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Ausgabe:

1941

Spalte:

156-157

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bangerter, Otto

Titel/Untertitel:

Der 'Geist der Technik' und das Evangelium 1941

Rezensent:

Wünsch, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 5/6

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ben hätte. So ist z. B. die neueste Forschung über den
Bilderstreit, ferner fast die gesamte kirchengeschichtliche
Forschungsarbeit der französischen Assumptioni-
sten („Echos d'Orient") und die neuesten Arbeiten zur
Vorgeschichte des Schismas von 1054 (sogar ein ganz
unentbehrliches Werk: Anton Michel, Humbert und
Kerullarios) unberücksichtigt geblieben.1 Durch die Berücksichtigung
dieser neuesten Forschung wäre das gezeichnete
Bild in vielem doch vollständiger und richtiger
ausgefallen. Dies gilt vor allem vom der Darstellung des
Bilderstreites, ferner von der inneren Vorgeschichte des
Schismas, d. h. von der allmählichen Entfremdung zwischen
Westkirche und Ostkirche vom 8.—11. Jahrhundert
. Dabei verdienen die politischen und kulturellen Momente
, die das Schisma vorbereiten halfen, sicherlich eine
viel ausführlichere Darstellung. Die politische Rivalität
zwischen dem römisch-deutschen Reich des Westens und
dem byzantinischen Reich des Ostens hat, wie gerade A.
Michel gezeigt hat, auch viel zur kirchlichen Entfremdung
zwischen Westen und Osten beigetragen.
In diesem Zusammenhange wären die beiden von dem
Verf. völlig übergangenen Jahrhunderte zwischen dem
Schisma des Photios und dem Schisma des Kerullarios
ausführlich zu behandeln gewesen. Denn in diesen beiden
Jahrhunderten ist die Entfremdung zwischen Osten
und Westen bereits so groß gewesen, daß man praktisch
von einem Schisma sprechen kann, das entscheidend
durch die politische Entfremdung und Verfeindung vorbereitet
und bestimmt war.

Das sind gewiß beachtliche Mängel, sie verlieren
freilich an Gewicht im Hinblick auf die besondere Themastellung
: der Verf. will ja nur einen Teilausschnitt aus
der allgemeinen Vorgeschichte des Schismas schildern.

Als Ganzes verdient das Buch Anerkennung: Es beruht
auf gründlichen Quellenstudien, das Thema ist klar
durchdacht, der Stoff übersichtlich gegliedert und durch
ein sorgfältiges Register erschlossen, die Darstelluno:
sehr lesbar, die Gesamtauffassung getragen von dem
wohltuenden Bemühen nach objektivem Verstehen, fern
von aller polemischen Haltung. Für uns ist diese Darstellung
wertvoll, da seit vielen Jahrzehnten in deutscher
Sprache keine wirklich zusammenfassende Darstellung
der Vorgeschichte des Schismas erschienen ist.2
Das genannte Werk von A. Michel bietet in seinem ersten
Bande ja nur eine Skizze.

Leipzig Georg Stadtmüller

1) Einen allgemeinverständlichen, aber sehr zuverlässigen Überblick
über die neueste Forschung zur Vorgeschichte des Schisinas, ihre
Probleme und Ergebnisse gibt ein jüngst erschienener Aufsatz von
Emilio H e r m a n, Le cause storiche delle separazione della Chiesa
Oreca seconda le piü recenti ricerche. Venegono Inferiore 1940.
S.-Abdr. aus dem Aprilheft 1940 der Zeitschrift ,,La Scuola Catho-
lka".

2) Die einzige wirkliche deutsche Gesamtdarstellung in diesem
Sinne ist noch immer: A. Pichler, Geschichte der kirchlichen Trennung
zwischen dem Orient und Oecident von den ersten Anfängen
bis zur jüngsten Gegenwart. 1. II. München 18G4. 1865.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Alt haus, Paul: Die Wahrheit des kirchlichen Osterglaubens.

Einspruch gegen Emanuel Hirsch. Zweite, vermehrte Auflage. Gütersloh
: C. Bertelsmann 1941. (96 S.) 8° = Beitr. z. Ford, christl. Theologie
. Bd. 42, H. 2. RM 2,40.
Althaus hat seine Schrift gegen mich in zweifer Auflage
herausbringen können. S. 1 —15 und S. 30—84 der
2. Aufl. decken sich, von ein paar ergänzenden Noten
abgesehn, mit S. 1 —15 und S. 26— 80 der l.Aufl. S. 16
bis 29 der 2. Aufl., die Partie über den Unterschied von
Erscheinung und Vision und über das leere Grab, sind
mit Rücksicht auf diie Einwände meiner Besprechung
ThLZ. 1940, Nr. 11, Sp. 295 ff. umgearbeitet. Ich müßte
meine geschichtlichen Einwände also jetzt technisch z. T.
anders ausdrücken. Der Sache nach könnte ich nichts
andres sagen als bisher: Althams hat seinen Standpunkt

in den wesentlichen Momenten festgehalten und zur
Verteidigung nichts Neues, das von Belang wäre, beigebracht
. Alles Interesse konzentriert sich somit auf den
Anhang der Schrift, S. 85—96, den Althaus neu hinzugefügt
hat. In ihm setzt er sich mit den systematischen
Einwänden meiner Besprechung und zugleich mit
Bultmanns Besprechung meines Auferstehungsbuichs,
ThLZ. 1940, Sp. 242 ff., auseinander.

