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Ausgabe:

1941

Spalte:

86-87

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schniewind, Julius

Titel/Untertitel:

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn 1941

Rezensent:

Fascher, Erich

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Kreisen nahestehende Quelle unserem Evangelisten vorgelegen
hat" (S. 45) wird im zweiten Abschnitt des
Buches gemacht. Dieser Teil ist leider aber auch das
schwächste Stück des Buches. Sch. ist sich zwar dessen
bewußt, daß er sich auf unsicherem Boden bewegt (so j
arbeitet er oft mit Vorbehalten: „vermutlich alte Stük- i
ke . . ." S. 64, „von Bedeutung sein können . . ." S. 64, I
„der sonst wohl nicht zu konstatierende Zug . . ." S. 45, |
„eine unbedingte Sicherheit werden wir nicht erlan- i
gen . . ." S. 64). Er hat auch eingesehen, daß einer
solchen Arbeit, wie er sie unternimmt, eine Scheidung
der verschiedenen in den mand. Schriften vorliegenden I
Schichten vorangehen muß: S. 61, 62, 64, aber leider
hat er die Konsequenzen daraus nicht gezogen, denn
Seine Untersuchungen S. 64—80 sind eben nur das Zu-
geständnis einer solchen Notwendigkeit, mehr aber auch
nicht. Das ist (abgesehen von den zuweilen fühlbaren
Grenzen des Vf. — Sch. spricht selbst von „mangelnden l
sprachlichen und rel .gesell. Kenntnissen" S. 64) der |
Grundfehler im Ansatz, des Buches. — Lietzmann wies
seinerzeit nach, daß die Hauptbelcge für die damals be- J
hauptete Abhängigkeit des Joh.-Ev. vom Mandäertum
und Job. d. Täufer jüngeren Schichten des mandäischen
Schrifttums angehören." Damit war methodisch die unbedingte
Notwendigkeit gegeben, jetzt erst einmal eine
saübere Scheidung der verschiedenen Schichten vor zu-
nehmen, ehe an eine weitere Untersuchung des Verhältnisses
von Christentum und Mandäertum zu denken war
(vgl. dazu Schlier a.a.O. S. 91 f. und Bultmamn, ThLZ.
1931 Sp. 577 ff.). Diese philologisch-historisch einwandfreie
Schichtenscheidung (unter Berücksichtigung der
Bleitafeln und Tonschalen) läßt aber heute noch auf sich
warten. Bis dahin sind die Ergebnisse aller solcher
Untersuchungen wie der hier besprochenen zu einer gewissen
Fragwürdigkeit verurteilt und ist eine weitere Debatte
nicht möglich.

Unter dieses Urteil fallen sowohl Schweizer wie
Pcrcy trotz des Wertes ihrer einzelnen Untersuchungen.
Besonders interessant ist bei Schw. der dritte Teil, der
der Frage nach den Quellen des Joh.-Ev. gewidmet ist.
Er stellf die von der Forschung bisher festgestellten joh.
Stileigentümliehkeiten unter Untersuchung von rund 500
Stellen statistisch zusammen (S. 88 ff. und Tabelle im
Anhang) und kommt auch von da her zu dem Ergebnis,
„daß keine dieser Scheidungen stilistisch zu begründen
ist, ja daß die Stileigentümliehkeiten bestimmt dagegen
sprechen" (S. 105). Eine üattungsuntersuchung der joh.
Bildreden (Schw. geht dabei von Jülicher aus, der mit
seinen Ergebnissen allerdings kaum einverstanden sein
dürfte) und eine Exegese (von Joh. 10,6,15 und 4)
schließen Sch.s Arbeit ab. _

Percy geht anders vor. Nach einer kurzen Übersicht
über den Stand der Probleme und einer zusammengefaßten
Darstellung der mandäischen Religion gliedert er seine
Untersuchung in drei Teile: der Dualismus, der Erlöser
, die Erlösung. Den Dualismus in den mand. und
anderen gnostischen Schriften sowie im Joh.-Ev. bespricht
er unter den Kategorien „Licht und Finsternis", .
„Wahrheit und Lüge", „Die beiden Welten und die beiden
Menschenklassen". Dabei kommt er jedes Mal zu
dem Ergebnis, daß eine Abhängigkeit der joh. Vorstellungen
von der mandäischen Gedankenwelt (auch von der
sonstigen gnostischen), ja selbst eine Beziehung zwischen ;
beiden nicht besteht (S. 52, 64, 65, 66, 70, 73, 121, 122,
136f., 139, 140). „Der Gegensatz zwischen der christlichen
Heilsoffenbarung und dem, was ihr fremd ist"
(S. 75) hat den joh. „Dualismus" geschaffen, „die Erscheinung
Jesu und ihre sondernde und umschaffende
Wirkung auf die Menschen, wie sie vom Verfasser selbst
erlebt worden ist" (S.140, vgl. S. 74 f., 124, 136, 139).
Auch im zweiten Teil seines Buches, „der Erlöser" wendet
sicli P. nachdrücklich gegen eine Herleitung der joh.
Vorstellungen vom Mandäertum (S. 201, 202, 203 ff.,
209, 213, 219, 221, 2271 u. ö.). Ja, er sucht darüber
hinaus (S. 237—287) den Gnostizismus als eine „inter-

pretatio graeca des urchristlichen Erlösungsglaubens"
(S. 292) und das Mandäertum als „eine verhältnismäßig
späte Bildung in der Geschichte des Gnostizismus"
(S. 299) nachzuweisen, so daß die Frage der Abhängigkeit
geradezu umgekehrt wird (vgl. S. 341 ff.).

