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Ausgabe:

1941

Spalte:

99-102

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Rosenmöller, Bernhard

Titel/Untertitel:

Religionsphilosophie 1941

Rezensent:

Siegfried, Theodor

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99

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 3/4

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^gegangene größere Deutungsarbeit von Wichel, die den
Reiter mit dem Spruch deutete: „Vorüber geht die Figur,
-die Gestalt der Welt", konnte als zu symbolisch nicht befriedigen
- H artig knüpft an die Forschungen Georg
Dehios an, der den Einfluß der altfranzösischen Plastik
auf die deutsche, insbesondere den künstlerischen Zusammenhang
zwischen den Figuren der Kathedrale von
Reims und der jüngeren Plastik des Bamberger Doms
nachgewiesen hat. Er vermutete richtig, daß die Reiferstandbilder
aus der französischen Plastik jener
Zeit vielleicht Aufschlüsse über das Bamberger Standbild
geben könnten; denn die ebenso reichhaltigen wie überraschenden
Feststellungen, die er machen konnte, gaben
ihm Recht. An den südfranzösischen Kirchen, zumal in
Poitou und in Aquitanien findet man an den Fassaden
der Gotteshäuser viele Reiterstatuen, die dem Kaiser
Konstantin gewidmet sind. Der Kaiser genoß von
•der spätrömischen Zeit bis ins Mittelalter deshalb so
große Verehrung, nicht nur weil er das Christentum zur
Staatsreligion erhoben hatte, sondern wegen der „Konstantinischen
Schenkung", wodurch angeblich der Papst
Welt-Besitz erhielt. Es ist im Rahmen dieses kurzen Berichtes
nicht möglich, die gründlichen und scharfsinnigen
Untersuchungen Hartigs ausführlich wiederzugeben über
„den Reiter aller Reiter Konstantin den Großen in
Rom", über seine die Jahrhunderte dort überragende Bedeutung
. „Das Rom jener Zeit" aber, „in dem sich Kaiser
, Papst und Volkstribun auf Konstantin berufen, hatte
zu keiner der deutschen Kirchen ein engeres Verhältnis
als zu Bamberg". Das Bistum Bamberg war damals
„exemt", d- h. es war keinem deutschen Erzbistum Untertan
sondern unmittelbar Rom: eine Bevorzugung, die
-dem Bistum Pavia einst zuteil geworden war und fünfhundert
Jahre später, einmalig sich wiederholend dem
Bistum Bamberg. Hartig führt die dadurch gegebenen
politischen und kunstpolitischen Verhältnisse im einzelnen
aus und kommt zu dem Ergebnis, daß der damals
geschaffene Bamberger Reiter niemanden anders hat darstellen
sollen als den Kaiser Konstantin. Aber von deutscher
Meisterhand geschaffen, wurde auch der hier dargestellte
Kaiser Konstantin zu einem deutschen Reiter
. Überzeugend führt Hartig schließlich aus, daß auch
das Reiterdenkmal in Magdeburg, das man lange als
Kaiser Otto I. angesprochen hat, ebenfalls als eine Darstellung
Konstantins anzusehen ist. Die sympathische
Arbeit, die Hartig bietet, gewinnt durch das reiche dokumentarische
Beweismaterial, das er in den Anmerkungen
bringt, durch die flüssige großzügige Stoffbehandlung
und durch den interessanten Bildschmuck noch besonders
an Überzeugungskraft.

Hamburg-Altona Paul Th. Hoffmann

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Rosen möll er, Bernhard: Religionsphilosophie. 2., durchges.
Aufl. Münster i. W.: Aschendorff [1939]. (VIII, 168 S.) gr. 8°.

RM 4.50 ; geb. RM 5.70.

Die religionsphilosophische Fragestellung des Breslauer
katholischen Dogmatikers weicht von der insgemein
heute üblichen — auch von derjenigen konfessioneller
Provienienz — in markanter Weise ab. Einer
Religion sbetrachtuing, die als philosophische Objekt,
Methode und Ziel der Sphäre natürlicher Erkenntnis
entnimmt, stellt sich nach Ansicht R.s vor allem die
anthropologische Frage nach der natürlichen. Hin-
ordnung des Menschen auf Gott. Die Grundthese R.s ist,
■daß der Mensch in seiner „Existenz", seinem Denken,
verantwortlichen Handeln und seinem künstlerischen Erleben
wesensnotwendig auf ein existentes „Unbedingtes"
sich richtet, wobei das Wort „unbedingt" nur die negative
Umschreibung eines absoluten Wert- und Wescnsge-
haites ist. Daß dieser grundsätzlich und wesensnotwen-
dig als personal anzusprechen ist, ist die wertere zentrale
These R.s.

