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Ausgabe:

1942

Spalte:

230-231

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Lectiones nativitatis et epiphaniae 1942

Rezensent:

Schubart, Wilhelm

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229

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7/8

230

u. Urchristentum. Lund: Oleerupska Univ.-Bokhandeln 1940. (XVI,
323 S.) gr. 8°. Kr. 12—.

Vor kurzem erhielt ich diese Arbeit zur Anzeige. Die
reichhaltige, unmittelbar aus den Quellen schöpfende
und unmittelbar an die Quellen heranführende Arbeit
eines schwedischen Theologen verdient die gründlichste
Beachtung durch die deutsche neutest. Wissenschaft. Der
Verf. will zur Geltung bringen, daß „der Gedankenkom-
plex des Fürsprechers zwischen Gott und den Menschen
" in der israel.-jüd. Entwicklung von den ältesten
Zeiten an bis hin zu den Apokr. und Pseudepigr. und
ZU den Rabbinen eine große Rolle spielt und für das
geschichtl. Verständnis des Sendungsbewußtseins Jesu
und überhaupt für das N.T. von zentraler Bedeutung .ist.
Im Rahmen einer kurzen Besprechung ist es unmöglich,
auf die Fülle von Einzelfragen einzugehen, die sich hier
ergeben. Ich weise nur für das Ganze auf einige Richtlinien
hin und dann auf Einzelheiten, deren Beseitigung
das Buch noch ergiebiger machen würde. — Jener „Komplex
" kann auch da vorhanden sein, wo das Wort
„Fürsprecher" nicht auftritt, so daß der Verf. sich mit
Recht nicht darauf beschränkt hat, lediglich „Paraklet"-
Stellen zu sammeln. Jener „Komplex" kann z. B. mit
Menschen, Engeln, Hypostasen verbunden sein. Juridische
, kultische, sittlich-religiöse Ausgestaltung ist möglich
. Phantasievolles und mythisches Denken formt sich
solche Gedanken anschaulich und dramatisch. 'Ebed Ihvh,
Menschensohn, Metatron, der Erzengel Michael, der Hohepriester
, der heilige Geist, die Weisheit, die Propheten
und Gottesmänner, Moses, die Patriarchen treten als
Mittlergestalten auf, vor allem auch Henoch. Der Verf.
betont mit Recht den engen Zusammenhang Jesu mit
dem Henochbuch (aethiop., slav., hebr.). Hinsichtlich der
griech.-latein. Umwelt des N.T.s beschränkt er sich auf
einige Stellen zu dem Wort „Paraklet", obwohl sich —
vgl. L. Bieler, „Theios 'aneV' (Wien, 1935. 36) — grade
in dieser Welt der Heroen, Halbgötter, Gottesmänner,
Philosophen mancherlei „Komplexe" hätten finden lassen
, die dem Gedanken des Mittlers zwischen Gott und
Mensch dienen. Die allgemein-religionsgesch. Frage nach
Mittlern und Fürsprechern und nach den psychologischen
Wurzeln solcher Aussagen hätte S. 296 nicht so rasch
abgewiesen weiden sollen, zumal ja die neutestam. Wissenschaft
heutzutage außer ihrer rein geschichtlichen
Aufgabe auch diejenige hat, den Gegenwartswert der
neutest. Aussagen herauszuarbeiten.

Einige Emzclwiinsche für die 2. Aufl.: 1) Die Beseitigung der
Druckfehler auf S. 3. ö. 8. 27. 47. 49. 75. 77. 147. 150. 158. 159
usw. — 2) Die Beseitigung undeutschcr Worte und Wendungen, die
sich daraus erklären, daß das Buch aus dem Schwedischen ins Deutsche
übersetzt ist. — 3) Vor allem wäre für den deutschen Leser
die Übersetzung sämtlicher nicht-deutscher Texte ins Deutsche
erwünscht. Der Verf. verfährt hier sehr ungleich. Bald gibt er Text
und Übersetzung, bald nur den Text oder nur die Übersetzung. Für
jeden, der gewöhnt ist, aus erster Hand zu arbeiten, ist sehr erfreulich
, daß der Verf. die Möglichkeit gehabt hat, die Quellen auch im
Original darzubieten. — 4) Einiges zu den hebr. Texten: S. 124 und
sonst lies: „gepriesen sei er"; denn der Mensch kann ja G:>tt nicht
segnen. — S. 124 ist ftTTi nicht richtig ergänzt (vgl. Odeberg) und
rönn dann nicht übersetzt. — S. 156 hätte „Sebul" erklärt werden
müssen. Auch sonst vermißt man manche Erläuterungen zu den hebr.
Texten, die dem Ferner-Stehenden sicher nicht durchweg verständlich
sind. — S. 157 ist i"U"0 nicht übersetzt und nbia mit „vollkommen
" hier nicht richtig. — S. 171 lies: „In Übertretungen und böse
Werke hineingeraten". — S. 174 heißt riCD33: „geht hinein". —
S. 177: sowohl tr:n, als auch pa"! ist Formel zur Einführung

einer „Baraitha", vgl. S. 134. — S. 185, und sonst, lies: „Sirach".
— Mit „Matth. 11.19" meint der Verf. „Matth. 11,10", d.h.:
„Matth. Kap. 11, Vers 19". Er zitiert die Bibelstellen aber durchweg
in der uns fremdartigen Trennung von Kapitel und Vers durch
einen Punkt. — S. 158 hätte z. B. der Text Lev. r. 0, 1 erläutert
werden müssen. Der Verf. behauptet, daß R. Acha von dem Begriff
„Zeuge" auf den Begriff „Fürsprecher" gekommen sei. In Wirklichkeit
aber wird hier der „Heilige Oeist" deswegen eingeführt, weil
es sich für R. Acha um die Auffassung von 2 Bibelstellen (Prov. 24,
28 u. 24,29) handelt — durch diese spricht ja der „Heilige Geist"—,
und die N'-nr:::, d. h. Verteidigung, Fürsprache, will besagen,
daß beide Verse Israel und Oott zueinander in ein freundliches Ver-

