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Ausgabe:

1941

Spalte:

111-112

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Frey, Fritz

Titel/Untertitel:

Luthers Glaubensbegriff 1941

Rezensent:

Hermann, Rudolf

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 3/4

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für den Bestand und die Gestaltung der protestantischen
Kirche gehabt. Die Auseinandersetzung zwischen den
verschieden orientierten Parteien, an deren Spitze Me-
lanchthon und Flacius standen, war notwendig und ist
bis auf den heutigen Tag fruchtbar, wenn die Motive
beider Parteien gehört werden. Die Studie leidet
•darunter, daß sie die Motive Melanchthons nicht vollauf
würdigt und auch Luthers grundlegende, einschlägige Erkenntnisse
zu sehr durch die Brille des Wahrheitsfanatikers
Flacius sieht, der sein ganzes unruhiges Leben
hindurch gegen versteckte und angenommene Gegner
kämpfte. Gerade bei Melanehthon blitzen in der Diskussion
über die Mitteldinge und ihre Verbindlichkeit
für den Glauben und die Kirche Gedanken von einer
großen Weite auf, die heute bedeutsam werden, weil
sie den Bedürfnissen des Volkes und des Reiches nachgehen
und ihnen bei der Gestaltung der äußeren Kirche
Rechte einräumen. (S. 54) Dies konnte und wollte der
Kircheiitheoretiker Flacius nicht anerkennen, der neben
■der kirchlichen Autorität in Dingen, die die Kirche
auch nur am Rande betrafen, keine andere Autorität
■duldete.

Die Arbeit gibt durch die zahlreichen wörtlichen
Zitierungen aus den Kampfschriften des Flacius einen
Ausschnitt aus seiner kirchlichen und politischen Denkweise
. Hier sind aber bedeutsame Fragen nur augerissen
und bedürfen noch sehr der Erweiterung, die
-durch die Ergebnisse Moldaenkes im seinem großen Werk
über das Schriftverständnis des Flacius möglich gewesen
wäre. Die Auffassung des Flacius über die Obrigkeit,
wie sie der Verfasser bringt (S. 46), ist durchaus nicht
Allgemeingut der Flacianer, wie sich aus den Vorreden
zum Magdeburger Centurienwerk ergibt.

Trotz dieser Einschränkungen liegt in der Studie
ein dankenswerter Beitrag zur Klärung der Frage nach
<ler Kirche Luthers vor. Wenn auch die geschichtliche
Situation eine völlig andere war als die unsrige, so greifen
doch die Gedanken des Flacius, aber auch die weitsichtigen
Thesen Melanchthons in unser Ringen um die
evangelische Kirche ein.

Breslau Hans-Henning Pflanz

Frey, Lic. theol. Fritz: Luthers Glaubensbegriff. Gottesgabe und
Menschentat in ihrer Polarität. Leipzig: Leopold Klotz Verlag 1939
(154 S.) 8°. KM b —

Der Begriff des Glaubens ist das eigentliche Charakteristikum
von Luthers Theologie. Je weniger sich die
Lutherforschung von diesem Thema abdrängen läßt,
und je deutlicher sie alle Themen auf dieses Hauptthema
zurückführt, desto klarer bleibt die reformatorisehe Linie
erhalten. Die Arbeit von Frey, einem Schüler von
Theodor Siegfried, ist somit sehr zu begrüßen.

Besonders lebhaft hervorheben möchte ich an ihr Folgendes:
Der Deus absconditus und der Dcus revelatus sind wohl ein- und derselbe
Oott. Aber die fides greift nicht ins Dunkle und hält sich
nicht ans Unsichtbare. Der Deus absc. ist der Deus iratus. Als der
incarnatus wiederum will üott sich nicht neu verbergen, sondern sich
sichtbar machen, und zwar da, wo der Mensch, insbesondere der angefochtene
Mensch, selber steht. Sonst würde der Glaube zum menschlichen
Werk, während er doch von Qott her kommt. Der Deus revelatus
ist gewiß wunderbar, aber nicht rätselhaft.

Mit der Oleichsetzung des absconditus und des iratus ist demnach
auch für die Fragen der Gotteslehre der Weg auf die Linie: Gesetz
und Evangelium gewiesen, die Referent ebenfalls als die eigentliche
Hauptlinie des Lutherschen theologischen Erkennens ansieht. — Ebenso
wird der Zusammenhang von Satisfactio und Unio cum Christo
betont (wenn auch der Ausdruck „matertale Unio" S. 34 m. E. nicht
glücklich ist). Ebenso wird die Bedeutung des Versöhnungswerkes
für jene „Schicksalsgemeinschaft" des Glaubenden mit Christus hervorgehoben
, die durch Christus als exemplum inauguriert wird und doch
den Unterschied zwischen Christus und uns nicht aufhebt. — Mit Recht
läßt der Verf. sein Buch in einem Kapitel „Fides justificat" gipfeln
und sich abschließen, in dem ich die Ausführungen über die Rechtfertigung
S. 139 ff. besonders unterstreichen möchte, wie auch vorher
schon das Sichhalten des Glaubens an Christus (81—84)
besonders schön herauskommt.

