Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1942

Spalte:

234-236

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Loidl, Franz

Titel/Untertitel:

Abraham a Sancta Clara und das Judentum 1942

Rezensent:

Köhler, Wilhelm Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

233

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7/8

234

In Polen hat die Reformation ihren Höhepunkt erst
spät erreicht, als ihre eigentliche Kraft schon gebrochen
war. Der unzufriedene Adel hatte sich ihr aus politischen
Gründen, nicht aus innerer Überzeugung in großer
Zahl angeschlossen, so daß Ende des 16. Jahrhunderts I
der Sieg des Protestantismus sicher schien. Als aber die ;
Gegenreformation einsetzte, zeigte sich seine innere !
Schwäche, denn bereits im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts
waren die Evangelischen in Polen zu einem 1
kleinen Häuflein zusammengeschmolzen, ohne daß bis- ,
her eine planmäßige Verfolgung stattgefunden hatte, j
Die innere Kraft des polnischen Protestantismus hatte
die Probe nicht bestanden, als unter Sigismund III. die
Jesuiten ans Ruder kamen. — Unter dem Eindruck der
Schrecken des 30 jährigen Krieges, der Polen fast ganz
verschonte, wanderten jedoch Tausende von deutschen
Lutheranern dorthin aus. Dieses deutsche Element sollte i
der Kern des „polnischen" Protestantismus werden. Um
1640 setzten sich die verschiedenen evangelischen Kirchen
folgendermaßen zusammen: die kleine reformierte
Kirche in Kleinpolen bestand aus polnischen Adligen, zur |
reformierten Kirche in Litauen gehörten (vorwiegend)
Polen, Litauer, (wenige) Deutsche und (einige) Schotten
, zur Kirche der Böhmischen Brüder in Großpolen
(Großpolnische Unität) schließlich Deutsche, Tschechen
und Polen. Das tschechische und polnische Element trat
hier bald gegenüber den Deutschen zurück. Die verschiedenen
Gemeinden der Lutheraner bestanden von vornherein
nahezu ganz aus Deutschen, so daß Rhode das
Verhältnis des deutschen zum polnischen Bevölkerungsanteil
unter den Protestanten Polens mit 3:1 ansetzt.
Ihre Sache war jedenfalls je länger je mehr eine rein
deutsche Angelegenheit geworden, und das Eintreten der
preußischen Fürsten für die Dissidenten war nicht nur
ein Eintreten für die Brüder des Glaubens, sondern |
gleichzeitig auch ein Eintreten für die Brüder des Blu- I
tes. Die Motive dafür lagen jedoch nicht auf völkischem
sondern auf religiösem Gebiet. Natürlich spielen auch
zuweilen politische Beweggründe mit hinein (meist in
der Form, daß die Interventionen wegen notwendigen
politischen Rücksichten abgeschwächt oder unterbrochen
wurden), sie sind aber sekundärer Art. Das muß man
festhalten, will man sich das Verständnis der Ereignisse
nicht verbauen.

Rhode gliedert sein Buch nach zeitlichen Gesichtspunkten
: Die Schutzmaßnahmen in der Regierungszeit
Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten (S. 11—61),
Die Schutzmaßnahmen in der Regierungszeit Kurfürst
Friedrichs III. bzw. König Friedrichs I. (S. 62—82), Die
Schutzmaßnahmen in der Regierungszeit Friedrich Wilhelms
I. (S. 121 —199). Ein Kapitel: Die Protestanten
in Polen. Ihre Geschichte und Rechtslage um 1640 leitet
die Untersuchung ein, zwei Abschnitte über Grund- !
lagen und Grundfragen der preußischen Schutzpolitijk j
und über Erfolge und Wertung der preußischen Schutzpolitik
, sowie ein Anhang (aus dem die Wiedergabe der
18 Aktenstücke zu einzelnen der dargestellten Ereignisse [
hervorzuheben ist) schließen das Buch ab. Gegen diese
Einteilung ließe sich manches sagen, denn der Fluß
der Darstellung wird dadurch unnötig zerrissen, ganz abgesehen
davon, daß die verschiedenen Abschnitte der J
Schutzpolitik sich nicht unbedingt mit der Regierungszeit
der einzelnen Herrscher decken (besonders willkürlich
ist S. 82 der Einschnitt mit dem Jahre 1701, vgl.
die kaum stichhaltige Begründung bei Anm. 97). Die
oft wichtige Geschichte der einzelnen Gemeinden wird
in zahlreiche Bruchstücke zerteilt, die verschiedenen Ereignisse
werden in mehreren Kapiteln dargestellt, vgl.
etwa die Auseinandersetzungen um die Radziwillschen
Güter und die spätere Markgräfin Luise Charlotte, die
Wirksamkeit Jablonskis, den Fall Unruh usw. Die grossen
Linien treten hinter dem Mosaik der einzelnen Ereignisse
zurück, wobei Rhode allerdings die Schwierigkeit
der Bewältigung eines so verstreuten und verschiedenartigen
Stoffes zugestanden werden muß. (Dankbar

wäre man bei dieser Sachlage jedoch für ein Register
der Orts- und Personennamen gewesen, damit der Leser
sich selbst aus der bunten Vielheit eine gewisse Einheit
zusammenstellen kann.)