I hältnis setzen, resp. darin erhalten wollen. Der Begriff des „Zeugen
" spielt dabei keine Rolle. — In der Übersetzung würde das Verständnis
der rabbin. Texte vielfach erleichtert worden sein, wenn die

! Bibelstellen deutlich in ihrem Umfang von dem sonstigen Text abgehoben
worden wären.

Leipzig Paul F i e b i g

Höeg, Carsten und Günther Zuntz: Prophetologium. Fase. 1:
Lectiones nativitatis et epiphaniae. (94 S., 1 Übers.) gr. 8°. - Fase. 2 :
Lectiones hebdomadarum 1 ae et 2ae quadragesitnae (90 S., 1 Übers.)
[ gr. 8°. Kopenhagen: Munksgaard 1939 u. 1941 = Union Academique
Internationale. Monuinenta Musicae Byzantinae. I.cctionaria, Vol. I,
1 u. 2. je Dan. Kr. 14—.

Der dänische Philologe Carsten Höeg hat seit einer
, Reihe von Jahren mit H. I. W. Tillyard und Egon Wel-
lesz sich die Aufgabe gestellt, die Denkmäler der byzantinischen
Kirchenmusik unter dem Titel Monumenta
Musicae Byzantinae zu sammeln und herauszugeben. Da
diese Texte aber in besonderem Maße einer Einführung
bedürfen, läßt er zu diesem Zweck eine zweite Schriftenreihe
erscheinen: Subsidia zu den Monumenta Musicae
Byzantinae. Das zweite Heft des ersten Bandes aus
dieser Reihe, C. Höeg, La Notation Ekphonetique, Kopenhagen
1935, muß hier sogleich genannt werden, weil
es für das Verständnis des Prophetologium unentbehrlich
ist. Das ganze Unternehmen wird von der Union
Academique Internationale getragen und von zwei däni-
i sehen Stellen unterstützt, dem Carlsberg-Institut und dem
| Rask-Oersted-Institut, denen sich für die Zukunft die
Amerikanerin Phyllis Gordan helfend anschließt.

Hier haben wir es mit dem Prophetologium zu tun.
Der Name ist eine neuere Erfindung, die alte byzantini-
j sehe Kirche nannte dies Buch Prophetiae und meinte
| damit nicht nur Stellen aus den Propheten, sondern aus
| dem AT überhaupt. Spätestens seit dem 6. Jh. besaß sie
j eigne Bücher für die Lectio sollemnis, die Vorlesung
von Bibelstellen im Gottesdienste, in der Folge des Kirchenjahres
, nämlich: das Evangeliarium für die vier
Evangelien, geteilt in Synaxarium für die Lektionen des
beweglichen Jahres und Menologium Vir die des festen
j Jahres. Ferner Apostolos, worunter die Acta und die
j Briefe des NT begriffen sind, wiederum in Synaxarium
und Menologium gegliedert. Endlich Prophetologium
aus dem AT, für Weihnachten, Epiphaniasfest, Fasten«
! zeit mit Karwoche, Ostern usw. Die erhaltene und hier
veröffentlichte Fassung des Prophetologium ist aber
jünger. Als gegen Ende des 8. Jh. die Kirche den Bilderstreit
mit seinen Erschütterungen überwunden hatte,
! als die Theologie namentlich in den Studios-Klöstern
I wieder aufblühte, gewann die Liturgie neue Gestalt und
j forderte eigne Bücher für die Schriftlesungen. Dieser
I Ritus besteht noch heute in der Orthodoxen Kirche so
gut wie unverändert, aber das Prophetologium als solches
ist verschwunden. Die ältesten der ungefähr 160
! erhaltenen Codices reichen bis ins 9. Jh. hinauf, ja ein
j Exemplar aus dem Athoskloster der Russen mag noch
älter sein. Aber schon früh begann man die Texte aus
dem AT in die allgemeinen Perikopenbücher aufzunehmen
, die Menaea für das feste Jahr, das Triodium und
Pentecostarium für das bewegliche Jahr. Daher schrieb
man das Prophetologium immer seltener ab und ließ es
endlich im Druck gar nicht mehr erscheinen. Seine meisten
Codices ähneln einander in der Ausstattung: stattliches
Format, gutes Pergament, auf jeder Seite zwei
Schriftspalten in sorgsamer Minuskel, Initialen aber keine
Bilder, die im Evangeliarium und Psalterium häufig
begegnen; die Überschriften sind in Majuskeln und die
Vortragszeichen, die Neunten, mit roter Tinte geschrieben
. Zwischen die Lektionen, die gezählt werden, findet
i man längere oder kürzere Anweisungen für die Liturgie
eingeschaltet, sofern es sich um Bibelstellen aus efen
Psalmen und dem NT handelt, oft nur die Anfangsworte
, so daß der vortragende Geistliche im Prophetologium
den Gesamtverlauf vor Augen hatte; ohnehin wird
er das meiste auswendig gewußt haben. Es ist wohl
kaum zu bezweifeln, daß wir hier den Ritus der „Großen