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Ausgabe:

1941

Spalte:

109-111

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hase, Hans Christoph von

Titel/Untertitel:

Die Gestalt der Kirche Luthers 1941

Rezensent:

Pflanz, Hans-Henning

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10!» Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 3/4 HO

Verhältnis der Dilthevsehen Philosophie zur Ethik, was im thomistisehen Sinne umgedeutet die gesamte katlio
wiederum mit ihrem Verhältnis zur Religionsphilosophie lische Meßlehre wird eingeschoben' Am bedeutsamsten
e"g zusammenhangt Der Verfasser scheint hier keine aber erscheint dem Verfasser der Angriff auf den evan
wesentliche Schwierigkeit zu sehen. Seine eigene Stel- gelischen Kultus und die Kirchenordnung da die 7 Sa
Wng ist dadurch gekennzeichnet, daß er such zwar gegen , kramente getarnt zurückkehren und die Jurisdiktion der
«en von Ddthey in der Untersuchung des Lebens ein- ; bisherigen Bischöfe und des obersten ßischofes wieder
genommenen Standpunkt reiner Diesseitigkeit wendet, anerkannt wird, sofern sie ihr Amt zur Erbauuno- und
*UT der andern Seite aber doch glaubt, daß eine Fort- ; nicht zur Zerstörung brauchen würden Der Verfasser
luhrung der Diltheyschen Gedanken in Richtung auf sieht im Nachgeben in diesen Mitteldingen ebenso' wie
«MI Transzendentes ohne Bruch möglich sei: „Der ge- j Flacius eine Verleugnung des Evangeliums besonders
male Philosoph des menschlichen Lebens, der weit alle < dann, wenn man aus Not Zugeständnisse mache (S 18}
Türen aufreißt, um dem flutenden Leben Einlaß in das i Die Haltung der verantwortlichen Evangelischen und
Keich der Philosophie zu geben, fühlt sich nicht berufen, an ihrer Spitze Melanchthon wird mit Unrecht schroff
'"in auch die Türen aufzureißen, die das menschliche j verurteilt. Melanchthon hat praktischen und vernünf
Leben in das göttliche einmünden lassen . . . Aber wie tigen Erwägungen nachgegeben und keinen Widerstand
c'' selbst solche Tore persönlich gesehen hat, verwehrt gegen das Interim organisiert, weil es ihm um die Er-

er es nicht dem seine Spur verfolgenden Schüler, aus ' »»mm« Hpc rtamin nnr, „nri ~0,v,.,„i,*„.. -r_____ii.:„j

seinem persönlichen Trieb heraus weiterzuwandern . . .
Diese Wege führen in eine jenseitige Welt" (S. 154 f.).

Aber grade an dieser Stelle tut sich erst das eigentliche
Problem auf, das dann zugleich über die Möglichkeit
einer Ethik im eigentlichen Sinn mit entscheidet.
Es entsteht nämlich die Frage: Hat das Zurücktreten
Oer Ethik in der späteren philosophischen Entwicklung
pUtheys nicht doch zugleich darin einen tieferen Grund,
<M» sein Dental immer eindeutiger auf eine Ebene zu-
arängt, der die ethische Frage wesensmäßig fernliegt?
Smd die verborgenen Voraussetzungen seines Lebensbe-
fif'ffs, die man in der Annahme eines durchgehenden
Sinnzusammenhangs der geistigen Welt und der darin
begründeten Möglichkeit eines (grundsätzlich) unbegrenzten
Verstehens am ehesten als (implizit) pantbeistiscli
bezeichnen könnte, sind diese selben Voraussetzungen,
auf denen grade die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für
die Erschließung der geistigen Welt beruht, nicht so,
daß sie durch ifire eigene innere Konsequenz jede „Ergänzung
" dieser immanent auslegbaren Welt ausschliefen
, daß sie nicht nur jeden Fortgang zu einem echt
Transzendenten (im Sinn der Religion) verbieten, sondern
sogar schon wesentliche Seiten des menschlichen
Lebens selbst verdecken: die „Endlichkeit" des menschlichen
Daseins und die Härte der Wirklichkeit, in die
der Mensch gestellt ist und in der er sich entscheiden
UUB. und damit die Härte des sittlichen Anspruchs
überhaupt? So könnte es sein, daß das eingangs berührte
Fehlen einer Bearbeitung der Diltheyschen Ethik
darin seine Erklärung findet, daß die großen und für die
Gegenwart furchtbaren Leistungen Diltheys auf wesentlich
andrer Seite zu suchen sind, daß in der Ethik aber
(wie auch in der Religionsphilosophie) ein Rückgang
auf Dilthey unfruchtbar bleibt, weil sich die entscheidenden
ethischen Fragen von seinem lebensphilosophischen
Ausgangspunkt her nicht fruchtbar behandeln
lassen.

Gießen Otto Friedrich Bollnow

Hase, Hans Christoph von: Die Gestalt der Kirche Luthers.

