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Ausgabe:

1942 Nr. 7

Spalte:

222-223

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pieper, Karl

Titel/Untertitel:

Neutestamentliche Untersuchungen 1942

Rezensent:

Wendland, Heinz-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7 8

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Propheten getragen. Es „fällt an der Vorstellung von
Jesus als einem prophetischen Führer auf, daß sie sehr
eng mit dem Glauben an ihn als den Messiaskönig
und Davidssohn verbunden ist" (S. 109). Es fließen
also zwei- Vorstellungen ineinander. Hier ist die Arbeit
der Gemeinde deutlich erkennbar, denn „von ihm
liegt keine Aussage vor, die ihn entweder als einen
prophetischen Führer nach Art des Theudas etwa oder
einen Messias wie Judas oder Menachem auswiese"
(S. 109), d. h. die Ausgestaltung des Glaubensbildes
von Jesus erfolgt ähnlich wie die Formung des Idealbildes
bei Johannes Hyrkanus. Als Erweis für das von
der Gemeinde geglaubte messianische Prophetentum Jesu
wird erzählt, „er habe die Menschen in den körperlichen
Idealzustand versetzt und sie wunderbar gespeist; d. h.
er habe den paradiesischen Gesundheitszustand der Menschen
zur Zeit des Auszuges aus Ägypten und der Gesetzgebung
wiederhergestellt und als endzeitliches Gegenstück
zu Mose das Mannavvunder — selbstredend mit
zeitgemäßer Abwandlung — wiederholt" (S. 111). Die
lukanische Geburtsgeschichte, die in die Zeit des galiläi-
schen Judas führt, spricht vielleicht den Glauben aus:
Jesus ist der richtige Führer zum Heil, „ihm ist es vorbehalten
, das Ziel zu erreichen, um das sich Judas vergeblich
bemüht hat" (S. 112), während der Wiederkunftsglaube
in den Anschauungen zelotischer Kreise, die
ihre Helden ebenfalls erhöht glaubten, seine Entsprechung
hat. Die Frage Johannes und Jesus zeigt manchen
gemeinsamen Zug. Jesus ist Glied der Täuferbewegung
gewesen. Mit ihm teilt er die Forderung der
Unikehr, beide haben den „Glauben an die naturhafte
Bindung des Volkes an Gott, den das jüdische Volk trotz
mancherlei universalistischen Ansätzen nie überwunden
hat, aufgegeben" (116); beide versuchen gerade die
Verachteten und Ausgestoßenen zu gewinnen, um sie in
das Ganze der Gemeinschaft wieder einzugliedern, beide
teilen ein gemeinsames Schicksal. Es wäre allerdings
nun sehr Wichtiges über die Unterschiede zwischen Jesus
und dem Täufer zu sagen. Verwiesen sei dazu auf
Rudolf Ottos Zusammenstellung (Reich Gottes und Menschensohn
56 ff.).

Der letzte Teil wendet sich der Eigenart Jesu innerhalb
des religionsgeschichtlichen Bildes zu. An vier
Punkten erläutert sie die Meersehe Arbeit: 1. Sein ausgeprägtes
Sendungsbewußtsein, das sich darin ausdrückt;
daß Jesus „seine Sendung ebenso wie der Täufer als eine
religiös-sittliche empfindet und er dementsprechend nicht
den Boden national-religiöser Utopie betritt" (128). Über
den Täufer geht er noch hinaus, indem „er sich selber
als Bringer einer neuen, Mose Gesetz überbietenden
Lehre empfindet". 2. Seine Anschauung von der Gegenwart
des Reiches in seiner Geschichte, die es ihm ermöglicht
, „seinem Tod einen heilsgeschichtlichen Sinn zu
geben", üb freilich die von Meyer damit verbundene,
stark psYchologisierende Anschauung richtig ist, daß man
bei Jesus „ein Nachlassen der Hoffnung auf ein baldiges
Kommen der Endzeit", die er am Anfang gehegt habe,
feststellen könne, darf füglich bezweifelt werden, da
die Texte solcher psychologischen Ausdeutung sich widersetzen
. 3. Seine die Grenzen des Judentums sprengenden
universalen Tendenzen sind ihm ebenso eigen
wie 4. der Gedanke „des organischen Wachsens der Gottesherrschaft
als einer religiös sittlichen Gemeinschaft"
(129). Meyer sieht richtig, daß Jesu Sendungsbewußtsein
zu kurz kommt, wenn er in eine Reihe mit dem zeitgenössischen
Seher- und Prophetentum gestellt wird" (131).
„In welcher Weise er sich als Propheten gewußt hat,
kann man am besten daran erkennen, daß er sich als
Sohn Gottes im sittlich-religiösen Sinne des Wortes
empfunden hat, der berufen sei, eine neue Frömmigkeit
zu verkünden" (132). Mit diesem Satze schließt die
Studie; und ihm muß man zustimmen, auch wenn man
an einigen Stellen Ergänzungen für notwendig hält oder
Fragezeichen zu setzen gezwungen ist.

Jena W. Grundmann

Pieper, Prof. Dr. Karl: Neutustamentliciie Untersuchungen.

