-237

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Nieper, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die ersten deutschen Auswanderer von Krefeld nach Pennsylvanien 1942

Rezensent:

Heyne, Bodo

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7,8

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Behandlung dieses Problems deshalb fast unmöglich, weil
die Juden selbst die Einsichtnahme in die Archive geschickt
zu verwehren wußten und kraft ihres Einflusses
die Veröffentlichung von belastenden Dokumenten hintertrieben
, dafür aber die Judenfrage in einem ihnen
günstigen Sinn darstellten. Erst nach 1933 setzte die
Untersuchung der zersetzenden Tätigkeit der Juden auf
allen Gebieten kulturellen, wirtschaftlichen und politischen
Lebens energisch ein. Schon heute, nach 8 Jahren,
liegt ein ungeheures, sich stetig vermehrendes Material
vor, das zu sichten und zu verarbeiten die Aufgabe von
Generationen sein wird. v

Einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Judenfrage
liefert die Untersuchung Franz Loidls über das
Verhältnis Abrahams a Sancta Clara zum Judentum.

Der Verfasser, der schon in seinem Buch „Menschen im Barock"
(Wien 1938) Abraham a Sancta Clara in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen
gestellt hatte, legt in der vorliegenden Studie fast lückenlos
die Äußerungen des volkstümlichen Barfüßermönches über die
Juden vor. Nach einer Einführung, die in gedrängter Kürze das
Lehen und Wirken A.s schildert, bringt er im ersten Kapitel eine
sehr aufschlußreiche Betrachtung über die „Vorgeschichte des Judentums
in Wien und Österreich", wobei er sich im wesentlichen auf die
Schriften von Rotter-Scbmieger, Das Ghetto in der Wiener Leopoldstadt
(Wien 1926) und Max Grundwald, Geschichte der Juden in
Wien von 1625—1740 (Geschichte der Stadt Wien, Bd. V, S. 65—99,
Wien 1914) stützt. Hier hätte Verfasser m. E. zur Verdeutlichung ausführlicher
auf die ähnlichen Zustände in anderen deutschen Residenzen
, besonders auf das damals im Schwange stehende Hofjudentum
hinweisen können.

Das zweite Kapitel ist dem eigentlichen Thema gewidmet. Loidl
betont anfangs richtig, daß die literarisch-theologischen Quellen für
die ablehnende Haltung A.s zur Jugenfrage die persönlichen Eindrücke
bei weitem überwiegen. Die Frage ferner, warum A. zur
Judenfrage nicht noch mehr gesagt habe, als er es getan hat, beantwortet
sich daraus, daß A. erst im Jahre 1672 aus dem bayrischen
Wallfahrtsort Taxa nach Wien zurückkehrte, zwei Jahre also nach
der Vertreibung der Juden aus Wien. So schöpft er seine Kenntnis
der Juden im wesentlichen aus der heiligen Schrift und benutzt die
Erwähnung ihrer ,,Schandtaten" zur Mahnung und Besserung seiner
Zuhörer bzw. Leser. Josephs Brüder z. B., tun nur einiges aus dein
reichen Material herauszuheben, bezeichnet er als „Aufräumer, Bankfischer
, Tischleerer und Diebe". Die Israeliten nennt er „ehrvergessene
Schnarcher, Maulaffen, stinkende Knoblauch- und Zwiffel-
mäuler". Ihre ,,Pfundgoschen" sind voll von „Gachwörtern'. Mehrmals
erwähnt er die Tempelreinigung, 'bei der eine ganze Armee von
Wucherern in die Flucht gejagt worden sei. Die Übersteigerung im
Ausdruck, die sich ja auch in Luthers antijüdischen Schriften zeigt,
ist bezeichnenderweise in den folgenden Auflagen von A.s Werken
stark gemildert worden, wie der um Abraham a Sancta Clara hochverdiente
Karl Bertsche nachgewiesen hat.

Leider hat Verfasser nirgends die Frage aufgeworfen
, ob rassische Motive in der antijüdischen Haltung
Abrahams nachweisbar sind. Äußerlich freilich scheinen
es nur religiöse Beweggründe zu sein, die Abraham zu
seiner Ablehnung des Judentums geführt haben. Aber
vielfach findet man in den Äußerungen spätmittelalterlicher
und frühneuzeitlicher Geistlicher unter der religiösen
Hülle fast modern anmutende, rassisch bedingte
antijüdische Äußerungen. Das scheint mir auch bei A.
der Fall zu sein, wenn er auch seine Abneigung gegen
die Juden religiös durch deren Verwerfung des Messias
begründet. Aus diesem Haß gegen Christus, so meint
er, seien alle Verbrechen der Juden entsprungen, wie
Hostienschändungen, Ritualmorde und dergl. Judas
Ischarioth und Zachäus sind ihm die Urbilder jüdischen
Wuchers und Betruges schlechthin. Und wenn Abraham
auch gewisse Eigenarten der Juden anerkennt, wie ihre
Glaubens- und Gesetzestreue, ihre Sabbath - Heiligung
u. a., so hindert ihn das nicht, sie als „geldsüchtiges
wucherisches Gesindel" anzusprechen, das „die ganze
Woche hindurch schachert, handelt, lauft, kauft und wiederverkauft
", kurz als ein Volk, dem kein Christ, „auch
bei seinem Eid" trauen dürfe.