Der casus confessionis Im Kampf des Matthias Flacius jregen das

Interim von 1548. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht 1940. (98 S.)

er- 8°. RM4.80.
Die Studie handelt zunächst in einem geschichtlichen
Uberblick von den äußeren Vorgängen der Entstehung
des Interims. Diese Zusammenfassung bringt außer einigen
aus Kampfschriften des Flacius mitgeteilten Einzelheiten
nichts Neues. Der Verfasser sieht die Vorgänge
um das Interim in den wesentlichen Punkten nur mit
den Augen des Flacius. Er umreißt die Probleme, soweit
sie in dem beschränkten Gedankenkreise des Illy-
ricus gelegen haben. In Kaiser Karl erkennt er den
Gegner des neu erwachten Nationalempfindens, der die

Haftung des Ganzen ging und die gemachten Zugeständnisse
nur auf dem Papier standen. Der Verfasser ist
mit Flacius der Meinung, daß in Wittenberg die Furcht
über den Glauben gesiegt habe. Wieder wird Melanchthon
der Vorwurf gemacht, daß er seine Autorität nicht
recht benutzt hätte, indem er seine Bedenken gegen das
Interim nur in privaten Gutachten ausgedrückt habe,
die Öffentlichkeit hingegen mit seinem Bekenntnis nicht
belasten wollte.

Im Reiche, besonders in Magdeburg erhebt sich der
Widerstand gegen das Interim. Der Verfasser stellt angesichts
dieser Ereignisse die Frage „Wahrheit oder
Friede" (S. 26 ff.) und urteilt mit Flacius kategorisch,
wo es um die Sache Christi geht, darf man sich nicht
um Menschenweisheit, um die Erhaltung der Universitäten
und Gemeinden kümmern und soll auch nicht
für „Volk und Kinder furchtsam sein".

Der Widerstand gegen das Interim führt in Kursachsen
zur Aufstellung des Leipziger Interims und
einer neuen Kirchenagende. Gegen diese laufen die Fla-
cianer mit allen Mitteln Sturm. Flacius, dem Organisator
und der Seele des Widerstandes wendet sich nun
der Verfasser zu und stellt ihn als den treuesten Jünger
Luthers dar. Er kämpft für die Wahrheit und
Geschlossenheit der protestantischen Kirche und sieht
auf der Seite der Philippisten als die Wurzel des Übels
den Unglauben an. Der Verfasser stellt Melanehthons
Auffassung von den Mitteldingen heraus und sieht das
Wesentliche in der klaren Scheidung: „Über die Lehre
bestimmt Christus, über die Kirchenordnung die Obrigkeit
" (S. 54). Dieser Erkenntnis des Präzeptors stellt
der Verfasser Luthers „wahre Meinung" gegenüber —
auf 2 Seiten zusammengefaßt ist dies ein gefährliches
Unterfangen —. Bei Melanchthon erkennt der Verfasser
nur ein Festhalten an der reinen Lehre, über die die
Universität zu entscheiden hat, bei Luther und Flacius
dagegen ein lebendiges Bekennen als das wesentliche
Glaubensmoment. Das Bekennen umfaßt Glauben, Lehre,
Kultus und Kirchenordnung. Diese bilden im „casus
confessionis" eine untrennbare Einheit (S. 63). Flacius
hatte den Satz vom „casus confessionis", dem „Fall des
Bekennens" im Verlaufe der Interims-Streitigkeiten aufgestellt
. Er bezeichnet die Kirchenordnungen des Interims
als „Pseudoadiaphora", da ihnen die Zustimmung
der Prediger und der Gemeinden fehlte.

Im folgenden beleuchtet der Verfasser die wichtigsten
Gedanken des Flacius über die kirchliche Autorität
, die Öffentlichkeit des kirchlichen Amtes und die
bindende Schlüsselgewalt. Kirchliche Autorität gibt es
für ihn immer nur im Gebrauch, nicht als eine all für
alle Mal verliehene Würde (S. 78).

Im letzten Kapitel zitiert die Studie Sätze des Flacius
vom geistlichen und weltlichen Regiment. In diesen
Sätzen nimmt der Verfasser eine Einschränkung

Gegner des neu erwachten Nationaiempiinaens, uer aie ; sc" oaizun nimmt aer verras&er eine Eiiischränkuno;

Evangelischen erst mit dem Schwerte niederschlug, um < der Auffassung Melachtbons wahr, wonach die Obrii/-

sie dann mit der vorgegebenen Einigkeit des Reiches | keit die Hüterin beider Tafeln Gottes ist

SSÄf. mi bedrücken und s'e *° ZUm NachSeben in i , . Der Kampf um das kaiserliche Interim und um das

Keligionssachen zu zwingen «. 15). ; Leipziger Interim hat, wenn auch nicht, wie der Verf

Im Interim wird der Artikel von der Rechtfertigung meint, entscheidende, so doch wesentliche Bedeutung