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Ausgabe:

1941

Spalte:

142-143

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Christus des Gesetzes Ende 1941

Rezensent:

Büchsel, Friedrich

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141 Theologische Literaturzeitung- 1941 Nr. 5/6 142

steserbe nicht völlig verlor, und daß von ihm ausgehend und nicht als Kulturhebel wirken, eine sehr wichtige Kul-
die abendländische Menschheit seit der Renaissance mit ! turrunküon aus. Wir sagten schon mit Weinert, der
neuer Schöpferkraft, nun freilich vielfach in hartem ■ Aberglaube ist so alt wie die Menschheit, und es besteht
Kampf mit der Kirche, neuen Zielen zustreben konnte. Keine Aussicht daß er je verschwindet. Wir fügten dem
W. beklagt, daß „bis in die letzten Jahrzehnte hinein der "ocn bei, daß der wildwuchernde Aberglaube an sich
höchste Schulunterricht mit besonderem Stolz in huma- I wissemscnattsteindlich ist, ebenso sind es meist die Wim-
nistiseher Richtung gegeben wurde". So lange es hu- , Keikirenen indem nun die Kirchen nicht nur den Groß-
mauistische Gymnasien gab, die diesen Namen wirklich j teil der religiösen, sondern auch sehr viele der von Na-
verdienten konnte man gerade auch von Universitäts- ™r zu Aberglauben neigenden Menschen an sich fesseln,
lehrern der für die Naturwissenschaften so wichtigen I Paralysieren sie weitgehend die Gefahren des Aberglau-
mathematischen Fächer hören, daß im Durchschnitt die ! Jens Uje katho .sehe Kirche hat vieles vom Aberglau-
humanistisch Vorgebildeten in den ersten Semestern mit , ben m inren Kult aufgenommen und die evangelischen
den vom Realgymnasium und Oberrealschulen Gekomme- K rchen bie:ten ihren Glaubigen mit Predigt, olbet und
nen nur schwer Schritt halten konnten, dann aber leich- anderem Hilfsmittel, die sie leichter auf Abergläubisches
ter schwierige Probleme bewältigten. Hier ist nicht der verzichten lassen Diejenigen unter den beamteten Dienern
Ort auF den Humanismus als geistiges Ferment näher ' 'hrer K.rche d.e jetzt noch m Krankheit, gegen Blitzschlag
einzuüben aber das muß doch betont werden, daß der , USW. neben den Trost- und Beschwichtigungsmitteln ihrer
TitdÄucS lauten müßte: „Der geistige Aufstieg ; Religion nicht auchd*^Mittel der Wissenschaft empfeh-
der Menschheit in vorgeschichtlicher Zeit mit kurzem , »Oft.sind Außenseiter. Der Gesundbeter dagegen und der
Ausblick" au die weiter? Entwicklung", weil die für den j ^^aU^^"J wenn er seinen Grund-
geistigen Aufstieg der Menschheit so wichtigen Epochen satzen treu bleibt, den Arzt, den Blitzableiter und die
der Ant kc der Renaissance und der Aufklärung in kei- ! Hagelversicherung. So wurden die christlichen Kirchen,
ner Weis?' hcrücksTchS sind. ! 'm 2roßen Z"—enhang des kulturgeschichtlichen Werner
weise oerucksicntiai u d v dens gesehen, teils zum Kulturhehel und zwar in ungleich

Und nun noch einiges zu den Be'ne™un?e" ver ( größerem Umf d tiefergehend, als dies nur in den

fassers über Christentum und Knxhe Von , Naturwissenfchaft nächstliegenden Bl ekfeM u er

ÄLÄ'aK t^uchä6 als etwas' sllld | ^J*^^J™*<^ des vielfach fitf
hartes vorschreibt, oder dem von W. behaupteten und
den Ergebnissen, der Kunst- und Literaturgeschichte besonders
des Mittelalters widersprechenden Unterschied
in der Auffassung von Christus bei den Nordischen, den
Mediterranen und den Dinariern kann hier abgesehen
werden. Nur zu dem Grundsätzlichen, daß von der bis-
zeit au bis in unsere Tage herein, der Aberglaube
und dann ebenso die christlichen Kirchen den geistigen
Aufstieg der Menschheit gehemmt hätten, lohnt es sien
Stellung zu nehmen. Die Tatsache selbst ist nicht zu
bezweifeln, Beobachtungen aus allen Zeiten bestätigen
sie. Ist aber anzunehmen, daß ohne die kirchliche Lehre
der geistige Aufstieg reibungsloser und erfolgreicher vor
sich gegangen wäre? Vom „klassischen Altertum' an
ist der „Aberglaube" in immer wieder neuem Anlauf von
Philosophen und anderen Männern der Wissenschaft
bekämpft worden und kämet ohne durchschlagenden Erfolg
. Mögen zeitweise die Oberschichten einer etwas
mehr wissenschaftlich gerichteten Weltanschauung zugeneigt
haben, so folgte doch immer eine neue, womöglich
«och größere Woge des Aberglaubens. Nun ist der Aberglaubt
an sich jederzeit wissenschaftsfeindlich, die christlichen
Kirchen der am weitest verbreiteten und einflußreichsten
Bekenntnisse hatten dagegen, wenn auch unter