Percy kommt somit zu den Resultaten Sch.s völlig
entgegengesetzten Ergebnissen. Er arbeitet dabei auf
einer sichereren sprachlichen Grundlage als dieser. Seine
Darstellung der mandäischen Religion ist ausgezeichnet
(wichtig z. B. seine Untersuchungen zu einzelnen mandäischen
Begriffen). Trotz allem ist gegen seine Darstellung
dasselbe zu sagen wie seinerzeit gegen J. Krolls
Lehren des Hermes Trismegistos, daß nämlich durch
das Übersehen der notwendigen Schichtenscheidung der
Wert der an sich vorzüglichen systematischen Darstellung
stark beeinträchtigt wird. Ja, hier muß das Urteil
noch weiter gehen: der eigentliche Vorsatz P.s ist mit
seiner Methode nicht zu erreichen, denn ohne eine vorherige
Schichtenscheidung (Ansätze dazu bei P. vgl. S.
45, 19 f.) läßt sich die Abhängigkeitsfrage von Joh.-Ev.
und Mandäertum nicht lösen.

Berlin Kurl Aland

Sehn ie wind, Julius: Das Gleichnis vom verlorenen Sohn.

Eine Auslegung von Lukas Kap. 15. Güttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1940. (43 S.) gr. 8° = Wege in die Bibel, hrsg. v. Volkmar
Herntrich, H. 2. 1.60.

Die vorliegende Schrift enthält mehr als ihr Titel
verheißt: Eine Auslegung des ganzen Kapitels Lk. 15.

Den Grundsatz seiner Auslegung hat der Verfasser auf Seite 30
angedeutet, wo er schreibt: „Wir haben unsere Gleichnisse, im ganzen
wie in allem einzelnen, aus der Gesamtheit des Werkes und Wortes
Jesu verstanden." Daß damit aber nicht bloß der geschichtliche
Jesus im üblichen historisch-kritischen Sinne gemeint ist
ergibt die auf Seite 31 unten ausgesprochene Bemerkung: „Jesus verkündet
in unserm Gleichnis Gottes Vergebung, weil in ihm selbst,
in seinem Tun und Wort, diese Vergebung Ereignis wird und zu
I uns kommt". Unsere Gleichnisse werden somit aus einem Gesamtverständnis
der Evangelien gedeutet, welche als Glaubenszeugnisse
gelesen werden wollen. Als solche sind sie aber sehr stark mit
dem alten Testament verknüpft, zu welchem der Verfasser eine ganze
Fülle von Verbindung«!initn zu ziehen weiß. (Z. B. Hes. 34 auf
S. 7; Spr. Sal. auf S. 18 und 19; Jer. 31,10 und Jes. 54,7 auf
S. 24). Eine Gefahr, daß Jesu Einzigartigkeit dadurch leiden könnte,
besteht jedoch nicht. .Jesus Christus ist nicht der Bringer großer
neuer Gedanken über Gott, sondern er ist die Gegenwart Gottes
selbst" (S. 33).

Daraus geht hervor, daß der Verfasser zwar aus
einem Wissen um den Stand der modernen Evangelienforschung
, vornehmlich der formgeschichtlichen Methode
schreibt, daß er aber nun nicht echte Quellcnschichten
. von unechten zu scheiden unternimmt, ebensowenig die
Person Jesu in eine Konstruktion der Urgemeiude auflöst
, sondern so, daß er hinter allen Schichten der
Evangelien die Macht einer Person am Werke sieht,
die dahinter steht. Er vermeidet ebenso den Fehler
der vergangenen historischen Kritik, ein durch QueV
lenanalyse erarbeitetes Wunschbild mit dem geschichtlichen
Jesus gleichzusetzen, wie er andererseits der Gefahr
der radikalen Formgeschichte zu entgehen weiß,
die konkrete Gestalt Jesu in eine Konstruktion der
Urgemeiude zu verflüchtigen. Infolge dieser Einstellung
, Welche einen erfreulichen Fortschritt bedeutet,
kann er auch diese Gleichnisse Jesu nicht unter Absehung
seiner Person deuten und (wie noch Adolf Jü-
Hcher) meinen, im Gleichnis vom verlorenen Sohn habe
Jesus einen direkten Weg zu Gott zeigen wollen. Alle
Gleichnisse Jesu sind nur aus seiner einzigartigen Lage
zu verstehen. Indem sie in unserm Falle den suchenden
Gott preisen, der sich über die Umkehr des Verlorenen
freut, reden sie zugleich von Christi Tat. Zeiitgesehicht-
Clich betrachtet sind sie an die Pharasäer gerichtet,
welche mit allem Ernst den Weg Gottes gehen möchten
und sich an Jesu Sünderliebe stoßen. Aber Jesus kann
Freude predigen, weil er die Vollmacht zur Sündenvergebung
mitbringt. Hier liegt, geschichtlich betrachtet,
der Anstoß, um dessen willen Jesus ans Kreuz gebracht