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Ausgabe:

1942

Spalte:

232-234

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Rhode, Gotthold

Titel/Untertitel:

Brandenburg-Preußen und die Protestanten in Polen 1640 - 1740 1942

Rezensent:

Aland, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr., 7/8

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Kirche" von Konstantinopel, der Hagia Sophia, vor uns
haben.

Die Codices, die Höeg beschreibt, stammen nicht
nur aus der Hagia Sophia, die einige Muster der Schön- j
schrift, mit Erwähnung des Kaisers, bewahrt hat, sondern
auch vom Athos, aus Thessalonike, Jerusalem, von j
Patmos, vom Sinai, aus Trier und so fort, überliefern j
aber fast alle denselben Text, der von dem sonstigen
nur so weit abweicht, als die Herauslösung einzelner Ab- |
schnitte hier und da ein paar Worte zum Beginn des i
Satzes forderte. Trotz dieser Gleichmäßigkeit läßt sich j
ein Archetypus nicht ermitteln. Die Perikopen aus dem
AT gehören überwiegend der Genesis, den Proverbia
und Jesajas an; um ein Beispiel zu geben, nenne ich sie i
für Weihnachten: Gen. 1,1—13; Num. 24, 2. 3. 5—9. 17. |
18; Mich. 4, 6. 7; 5,1—3; Jes. 11,1 —10; Jer. 3,36 bis
4,4; Dan. 2,31—36. 44. 45; Jes. 9,5. 6; 7,10—16; 8,
1—4. 8—10.

Wichtiger als die Texte sind die Vortragszeichen, mit
denen das Prophetologium ausgestattet ist, und um
ihretwillen gehört seine Herausgabe in die Monumenta I
Musicae Byzantinae. In Anlehnung an die prosodischen
Zeichen der Alten, vielleicht auch an die jüdische Vor- i
tragsweise, gehen die byzantinischen Zeichen, griechisch j
Ekphoneseis, uns als Neumen bekannt, wohl auf das
4. Jh. zurück und sind im 8. Jh. voll ausgebildet. Mehrere
Übersichten, am klarsten in einer Handschrift aus
Lesbos, führen uns ihre Namen und ihre Ordnung vor:
Hypokrisis, Teleia, Synemba, Apostrophos, Oxeia, Ba- i
reia, Oxeia Diple, Bareia Diple, Kathiste, Paraklitike, j
Kremaste, Syrmatike, Kentemata, Apeso Exo. Diese
schrägen Striche, Häkchen, Bogen und Punkte über wie
unter der Zeile gehören stets zwei und zwei zusammen
zu einer Wortgruppe, einem Satzteile, den sie einschließen
; in der Regel sind sie mit roter Tinte nachträglich
hinzugefügt, nicht immer mit der nötigen Sorgfalt, da
die Geistlichen gewiß in vielen Fällen solcher Hilfen
nicht mehr bedurften. Die Neumen bezeichnen den musikalischen
Vortrag, der am ehesten unserm Recitativ entspricht
, nur daß die Intervalle durchweg klein sind, oft
unter einen halben Ton sinken und unserm Ohr ungewohnte
Tonfolgen zumuten, seltsame Arabesken um
einen durchaus herrschenden Grundton. Wer diesen reci-
tativen Gesang in den unvergleichlichen Raum der Hagia
Sophia, in den Glanz zahlloser Kerzen bis hinauf zu den
Mosaiken der gewaltigen Seraphim zu denken vermag,
wird ihn recht zu hören lernen.

Carsten Höeg und Silva Lake begegneten einander
zufällig in Jerusalem, beide um den byzantinischen Neu-
men-Codfces nachzuspüren, und vereinigten ihre Arbeit.
Am Prophetologium legt nun Höeg mit seinem Helfer
G. Zuntz das erste Ergebnis vor, ein Werk sorgsamster
Sammlung und genauester Aufnahme eines weitschichtigen
Bestandes, der an Wissen und Können ungewöhnliche
Anforderungen stellt. Es wird nur wenige geben,
die mit selbständigem Urteil aus eigner Kenntnis diese
Leistung zu prüfen vermögen; ich gehöre nicht dazu und
beschränke mich daher auf einen Bericht. Aber daß hier
zwei echte Gelehrte eine vorbildliche Arbeit getan haben,
wage ich allerdings auszusprechen. Die Perikopen des
NT, also Evangeliarium und Apostolos, werden in derselben
Reihe von S. Lake und E. C. Colwell vorbereitet, j

Berlin Wilhelm Schubart |

KIRCHENGESCHICHTE: NEUERE ZEIT

Meyrat, Walter: Die Unterstützung der Glaubensgenossen im
Ausland durch die reformierten Orte im 17. u. 18. Jahrh.

Bern: Lang u. Cie. 1941. (VIII, 289 S.) gr. 8°. Fr. 9—.