mancherlei Schwankungen, jederzeit das Bestreben, sich . <~ u,u C1 sciUSt r

wiedem allgemeinen Kulturstand so auch dem jeweiligen seiner Gnade lebt; dabei ist er in seiner Verblendung
Stande der Wissenschaft anzugleichen. Zeitweilig, wie j sich nicht einmal seiner Sündigkeit bewußt,
beim Übergang der Antike zum Mittelalter, im Hochmit- ; Diese Sundigkeit des Menschen schließt nun aber
telalter und im Barock haben die katholische Kirche oder wie ich gegen Bultmann zu bemerken habe, für Paulus!
die evangelischen Kirchen die Kultur und die Wissen- : nicht aus, daß Menschen wirklich, nicht nur scheinbar
schaff ganz oder teilweise mächtig gefördert, dann wie- , Gutes tun Rom. 2,14. 26-27, noch daß sich die Juden
der verharrten sie, wenn der Zeitgeist zu ihrem Geist des Zwiespalts in ihrem Leben bewußt werden. Bult-
in Widerspruch geriet, rückständig auf Dingen, die 1 manns bekannte Auffassung von Röm. 7: es ist das Ur-
„Aberglauben" geworden waren, paßten sich aber dann teil des durch Christus Befreiten über seinen einstigen
dem nicht mehr aufzuhaltenden Fortschritt an. Ist wirk- Zustand und beschreibt nicht eine im Innern des Juden
lieh einmal z. B. die Biologie zur herrschenden Welt- ! bestehende Zwiespältigkeit, erweist sich als unhaltbar an-
ansehauung geworden, dann werden sie die evan- j gesichts der Tatsache, daß Paulus eben nicht eine ob-
gelisehen Kirchen ohne weiteres übernehmen und die j jektive Beurteilung des Juden durch den Christen sou-
katholische Kirche eifrig nachzuweisen suchen, sie ; der ein subjektives Selbstbekenntnis des unter dein Gehätte
, soweit dies früher überhaupt möglich war, ! setze stehenden Menschen gibt, von sich selbst nicht
immer eine richtig verstandene Biologie gepflegt und von den Juden redet. Gewiß hat Paulus Rom' 7 als
wird schließlich auch hier wirklich wissenschaftlich , Christ geschrieben und sein Leben unter dem Gesetze
mitarbeiten, um nicht ins Hintertreffen zu geraten, kaum genau so erlebt; aber er würde es nicht als
Gegen ein solches Verfahren ist gewiß Verschiedenes ein- ! Selbstbekenntnis des Menschen unter dem Gesetz "eben
zuwenden, und für kürzere oder längere Zeit ist da- j wenn er nicht Entsprechendes erlebt hätte. Aussagen wie
durch schon viel richtige Erkenntnis und richtiges Tun t Phil. 3,6: nach der Gerechtigkeit ein Gesetz tadellos
aufgehalten worden. Und doch üben selbst da die Kir- erweisen sich angesichts Rom. 7 als relativ, als nicht das
chen, wo sie, so lange sie können, als Kulturbremseni I Urteil Gottes über den Juden, dessen dieser sich be-

uvo ,i ii.ii.il Kunuir-
und immer wissenschaftsfeindlichen Aberglaubens, dem
nun einmal ein Großteil der Menschheit verhaftet ist.

München-Solln Johannes B ü h 1 e r

NEUES TESTAMENT

Bultmann, R., u. H.Schlier: Christus des Gesetzes Ende.

Theologische Aufsätze. München: Ev. Vlg. Albert Lenipp [1940). (68 S.)

8° = Beitr. z. Evang. Theologie Bd. 1. RM 1.80.

Das Heft enthält 3 Aufsätze: Bultmann, Christus des
Gesetzes Ende S. 3—27, Schlier, Jesus und Pilatus nach
dem Joh.-Evgl. S. 28—49, Schlier, Vom Wesen der apostolischen
Ermahnung nach Röm. 12, 1— 2. Burtinann
setzt sich mit Althaus, Paulus und Luther über den
Menschen 1938, auseinander. Bultmann erachtet den von
Althaus behaupteten Gegensatz zwischen Paulus und
Luther als im Grunde nicht vorhanden: Luther und Paulus
stehn in geschichtlich verschiedener Situation, aber
beide beurteilen den Menschen im Grunde gleich. Auch
Paulus ist das paradoxe Mit- und Gegen-einander des
alten und neuen Menschen bekannt, wie Phil. 3,12—14
beweist. Der Nicht-Christ ist für Paulus immer ein
Sünder, weil er, dem Geltungsbedürfnis versklavt, zur
reinen Sachlichkeit im Tun des Guten unfähig ist, weil
er Gott nicht Gott sein läßt, so daß er selbst nur von