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Ausgabe:

1941

Spalte:

88-89

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Smolitsch, Igor

Titel/Untertitel:

Das altrussische Mönchtum 1941

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 3/4

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wurde. Die Pharisäer, welche in ihrem Streben durchaus
ernst genommen zu werden verdienen und nicht
in billiger Schwarz-weiß-Malerei verzeichnet werden dürfen
, haben Jesus nicht verstanden. Werden wir ihn verstehen
, das ist die Frage an den Leser, die der Autor
für seine Person zu beantworten bemüht ist.

Daß auch für den Fachmann wertvolle Einzelerkenntnisse
zu gewinnen sind, soll hier nicht näher erörtert
werden. Verwiesen sei nur auf die Ausführungen, welche
anstelle des Wortes Buße oder der ungenügenden Übersetzung
„Sinnesänderung" den Oedanken der Umkehr
betonen (S. 8 f., S. 27 f.). Diese gehaltreiche Studie ist
ein ernster Wegweiser in die gesamte Bibel und fordert
vom Leser, wenn er Nutzen haben will, daß er die zahlreichen
(in Klammern beigefügten) Bibelstellen nachliest,
damit er die begründende Darstellung verstehen kann.
Aus dem Weg in die Bibel wird somit notwendigerweise
der Anreiz zur Bibelarbeit. Für Bibelstunden, Religionsunterricht
aller Art, Aussprachen mit unsicheren Bibel-
freunden und unwissenden Bibelgegnern vermag diese
Schrift ein trefflicher Helfer zu sein, und man kann
nur wünschen, daß in dieser Reihe noch viele Hefte erscheinen
möchten, in denen strenge fachwissemschaftliche
Voraussetzungen so mit dem Willen gepaart sind, die
Bibel selbst zu Wort kommen zu lassen, anstatt aus ihr,
wie das leider heute so oft geschieht, bloß aus dem
Zusammenhang gerissene Zitate zu entnehmen, die zur
Begründung der eigenen persönlichen Ansicht oder zur
Bekämpfung der Meinung des Gegners herhalten müssen
. Fruchtbringende Bibelarbeit kann nur da getrieben
werden, wo man willens ist zu hören, was sie sagt,
und an dem alten Auslegungsgrundsatz festhält, daß
jede Einzelstelle nur aus dem Sinnganzen des Zusammenhangs
richtig verstanden werden kann. Damit wird
nicht nur dem Bedürfnis des Glaubens, sondern auch
dem vornehmsten Grundsatz aller wissenschaftlichen
Textauslegung Rechnung getragen.

Halle a. S. Erich Fascher

Hof er, Pfarrer Dr. Hans: Die Rechtfertigungsverkündigung des
Paulus nach neuerer Forschung. 37 Thesen. Gütersloh: C.
Bertelsmann '940. (VI, 105 S.) 8°. RM3-.

H. unterscheidet in der Rechtfertigung zwei Akte,
eine Anfangs- und eine Endrechtfertigung. Beide haben
forensischen und dynamischen Charakter. Bei der ersten
besteht das Dynamische darin, „daß Gott hier damit
beginnt, dem Willen des Menschen, nachdem er von der
Sündengebundenheit befreit ist, die Kraft zu schenken,
die zur Erfüllung des Willens Gottes (zu ,guten Werken
') nötig ist." 55. Als „Kraftgabe" ist die Anfangsrechtfertigung
„mehr als ein bloß forensischer Akt" 56.
„Von Gott aus gesehen ist die Rechtfertigung zugleich
Heiligung" 56 f. „Die Heiligung . . . ist die notwendige
menschlich praktische Darstellung oder Darlebung der
Rechtfertigung" 57. Während in der Anfangsrechtfer-
tigung der Glaube ohne Werke rechtfertigt, rechtfertigt
in der Endrechtfertigung der Glaube mit den Werken 63.
„Denn im Endgericht erscheint der Christus nicht als
Versöhner . . . sondern als Richter" 64. „Der Glaube ist
Kraftprinzip, Kraftanlage, die zu guten Werken sich
gleichsam entlädt" 66. Er ist Gottes Gabe. „Die
menschliche Zustimmung wirkt nicht den Glauben, sondern
stimmt seiner Entstehung nur zu" 70. Das Glaubenswerk
ist immer ein Gnadenwerk, d. h. „ein von
der Gnade ermöglichtes" 86. „Jak. 2,17 ff. stimmt-deshalb
mit der Paulinischen Rechtfertigungslehre" überein"
91. Nach der Geschichtsanschaiuung des Paulus hat „der
neue Äon (der Äon der Vollendung) mit der Auferstehung
Jesu schon begonnen, wenn auch verborgen" 91.