Ich gebe kurz die wichtigsten Thesen dieses Anhangs
wieder. 1. Althaus nimmt für sich Kirchlichkeit in Anspruch
, sofern er die bei mir preisgegebne Substamz
des apostolischen Osterzeugnisses gewahrt habe und die
andern kirchlichen Theologen heute vom älteren kirchlichen
Denken ebenso abgerückt seien wie er. Er hält
sich daher für berechtigt, Folgendes zu schreiben:
„. . . muß ich es ablehnen, mich von Hirsch wegen meiner
Abweichung gegenüber einer vorkritischen Osterauf-
fassung als wesentlich in gleicher kirchlicher Verdammnis
wie seine Lehre hinstellen zu lassen, und kann seine
Lehre nicht als gleichen kirchlichen Rechts wie die meine
, nämlich auch nur als ,neue Reflexionsgestalt des
Osterglaubens' gelten lassen". — 2. Althaus wiederholt
seinen Einspruch gegen den von rmir aus Schteiermacher
herausgeholten Satz, daß der Gehalt einer Aussage über
Gott allein in einer Bestimmung des Gottesbewußtseins
des Menschen liegen kann, daß also nicht Gott an sich,
sondern Gott in seiner uns Sinn und Gewissen bestimmenden
Macht der Inhalt unsrer Gotteserkemitiiis ist.
Wegen meines Hinweises, daß an der Bejahung dieses
Satzes doch das Heimatrecht der Theologie im deutschen
und überhaupt europäischen geistigen Lebens von heute
hänge, antwortet Althaus u. a.: „Muß man wirklich wählen
zwischen diesem ,Heimatrechte' und jenen Erkenntnissen,
dann werde die Theologie um der ihr anvertrauten Wahrheit
willen tapfer heimatlos." — 3. Althaus begrüßt Bultmann
als mit ihm in der entscheidenden theologischen
Lehre von Ostern einig, macht ihn aber darauf aufmerk-
sami, daß sich mit diesen gemeinsamen theologischen
Erkenntnissen die wesentliche Übereinstimmung Bultmanns
mit mir in der historischen Beurteilung des Oster-
geschehens nicht vertrage. Er findet also mich konsequent
und Bultmann widerspruchsvoll.

Dies wären die drei mir interessant gewesenen
Selbstmamifestationen. der Althaus'schen Theologie in der
zweiten Auflage seiner Einspruehssebrift. Ich halte es
angesichts der ersten für unmöglich, meinerseits irgendetwas
dazu zu bemerken.

Göttingen E. Hirsch

Bangerter, Dr. theol. Otto: Der „Geist der Technik" und das
Evangelium. Ein Beitrag zur Frage nach der religiösen Krisis des
„modernen" Menschen. Heidelberg: J. Comtcssc 1939. (176 S.)
8°. RM 2.90.

Der Verf. behandelt mit viel Fleiß und innerer Anteilnahme
ein Thema, das auch sonst schon viel behandelt
ist, wie aus Teil II des Buches selbst hervorgeht,
wo er über bisherige Deutungen der Technik von Philosophie
, Weltanschauung und (weiter im Teil III) Theologie
her referiert. Dann unternimmt er selbst den Versuch
, die Technik zur Welt des Evangeliums in Beziehung
zu setzen und sie einzuordnen. Das Ergebnis ist,
daß ein Widerspruch zwischen „technischem Menschen"
und Evangelium nicht zu bestehen braucht; denn der
Techniker ist wie jeder Mensch Sünder und bedarf der
j Rechtfertigung, von der her sein Werk erst die rechte
I Grenze und den ersten Sinn bekommt, — das ist nun
! freilich nichts Neues. Die wesentliche Frage ist, wie mir
scheint, nicht berührt. Die Arbeit des Technikers formt
seinen Geist in einer Weise, die den Zugang zu abstrakten
Gedankengebilden erschwert, wie doch die Theologie
! solche darstellt. Es fehlt ihm an Zeit und Kraft bei sei-
| nem in der Regel alle Kräfte anspannenden Beruf, das
j Hindernis der Andersartigkeit der religiösen Welt zu
| überwinden. Daher kann er zu ihr den Zugang nur
| durch einfache, eindeutige, klare Formen