Was nun der Verf. über die ihn besonders beschäftigende
Frage darlegt, wie der Glaube als Gottes Tat
und als Tat des Menschen zugleich verstanden werden
muß, ist im Einzelnen hier nicht wiederzugeben. Es
handelt sich um zum Teil nicht unkomplizierte Untersuchungen
über das Verhältnis der beiden zueinander,
sowohl dort, wo es, wie ich am liebsten sagen würde,
I ein Verhältnis klarer Gemeinschaft zwischen Gott
in Christo und uns ist, wie besonders dort, wo es in
„Spannung" steht und verdeckt ist, zumal in der „Kainpf-
| Situation" des Glaubens (in der es ja eben auch Tat des
j Menschen werden kann, nicht beim Glauben zu bleiben).
I — Der Hauptgedanke ist der, daß in der Frühzeit
| Luthers das „aktive Moment . . in dem Paradoxon der
passiven Hingabe" (104) an den Gott besteht, der
zuerst als drohende und verdammende Macht den Menschen
„überfällt", der sich aber dann jener Hingabe
als die Heils- und Lebensfülle in Christus erweißt.
(Resignatio ad infernum, Christus in der Hölle, Gottes
Wirken sub contrario). Später tritt die Unio mit Christus
in den Mittelpunkt, und aus dem „Erleben des
Sichüberlassens" wird die „Verlegung des Ich in Christus
, so daß Christus das neue Ich des Gläubigen selbst
ist" (113).

Unter diesen Leitgedanken werden die Fragen über
den Glauben als „Gottesgabe und Mensebentat" mit reicher
Lutherkenntnis abgehandelt, wobei mit Recht das
Ineinander beider, und der Glaube deich als einer, herausgearbeitet
, somit auch jede Scheidung des Glaubens
in 2 Arten, in passiven und aktiven Gehorsam, oder
wie immer, abgelehnt wird. Auch die Literaturkenntnis
des Verfassers ist ansehnlich, und die eingef lochte neu
Auseinandersetzungen mit ihr liest man mit Gewinn.

Allerdings hätte auf S. 25 die große Studie von Loofs über den
Articulus stantis et cadentis ecclesiae 1917 (in Sachen des sog. Objek-
tivalionsschemas) nicht fehlen dürfen. Auch daß der Verf. mein Buch:
Luthers These „Gerecht und Sünder zugleich" nicht, bzw. nur nach
seinem ersten, in einer Aufsatzfolge erschienenen, Teile, kennt, darf
ich vermerken. Denn eben der Ichbegriff der Rechtfertigung, an
dem dem Verf. soviel liegt, war dort ausdrücklich zum Thema gemacht
. Aufgrund damaliger Untersuchungen frage ich mich, ob es
nicht doch mehr als die eigentliche Unio die Gemeinschaft
zwischen Gott in Christus und dem Glaubenden ist, aus der sich das
eigentümliche Verständnis des Ichbegriffs erklärt. Diese etwas andere
Orientierung in der Fassung des in der Tat sehr wichtigen Ich- und
Personbegriffs in Lathen Verständnis des Glaubens würde auch
noch weitere Verlagerungen des Akzentes mit sich bringen. — Abgesehen
davon, daß der Verf. m. E. sich bisweilen in der Kompilierung
etwas verfängt (z. B. auf S. 75 in der Erörterung des Bildes vom
Werkmeister und Werkzeug, oder auf S. 81 in der über das sacranien-
tu.m), könnte man auch weniger deskriptiv oder, wenn ich so sagen
darf, weniger frömmigkeitspsychologisch und noch stärker, als der
Verf. es schon tut, auf den Glaubens i n h a 1 t gerichtet vorgeiien.

Jedenfalls aber haben wir es mit einer begrüßens-
| werten und recht tüchtigen Leistung zu tun, die auch
i gerade von der Würdigung des Personbcgriffes her
recht gute Erkenntnisse (S. 142 ff.) über das Verhält-
' nis des Glaubens zum ethischen Handeln voirlegt.
Greifswald R. Hermann

| Rudi off, Leo von: Das Zeugnis der Väter. Ein Quellenbuch
zur Dogmatik. Ausgewählt u. übertragen. Regensburg: Fr. Pustet
i 1937. (473 S.) 8°. RM 5.60; geb. RM 6.80.

Dieses Quellenbuch enthält eine reichhaltige Sammlung von
Abschnitten aus den Werken abendländischer und morgenländischer
! Kirchenväter und umfaßt den Zeitraum von der Didache bis zu Jo-
j hannes v. Damakus. Im Aufbau lehnt es sich an die Laiemloginatik
; des Herausgebers an und bietet zu jedem dogmatischen Lehrstück
[ Belegstellen aus den Kirchenvätern, wobei Augustin bevorzugt wird.
! Voraussetzung der Auswahl ist die (moralische) Einstimmigkeit der
j Kirchenväter und die damit gegebene Legitimierung der traditionellen,
an den mittelalterlichen Kirchenlehrern orientierten katholischen Dogmatik
. Die Kennzeichnung der historischen Individualität der Kirchenväter
unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Dogmenge-
i ächichle ist also nicht die Absicht dieser Sammlung. Die Väierzitate
werd«n in moderner deutscher Übersetzung geboten, da dieses Quellenbuch
genau wie die genannte Laiendogmatik im Dienste der soge-
' nannten „neuzeitlichen katholischen" Volksbildungsarbeit im Sinne
des gleichnamigen Dortmunder Institutes steht. Trotz dieser nicht