So berechtigt H. Betonung der positiven Beziehung
zwischen Glauben und Werken und der Bedeutung der
Christusgemeinschaft als Kraftquelle ist: die von ihm
daraus für die Rechtfertigungslehre bezogenen Folgerungen
gehen fehl. Zunächst überschätzt H. die Bedeutung
der Rechtfertigungslehre bei Paulus mit seiner Behauptung
: „Material (inhaltlich) theologisch ist Pauli Lehre
Rechtfertigungslehre" 98. Das Evangelium des Paulus
ist Christusverkündigung Rom. 1,1—4; 1. Kor. 2,2;
2. Kor. 4,5. Der Rechtfertigungsgedanke des Paulus
! ist ein Bestandteil seiner Cnristusverkündigung, setzt
I diese mithin immer voraus. An keiner Stelle beschreibt
| Paulus die Rechtfertigung als Kraftbegabung. Die Be-
i hauptung H., Christus sei im Endgericht Richter, nicht
! Versöhner, scheitert an Rom. 5, 9 (wir werden durch ihn
| vom Zorn errettet werden) und 8,33 (gegenüber der
Verurteilung tritt er für uns ein). Daß Christus zugleich
als Richter im Endgericht gedacht ist, ändert daran
nichts., sondern begründet seine Erretterbedeutung. Die
i schon von Feine (nt. Thlg., 4.—7. Aufl., 221 ff.) und
von Schrenk (Thlg. Wbch. hrsg. v. Kittel II 213) für die
j Rechtfertigungslehre in Anspruch genommenen Stellen
j Rom. 6,13. 16. 17. 20 haben mit dieser direkt garnichts
zu tun. Sie bringen Folgerungen aus der Christusge-
meinschaft (6, 3 ff.), die freilich ihrerseits auch die Rechtfertigung
zu einem Bestandteil hat. Rom. 6 macht gerade
deutlich, daß die Rechtfertigungslehre des Paulus
voll verstanden wird, nur wenn sie als Bestandteil seiner
Christusverkündigung gewürdigt wird, nicht wenn
man in ihr das Ganze der Lehre des Paulus sucht. Daß
der neue Äon mit der Auferstehung Jesu schon verborgen
begonnen habe, sagt Paulus nie, nur daß einzelne Güter
des neuen Äon wie die Auf erweckung Kol. 2, 12; 3,1
mit Christus schon da sind. Der neue Äon bleibt zukünftig
vgl. Michaelis, Theolog. Blätter 1913, 113 ff.

Rostock Fr. B ü c Ii s e 1

KIRCHENGESCHICHTE: DIE OSTKIRCHE

Smolitsch, Igor: Das altrussische Mönchtum (11.-16. Jahrh.)

Gestalter und Gestalten. Würzburg: Rita-Verlag 1940. (86 S., 1 Kte.)
8° = Das östliche Christentum. Abh. z. Stud. d. Ostkirche. Hrsg.
v. Prof. D. Dr. Georg Wunderle. H. 11. RM 3.50.

Der Vf., der vor wenigen Jahren ein schönes Buch
über „Leben und Lehre der Starzen" veröffentlicht und
damit einen guten Beitrag zur Geschichte des russischen
| Klosterwesens und seiner kennzeichnenden Frömmigkeit
geliefert hat, beschäftigt sich in seiner neuen Arbeit
wieder mit dem Mönchtum als einem der wesentlichsten
. Faktoren der russischen Kirchengeschiichte.

Diese Arbeit stellt eine Zusammenfassung der reichhaltigen
russischen Forschung auf dem Gebiete der
Geschichte des älteren russischen Mönchtums dar und
kann als guter Forschungsbericht angesehen werden.
Eingehende eigene Studien befähigen den Vf. ein umfassendes
und bis ins Einzelne genaues Bild von der
Entwicklung des altrussischen Mönchtums zu entwerfen,
wie sie durch seine großen Gestalten vorgezeichnet worden
ist.

Im Anschluß an Stratonov vertritt der Vf. die Ansicht
, daß das Mönchtum in Südrußland seinen Anfang
von der großen Mönehsemigraüon während des byzantinischen
Blilderstreits genommen hat. Für die eigene
Entwicklung des altrussischen Mönchtums in der Kiever
Zeit schließt er sich den Auffassungen von Priselkov',
Sachmatov, Goetz u. a. an. Wie jeder großrussische Historiker
sieht auch der Vf. die direkte Fortsetzung der
Kiever Periode in der Zeit der Teiilfürstentümer und des
Moskauer Staates. Die Arbeit wird von ihm daher
vom 11.—16. Jahrh. fortgeführt. Im Einzelnen wird die

i Begründung und Einrichtung des Kiever Höhlenklosters
behandelt. Der Vf. kommt dabei zum Ergebnis, daß
für die Kiever Mönche die Regel vom Studion maßgebendes
Vorbild war. Neben den großen Feodosij
Pecerskii werden im weiteren Verlauf die Gestalten
eines Avraamij von Smolensk und des berühmten Pre-

I digers und „Philosophen" Kirill von Turov gestellt.
Die Schilderung bleibt nicht beim innerklösterlichen Leben
stehen und geht auch auf die nationale und kul-
terelle Bedeutung des russischen Mönchtums ein. Aus