Der schweizerische Protestantismus hat, von seiner
bewegten Entstehungszeit abgesehen, ungleich weniger
äußere Erschütterungen erfahren als insbesondere der
reichsdeutsche oder der französische. Die harten Nöte,
denen die Evangelischen und unter ihnen namentlich

die Reformierten in anderen Gebieten ausgesetzt waren,
haben indessen ihre schweizerischen Glaubensgenossen
nicht unberührt und unbeteiligt gelassen. Der starke
Anteil der Schweiz an der Aufnahme der Hugenotten
ist allgemein bekannt. Die vorliegende Arbeit, eine Berner
philosophische Dissertation, unternimmt es auf Grund
eingehender Archivstudien, ein bisher weniger beachtetes
Gebiet schweizerisch-reformierter Hilfeleistung für
die Glaubensgenossen in anderen Gebieten darzustellen:
diie zahlreichen „Liebessteuern" der reformierten Orte
(Bern, Zürich, Basel, Schaffhausen, Appenzell - Außer-
Rhoden, Ev. Glarus, St. Gallen, Mülhausen und Biel)
für ausländische Glaubensgenossen. Als Geber treten dabei
begreiflicherweise die großen Orte Zürich, Bern und
Basel, als Empfänger deutsche reformierte Gemeinden
in den Vordergrund. Unter den letzteren sind die pfälzischen
Gemeinden am stärksten beteiligt; aber es steht
neben ihnen eine Fülle von Gemeinden anderer Territorien
— man gewinnt eine fast völlige Übersicht über
die weite Verbreitung des reformierten Protestantismus
in der behandelten Epoche. Neben den reformierten Gemeinden
stehen auch lutherische. Durch ihre fleißigen
und eingehenden Zusammenstellungen ist die vorliegende
Arbeit zu einem wertvollen und vermöge des guten
Index sehr handlichen Hilfsmittel für die kirclienge-
schichtliche Forschung geworden, auf das insbesondere
bei der Territorialkirchengeschichte reformierter oder den
Reformierten, insbesondere den Hugenotten, Duldung
gewährender Territorien mit Gewinn zurückgegriffen
werden wird. Dieser wertvolle Dienst wird leider da und
dort insofern etwas beeinträchtigt, als die konfessions-
geschichtliichen und historisch-geographischen Angaben
hinsichtlich der Empfängergebiete ungenau bleiben.

Die Begriffe „evangelisch", „reformiert" und „lutherisch" geben
stellenweise ziemlich durcheinander. Dali z. B. das Corpus Evange-
licorum von den „reformierten" Fürsten gebildet worden sei (S. 5),
ist zumindest ungenau. Siegen in Bausch und Bogen als „katholisch"
zu bezeichnen, ist trotz der Wirren innerhalb des Fürstenhauses nicht
wohl angängig (S. 93). Ähnliche Fälle kommen auch sonst gelegentlich
vor. Unrichtige Ortsangaben oder Ortsnatnenschreibweisen der
Quellen werden nicht immer berichtigt (z. B. S. 03: Oemarken statt
Gemarke — der mittlere Teil der Stadt Barmen! —, „Gerfracht"
wohl statt Gräfrath, S. 65: Hyrkenwagen statt Hückeswagen). Auch
hätte die Behauptung, daß Wilhelm III. von Oranien Lutheraner gewesen
sei (S. 26, Anm. 61), selbst wenn sie in den Quellen stand,
nicht ohne kritische Bemerkung durchgehen sollen.

Aber das sind lauter Schönheitsfehler, die der Kundige
ohne Schaden bemerkt und die den Wert dieser
trefflichen Arbeit nur im Technischen mindern.

Göttingen O. Weher

Rhode, Gotthold: Brandenburg-Preußen und die Protestanten
in Polen. 1640—1740. Ein Jahrhundert preußischer Schutzpolitik für
eine unterdrückte Minderheit. Leipzig: Hirzel 1941. (X; 265 S., 1 Kte.)
gr. 8° = Deutschland und d. Osten Bd. 17. RM 15-; Lw. RM 17—.

Die Untersuchung Rhodes über die Schutzpolitik des
brandenburgisch-preußischen Staates für die Protestanten
in Polen unter der Regierung des Großen Kurfürsten
, Friedrichs I. und Friedrich Wilhelms I. ist umso
verdienstvoller, als dieser Abschnitt der polnischen und
preußischen Geschichte bisher im Zusammenhang kaum
untersucht worden ist. Das ist außer den sprachlichen
auch den archivalischen Schwierigkeiten zuzuschreiben,
denn die wichtigsten Akten liegen verstreut im Geheimen
Staatsarchiv in Dahlem, im Staatsarchiv Königsberg,
im Archiv der reformierten Synode in Wilna und im Archiv
der Großpolnischen Unität zu Lissa. Die beiden
letzten hat auch Rhode nicht benutzen können, denn
seine Arbeit war bereits Anfang 1939 abgeschlossen (die
— manchmal nicht ganz zutreffenden — Vergleiche der
vergangenen Ereignisse mit den gegenwärtigen sind
offensichtlich erst später eingefügt), so daß manche Ergänzung
möglich gewesen wäre (unter der herangezogenen
Literatur vermißt man trotz Rhodes Einwand S. 257
übrigens manche Untersuchung Wotschkes). Aber auch
so sind wir dem Verf. zu vollem Dank für seine mühevolle
Arbeit verpflichtet.