Nachdem der erste Teil die Grundanschauung, daß
der menschlichen Natur eine unmittelbare Kenntnisnahme
I des Unbedingten eigne, entwickelt hat, will der zweite
Teil diese natürliche „Hinordnung" des Menschen auf
Gott gegen Einwände sichern und „metaphysisch" begründen
und ableiten. Die Analyse des religiösen Zweifels
führt den Verf. zu dem wichtigen Satz, daß dieser
Zweifel sich sinnvoHerweise lediglich auf falsche
I und entstellte Gottesvorstellungen beziehe und daher
j selber eine höchst positive religiöse Funktion habe.

An der neukantischen Religionsphilosophie zeigt R. nicht
I nur bei Windelband und Rickert, sondern besonders
| auch an Cohen die eminent personaliiistische Tendenz,
j die sich bei dem letzteren auf der biblisch-prophetischen
Basis machtvoll sogar gegen den Systemansatz Bahn
brach.

Zur „metaphysischen" Begründung seines Standpunkts
zieht Verf. vor allem jene tiefsinnige (augusti-
nische) Illuminationslehre des Bonaventura heran, der
gemäß das göttliche Licht in das Denken des Menschen
einstrahle und sich unbezweifelbar kundgebe, ohne doch
selber unmitelbar Gegenstand der Schau und Erkenntnis
zu werden. Gegen die mittelalterliche Lehre und auch
gegen ihre vielfältige Erneuerung wird aber diese „Illumination
" ausdrücklich auf das ausschließliche Gebiet
der Kenntnisnahme des Unbedingten eingeschränkt, während
z. B. Mathematik, Logik und Erfahrungswisfsen-
schaft weder solche Einstrahlung noch die Gottesidee
implizierten. Das Werk schließt mit der Herausstellung
einer Reihe präzos formulierter „Gottesbeweiise",
bei denen das Schwergewicht im Gegensatz zu ihrer
traditionellen Form auf den Akt des Denkens und auf
die Intention der Sinnentdeckung und Sinnfindung gelegt
wird — eine Wendung von äußerster Tragweite,
Nicht aus dem Bestände der Welt als solcher, sondern
aus der Sinnfrage und dem Sinnstreben des Subjekts
wird die Voraussetzung eines absoluten Sinnes entfaltet.
Die Zusammenfassung dieser Gedanken ergibt eine Wie-
deraufrichtung und Neuprägung des Begriffs der „natürlichen
Religion". Diese ist die implizite Anerkennung
des Unbedingten, die in allen geistigen Akten wesen*
notwendig mitschwingt.

Es ist der ausgesprochene Personalismus, der dem
Denken R.s Charakter und Straffheit, Bedeutsamkeit
und Gewicht verleiht. Im Blick auf die gewaltige Traditionslinie
des Idealismus neuerer und alter Zeit ist
die Frage des Verf.s von verpflichtenden Ernst. Schon
in der Sinnfrage soll die Ursetzung eines letzten Sinnes
verborgen sein. Wer dächte nicht an Paseals: wir würden
Gott nicht suchen, wenn wir ihn nicht schon gefunden
hätten? Das Denken, das dieses Gründens im
unbedingten Sinn inne wird, nennt R. „metaphysisches
Denken" und stellt es dem schlicht sachgeriebteten
entgegen. Nur für jenes Denken sollen auch die von ihm
entwickelten „Beweise" gelten. Sie entfalten in diskur-
siver Form, was in der unmittelbaren Intention des Geistes
selber gelegen ist. Mit dieser hoch bedeutsamen
Umformung der alten Beweise kommt (übrigens wie
auch bei Hegel) der ontologische Beweis zu neuer Bedeutsamkeit
: er ist die reinste Entfaltung der metaphysischen
Ursetzung, die das Leben und die Bewegung
des Geistes trägt.

Unersichtlich ist, warum unter solcher Voraussetzung die neukan-
tische Kategorie des Ursprungs nicht sehr viel positiver ausgewertet
wird. — Gefragt werden sollte, ob nicht auf der Basis der Illuminationslehre
des Bonaventura auch des letzteren sogenannter Exempla-
rismus, d. h. die Lehre, daß Gott als Urbild sich in den Wahrheiten
und Werten abbilde. Wenn der Verf. recht hat, dafl die
religiöse Intention primär nicht an die Sachinhalte gegenständlichen
Denkens, sondern reflexiv an den lebendigen Akt der Sinnent-
deckung usw. anknüpft, so fragt sich doch, ob nicht daraufhin
auch jene Sachinhalte zu Symbolen des Qöttlichcn werden, In m. E.
I nicht zulänglich unterbauter Weise behauptet R, dies für die ,,Werte",
i deren Existenz einen existenten absoluten Wert voraussetzten. Hier
| wäre eine explizite Auseinandersetzung mit Nie. Hartmanns Aus-
| Stellungen an Schelers „metaphysischer" Begründung der Werte
I wünschenswert gewesen. Zur Sache aber ist zu vermerken, daß hier