Rhodes Darstellung ist schlicht und sachlich, seine
Urteile sind ruhig und zutreffend. Sein Buch ist gut zu
lesen, was bei dem oft spröden Stoff außerordentlich
anzuerkennen ist. Es handelt sich hier nicht, was hervorgehoben
werden muß, um eine Spezialuntersuchung für
enge Kreise sondern trotz der vielen Einzelfragen um
eine sehr lehrreiche Arbeit zur Erforschung polnischer
und katholischer Geisteshaltung, ebenso wie zur Geschichte
der geistigen Grundlagen des preußischen Staates
. Groß ist der Erfolg der brandenburgisch-preußi-
schen Mühen nicht gewesen. Die Schutzpolitik Preußens
konnte den Niedergang und die Unterdrückung des Protestantismus
und des Deutschtums in Polen nur verlangsamen
, nicht verhindern. Dazu fehlten die Machtmittel,
mit denen allein man auf den in dieser Form einmaligen
Menschenschlag Eindruck machen konnte. Und als Friedrich
Wilhelm I. sie besaß, verstand er sie nicht recht
zu nutzen. Der polnisch-katholische Zelotismus suchte
und fand trotzdem seine Opfer (vgl. das sog. Thorner
Blutgericht 1724 und die zahlreichen anderen bei Rhode
geschilderten Ereignisse, die diesem nur im Umfang
nicht aber in der Gesinnung nachstehen). Erst die Epoche
Friedrichs des Großen brachte in den polnischen
Teilungen die einzig mögliche Lösung. Umsomehr wird
man es bedauern, daß Rhode aus Raumgründen die Re-

gierungszeit Friedrichs II. nicht mehr behandelt (in der
>WZP 36, 1939, 1—38 ist ein Abschnitt daraus dargestellt
: Das Siedlungswerk Friedrichs des Großen und die
Deutschen aus Polen) und wünschen, daß es ihm möglich
sei, in absehbarer Zeit das bereits gesammelte Material
in einer besonderen Veröffentlichung vorzulegen.
Berlin K. Aland

Coppens, J. : Paulin Ladeuze, Orientalist en Exegeet 1870-1940.
Ecn hijdrage tot de geschiedenis van de bijbelwetenschap in liet
begin van de XXe eeuw. Verslagen en Mededeelingen 1941, (117
S.. I Bildnis) gr. 8° = Koninklijke Vlaamschc Aeademie voor
wetenseliappen, letteren en schoone kunsten van Belgie. Klasse der
letteren en der moreele en staatkundige wetenseliappen Jaargang III,
Nr. 1. fr. 30—.

Der Alttestamentier der Universität Löwen, J. Coppens
, durch mancherlei Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte
, vor allem auch durch sein Histoire critique de
l'Ancien Testament rühmlich ausgezeichnet, bietet in dem
anzuzeigenden Werk eine treffliche Darstellung des anhebenden
Modernismus und seiner Eindämmung und
Unterdrückung durch die Enzyklika Providentissimus,
das Dekret Lamentabili, die Enzyklika Pascendi und die
Dekrete der Päpstlichen Bibelkommission, zugespitzt aut
die Verhältnisse an der Universität Löwen und aufgewiesen
vor allem an der Wirksamkeit des Koptologen und
Neutestamentiers Paulin Ladeuze, der mitbestimmt durch
diese an den Nerv seiner Lebensarbeit rührenden Bestimmungen
in der ihm seit 1909 übertragenen Leitung
der Löwener Universität als Rektor aufging und der
wissenschaftlichen Betätigung auf seinem Spezialgebiet
entsagte. Die einzelnen Phasen der Entwicklung werden
kenntnisreich und lebendig dargestellt, freilich so, daß
die Person Ladeuzes hinter dem eigentlichen Anliegen,
jenes Aufblühen und Verwelken einer kritischen katholischen
Bibelwissenschaft aufzuzeigen, stark zurücktritt.
8 Beilagen bringen Originaldokumente.

Der S. 21 erwähnte junge katholische Gelehrte ürüt/macher war
in Wirklichkeit Ordinarius der evangelischen theologischen Fakultät
Münster.

Greifswald Leonhard Rost

Loidl, Dr. Franz: Abraham a Sancta Clara und das Judentum.

Studie öber d. Judentum in Wien u. Oesterreich im Barock. Wien:
Lichtner 1941. (32 S.) gr. 8°.

Die Erforschung der Judenfrage steht erst in den
Anfängen. Vor dem Umbruch war eine wissenschaftliche