Bald nach Abrahams a Sancta Clara Tod (1709)
erschien in Leipzig (1718ff.) ein merkwürdiges Buch:
David Faßmanns ,Gespräche im Reiche derer Todten'.
Hier findet sich auch ein fingiertes Gespräch zwischen
unserem Barfüßermönch und Papst Innozenz

XIII., das die Judenfrage behandelt und an dem die moderne
Forschung m. W. bisher ziemlich achtlos vorüber-
I gegangen ist. Um so verdienstvoller ist es, daß Loidl
I einen Teil dieses Gespräches am Schluß seiner Ausführungen
dem Leser vorlegt.

So erhalten wir durch Loidls Zusammenstellungen
ein für die Geschichte der Judenfrage höchst aufschluß-
I reiches Bild von Abrahams a Sancta Clara Stellung zum
I Judentum. Wünschenswert wäre es vielleicht gewesen,
| wenn auch hier Verfasser zum Vergleich auf andere
antijüdische Äußerungen aus dem geistlichen Lager hingewiesen
hätte, etwa die Balthasar Hubmaiers, des Re-
i gensburger Dompredigers, oder die des Emmeraner Benediktinermönches
Christopherus Ostrofrancus, die beide
von glühendem, fast modern anmutendem Rassenempfinden
gegen das Judentum erfüllt waren (vgl. hierzu Wilhelm
Grau, Antisemitismus im späten Mittelalter, Mün-
| chen 1934). Auch auf die antijüdische Einstellung des spä-
! ten Luther hätte Verfasser hinweisen können, um die Sonderstellung
Abrahams herauszuarbeiten. Aber diese Wünsche
beeinträchtigen nicht den Wert der Schrift Loidls als
eines bedeutsamen Beitrags zur Geschichte der Judenfrage
.

Berlin-Charlottenburg Wilhelm K o c h I e r

Niep er, Lic. Friedrich: Die ersten Deutschen Auswanderer von
Krefeld nach Pennsylvanien. Ein Bild aus der religiösen Ideen-
geschiebte des 17. u. 18. Jahrhunderts. Neukirchen, Kr. Moers: Buchli.
d. Erziehungsvereins [1940]. (VIII, 407 S.) gr. 8°.

RM 5.50; geb. RM 7—.

Es ist das erste Mal, daß die erste deutsche Auswanderung
nach Nordamerika zum Gegenstand einer
solch ausführlichen Darstellung von deutscher Seite gemacht
wird. Da diese Auswanderung aus religiösen Beweggründen
entstanden ist, kommt der kirchengeschichtlichen
und theologischen Untersuchung zur Aufhellung
der Hintergründe des ganzen Vorgangs besondere Bedeutung
zu. Der Vf. begnügt sich nicht mit einer Darstellung
der unmittelbaren Beweggründe und Vorgänge,
sondern stellt sie in größere Zusammenhänge hinein,
da er, wie der Untertitel sagt, ein Bild aus der religiösen
Ideengeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts

j geben will. Zugleich aber beschränkt sich der Vf. auf
diejenigen Auswanderergruppen, welche zur Stadt Krefeld
in irgendeiner Beziehung standen. Das erscheint

| befremdlich und läßt eine Arbeit von lediglich heimat-
oder familiengeschichtlichem Wert vermuten, was jedoch
irrig wäre. Denn jene kleine niederrheinische Stadt hat
als Hort freier Religionsausübung in jenen Zeiten reli-

giöser Bedrückung und Unruhe ihre besondere Bedeutung
gehabt. Auch hat ihre geographische Lage am
Niederrhein mit den sich daraus ergebenden Beziehun-

j gen zu Holland den Blick der Einwohner geweitet. So

j ist ihre Verknüpfung mit der ersten deutschen Auswanderung
nicht von ungefähr. Daher bietet die Veröffentlichung
einen wichtigen Beitrag zur Geschichte nicht
nur der deutschen Auswanderung, sondern ebenso der
religiösen separatistischen Bewegungen der damaligen
Zeit. Da diese aber unter den ersten deutschen Ansied-

j lern in Pennsylvanien größere Bedeutung erlangt und
in dem religiösen Leben dieser neugegründeten Provinz
eine wichtige und besondere Rolle gespielt baben, so ver-

j danken wir der Veröffentlichung den Einblick in ein allgemein
interessantes und völkisch und kirchlich bedeut-

i sames Stück Volksdeutscher Geschichte.

Eine solche Arbeit mußte mit besonderen Schwierigkeiten
rechnen. Einmal war der Vf. auf die amerikanischen
Vorarbeiten angewiesen, die hinsichtlich der Anfänge
der deutschen Siedlung in Pa. vorliegen. Es ist
ihm gelungen, das meiste einschlägige Material sich zu
verschaffen und durch seine Benutzung die Arbeit gründ-

j lieh zu unterbauen. (Vgl. das ausführliche Verzeichnis
der benutzten Archivalien, Akten, Literatur, S. 381—387.
Entgangen ist dem Vf. nur R. B. Straßburger u. a. H. J.
Hinke, Pennsylvania German Pioneers, Norristown Pa.