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Ausgabe:

1942

Spalte:

219-221

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Meyer, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der Prophet aus Galiläa 1942

Rezensent:

Grundmann, Walter

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219

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 7/8

220

Meyer, Lic. habil. Rudolf: Der Prophet aus Galiläa. Studie
zum Jesusbild der drei ersten Evangelien. Leipzig: O. Lunkenbein :
1940. (168 S.) gr. 8°. RM 3.50.

Der Verfasser geht aus von der Beobachtung, daß in
der synoptischen Überlieferung an einigen Stellen Jesus
als Prophet, Elias oder als der wiederstandene Johannes
entgegentritt. Er erkennt, daß „hinter den anscheinend !
nebensächlichen Aussagen ein Glaubensbild von Jesus
steht, das im Urchristentum Palästinas große Lebens- !
kraft besessen haben muß" (9). Diesem Bild des Propheten
will seine Studie ihre Aufmerksamkeit widmen. Damit
erfüllt der Verfasser eine Aufgabe, auf die vor allem Karl
Bornhäuser u. E. mit Recht in seinem Werk „Das Wirken
des Christus in Worten und Werken" hingewiesen hatte,
wenn er auf die bedeutsame Gestalt des Propheten auf- j
merksam macht. Um das Ergebnis unserer Betrachtung
vorwegzunehmen: Rudolf Meyers sorgfältige Studie ist
geeignet, unser Wissen an einem nicht unwesentlichen
Punkt der Jesusüberlieferung zu klären und zu vermehren
.

In einem ersten Abschnitt geht Meyer dem prophetischen
Jesusbild in den synoptischen Evangelien nach.
Nachdem er die Aussagen über das Prophetentum Jesu
zusammengestellt hat, werden vor allem in den Heilrufen
und Scheltworten allgemein prophetische Züge in ;
Jesu Auftreten erkannt. Auch Mahnworte und Weissagungen
gehören in diesen Zusammenhang. Wir dürfen
an dieser Stelle ergänzen, daß uns in dieser Hinsicht [
der Tatbestand beachtlich erscheint, daß Jesus seinen
Gegnern wiowicu; vorwirft. Dieser Vorwurf trifft nicht
eine subjektive bewußte Unehrlichkeit im Sinne eines
Tartüffe, woran sich unser Bild der Heuchelei gebildet
hat, sondern meint einen Gottesdienst, der den wirklichen
Gott nicht trifft und deshalb Menscheiidienst
bleibt. Dieses Urteil aber kommt aus dem Wissen um
den wirklichen Gott und um den Gottesdienst, den er
will, ist also ein prophetisches Urteil. In einem weiteren
Teil wird die Frage Jesus als „der messianische j
Prophet"' untersucht, eine Erwartungsgestalt, die sich
vor allem auf Deut. 18,15 stützt. Hier ist die Gestaltung
des Einzuges in Jerusalem wichtig und der Bericht :
von den Emmausjüngern. Die Arbeit der Gemeinde, die
wir in solchen Stellen vor uns haben, geht von dem Ge- I
danken aus, „Jesus sei das Gegenstück zu dem Erlöser-
propheten Mose, d. h. der Prophet der Endzeit". In
unserei Studie über die „Die Arbeit des ersten Evange-
listen am Bilde Jesu" in „Christentum und Judentum"
(Georg Wigand, Leipzig) haben wir nachgewiesen, daß
das Christusbild des Matthäus von diesem Gedanken her
bestimmt ist. Rudolf Meyer stellt eine Reihe von Beobachtungen
zusammen, die das Bild des messianischen
Propheten, auf Jesus übertragen, erkennen lassen. Er j
macht auf die bemerkenswerte Tatsache aufmerksam,
daß trotz der jüdisch-nationalen Schranken der Urge- i
meinde sie von Jesus kein politisch-militärisches Wunder
erzählt hat, ein Erweis dafür, wie fern sich Jesus
von allem politischen messianischen Prophetentum gehalten
hat. In Partien wie Mt. 11,2—6 ist das mes- i
sianische Prophetentum als religiös-sittliches verstanden
und hat keine politischen Züge. Uns scheint es notwendig
, in diesem Zusammenhang die Frage des Freudenboten
, von dem Deuterojesaja redet, zu erörtern, denn
gerade die ältesten synoptischen Traditionen, aber auch
die lukanische Sondertradiition sind von ihr bestimmt.
Der Freudenbote gilt verschiedentlich als Messias, nicht
durchgängig. Jesus hat sich als Freudenbote gewußt —
der Verkünder der Heilszeit im Unterschied zur Droh- !
predigt des Täufers. Hier liegt u. E. der Anknüpfungspunkt
für den Gedanken des messianischen Propheteu-
tums in der Gemeinde. Schließlich wird die Eliasfrage
erörtert. Die Perikopen von der Jü/ngergewinnung,
Gethsemane und der Samariterherberge tragen Eliaszüge,
allerdings die beiden letzten in einem zu Elias antithetir j
sehen Sinn. So gewiß „das alte Gut bei der Umgießung j
zu einer neuen Erzählung zwangsläufig der Individuali- I

tät des neuen Helden und der Eigenart der neuen Erzähler
angeglichen" wird (S. 37), so wenig scheint uns
das Urteil berechtigt, die Erzählungen seien überhaupt
aus Eliasmotiven in der Gemeinde entstanden. Wir
wagen höchstens zu behaupten, daß die Jesusüberlieferung
bestimmter Vorgänge Eliasmotive an sich gezogen
hat. Ein kurzer Blick wird schließlich auf Jesus als den
widererstandenen Täufer geworfen.