Paderborn: Bonifacius-Druckerei 1939. (73 S.) sjr. 8° = Verzeichn. d.
Vöries, a. d. Erzbiscliöfl. Philos.-Theol. Akademie zu Paderborn, W.S.
1939/40.

Die Akademieschrift enthält drei Aufsätze zu Problemen
der neutestamentlichen Wissenschaft: 1) Die Stellung
Jesu zu den religiösen Urkunden seines Volkes
(S. 5—45); 2) Verfasser und Empfänger des Hebräuer-
briefes (S. 46—65); 3) Zur Frage nach den Irrlehrern
des Judasbriefes (S. 66—71). Es ist einleuchtend, daß,
insbesondere heute, der ersten dieser Studien die größere
Bedeutung zukommt, obwohl sie die letzten Äußerungen
von ev.-theol. Seite (Kümmel, Oepke, Hempel) nicht
genügend ausgeschöpft hat, was z. T. damit zusammenhängt
, daß P. „das Jesus oft nachgesagte sog. eschatolo-
gisene Bewußtsein" abstreitet und „eschatologisch" nur
im Sinne des „letzten Abschnitts" der Heilsökonomie
: Gottes verstehen will (8 f.). Dementsprechend fehlt der
notwendige Versuch, gerade aus der Verkündigung der
! eschatologischen Gottesherrschaft durch Jesus auch seine
' scheinbar so widerspruchsvolle Haltung gegenüber dem
i AT und besonders gegenüber dem Gesetz abzuleiten und
! zu verstehen (vgl.W.O. Kümmel, Jesus und der jüdische
i Traditionsgedanke ZNW 33,1934,105 ff. u. H.-D. Wendland,
Qetchichtsanschauung u. Geschichtsbewußtsein im NT, Göttin -
' gen 1938, 71 ff.), die P. im Übrigen richtig beobachtet und
j sachgemäß dargestellt hat, ohne Abschwächungen der vorl.
| Schwierigkeiten vorzunehmen: Jesu Verkündigung fußt
| auf dem AT (diese wichtige These hätte eine weit aU8-
j führlichere Behandlung verdient, vor allem hinsichtlich
j des Verhältnisses Jesu zu Dtjes., vgl. die Mark.- und
Matth.-Auslegungen von J. Schniewind), er betet mit
l Worten des AT, er leitet zur Beachtung des Gesetzes an,
er ist kein revolutionärer Zerstörer der kultischen Ord-
| nung, — andrerseits legt Jesus in Wort und Werk sein
i Bewußtsein der Unabhängigkeit von der Schrift an den
j Tag; er verfügt souverän nicht nur über die Gesetzes-
j auslegung, sondern auch über das atl. Gesetz selber
(Matth. 5,21 ff. stellt P. in den Mittelpunkt), d. h. er
tritt als neuer, absoluter Gesetzgeber auf. Der Grund
für diesen „Dualismus" (44) liegt in der Messianität
i Jesu, kraft deren er selbst „der verborgene Inhalt und
die beherrschende Mitte des AT ist" (28). In der Einzelexegese
kann man P. nicht immer folgen: so wenn er
joh. und synopt. Aussagen grundsätzlich auf die gleiche
Ebene stellt, wenn er Joh. 8, 56 Abrahams Schauen des
i Tages Christi auf Isaak als Prototyp Jesu beziehen (28)
oder Mt. 5,18 auf „das von Jesus erst erfüllte Gesetz"
! deuten will (12). Die Schlußthese lautet, daß wir „von
Christus her" am AT festzuhalten haben (44); hierfür
hätte freilich das Problem der Geschichtlichkeit der Offenbarung
im AT, auch für das Verständnis der Haltung
Jesu zum AT, aufgeworfen werden müssen!

Die zweite Abh. möchte die Auffassung begründen
, 1) daß der Verf. des Hebr. nicht ein Apostel, sondern
ein Apostelschüler sei, der Paulus und Timotheus
nahegestanden habe, nicht ein palästinensischer, sondern
i ein hellenistischer Judenchrist (50f.); das Nähere bleibe
I zweifelhaft, „größere Wahrscheinlichkeit" spräche für
Barnabas (53 ff.). 2) In den Lesern sieht P. palästinensisch
-jerusalemische Judenchristen, und zwar im Anschluß
an Bornhäuser jüdische Priester (Apg. 6, 7). Die
! Beweisführung .hierfür ist höchst problematisch, weil sie
! einzelne Stellen mit einer Last belädt, die diese nun wirklich
nicht tragen können (z.B. Hebr. 5,12; in 12, 22 f.
soll die „Gemeinde der Erstgeborenen" die jerusalemi-
! sehe sein!). P. hat die Frage nach der literarischen Gat-
I tung, der Hebr. angehört, nicht genügend beachtet und
I meint daher mehr zu wissen, als wir überhaupt aus Hebr.
erheben können.

Denselben Eindruck hinterläßt auch die Beantwor-
j tung der Frage nach den Irrlehrern des Judasbriefes, den
j P. zeitlich in die Mitte der sechziger Jahre verlegt (??).
j Er bezieht auf diese Irrlehrer eine Notiz des Hegesipp
I (bei Eusebius KG IV, 22, 4 f.) über die Häresie des The-