Ein zweiter umfassender Abschnitt stellt eine reine
und wertvolle religionsgeschichtliche Arbeit dar. Er behandelt
das „Prophetentum in hellenistischer und römischer
Zeit", schafft also den religionsgeschichtlichen
Hintergrund zu dem Glaubensbild des Propheten Jesus.
Zunächst werden Seher und Propheten behandelt, so die
essenischen Propheten und die außeressenischen, pharisäischen
und rabbinischen Seher, die z. T. als Unheilspropheten
, z. T. "als Heilspropheten auftreten. Als Beispiel
solchen Prophetentums wird Josephus deutlich. Dabei
spielt vor allem die Frage des Tcmpelschicksals
eine Rolle; Mark. 13,1—4 bekommt einen bedeutsamen
religionsgesehichtlichen Hintergrund. Alsdann wendet
sich die Erörterung den charismatischen Führergestalten
zu. Eine besonders interessante Darstellung findet
Johannes Hyrkanus, den Josephus als messianischen König
mit der Ämterdreiheit Priestertuun, Königtum, Prophetentum
zeichnet, auf den sich aber auch das Bild
des Priesterkönigs in den Testamenten der zwölf Patriarchen
bezieht. Zu der These, die Meyer in diesem
Zusammenhang aufstellt, Hyrkanus sei „Gottes Sohn
im adoptianischen Sinne des Wortes" (07) habe ich
mich bereits in „Jesus der Galiläer und das Judentum"
(Georg Wigand, Leipzig) S. 215 f. geäußert. Ich darf
dazu auf die Diskussion, die durch die von uns vorgetragene
These, im Judentum habe der Messias nicht als
Gottes Sohn gegolten, ausgelöst wurde, verweisen, wie
sie zwischen F. Büchsei und W. Michaelis, unsere These
im Endergebnis bestätigend, im Deutschen Pfarrerblatt
(44 1940'238 f. 250f. 365 f.) gefühlt worden ist. Neben
die Gestalt des Johannes Hyrkanus tritt die der gali-
läischen Freischarführer, vor allem des Hiskia, Juda
und Menahem, ferner des Simon Bar Koseba in der
hadrianischen Zeit. Aus dem Scheitern dieser Freischar-
fübrer erwuchs nach Meyers Darstellung der sterbende
Messias ben Joseph, der aus Galiläa kommen sollte,
woher die meisten Freischarführer stammten. Und auch
die Gestalt der messianischen Propheten findet eine Erörterung
. Sind die Freischarführer Anwärter auf den
Thron Davids und machen sie durch militärisch-politische
Taten von sich reden, finden sie also ihr Leitbild in
David, so knüpfen die messianischen Propheten „an
die wundertätigen charismatischen Führer Mose und
Josua" an und „wollen die Heilszeit durch ein Wunder,
das denen ihrer Vorbilder aus der Vergangenheit entspricht
, einleiten". „Sie erblicken in der Wüstenzeit das
Ideal" (S. 102). Als letzten in der Reihe der charismatischen
Führergestalten nach der Art der messianischen
Propheten behandelt Meyer die Gestalt des Täufers
. Mit Recht erkennt er an ihm die Eliaszüge, sieht,
daß er erst zum Vorläufer Jesu durch die christliche
Glaubensanschauung geworden ist, und erblickt seine
Eigenart darin, daß er den Gedanken der Entsprechung
der Wüstenzeit nicht politisch-religiös, sondern sittlichreligiös
faßt: „Wie einst die Wüstengeneration der
idealen Vorzeit einer Reinigung bedurfte, um das Heil
in der Gestalt des Gesetzes zu erlangen, so müssen sich
auch die Menschen der Gegenwart einer Reinigung unterziehen
, wenn die kommende Heilszeit, in der Gott
sich offenbaren wird, teilhaftig werden wollen" (S.
102).

Der Schlußabschnitt der Untersuchung führt zur
Frage, wie sich Jesus zu dem zeitgenössischen Prophetentum
verhält. Zunächst werden die verwandten Züge
untersucht. Dabei spielen die bereits erwähnten unverkennbaren
prophetischen Züge, wie sie in den Droh- und
Scheltworten, in Mahnungen und Weissagungen enthalten
sind, eine Rolle. Jesus hat bestimmte Züge des