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Ausgabe:

1941

Spalte:

84-86

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schweizer, Eduard

Titel/Untertitel:

Ego eimi 1941

Rezensent:

Aland, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 3/4

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sich für oder wider den Cbristusglauben entscheiden.
An dieser Entscheidung hängt schließlich die Art und
das Ergebnis der Forschung. Ich kann dem Verf. hierin
nicht folgen. Ich glaube nämlich, daß die Kritik
der Wrede-Bultmann'sehen Auffassung sich ebenso gut
vom rein geschichtlichen Gesichtspunkt aus ergeben kann
als vom gläubigen. Büchsei sagt einmal von Wrede:
„Im Grunde war W. nur Kritiker, nicht Historiker."
Das ist eine sehr treffende Bemerkung, die auch auf
Bultmann zutrifft. Der echte geschichtliche Sinn kann
etwas von dem messianischen Charakter Jesu vernehmen
und deshalb die Eigenart der synopt. Überlieferung
verstehen und beurteilen. Von „Vorurteilslosigkeit" der
Evangelienforscbung spricht kein verständiger Mensch
mehr. Aber wohl darf man festhalten, daß die nötigen
„Vorurteile" schon im Bereiche der historischen Einfühlung
und Nachempfindung liegen. Das ist es ja,
was die Theologie mit der Wissenschaft überhaupt verbindet
. Oder will Büchsei den Begriff einer „Glaubenswissenschaft
" aufrichten? Dach wohl nicht. Da sollte
man aber nicht in der Evangeliienfoirsehung einen Glaubenskampf
ankündigen, sondern Andersdenkende mit
Sanftmut tragen und ertragen, sintemal man viel von
ihnen gelernt hat. Wie fruchtbar ist doch Wredesi
bohrende und zugleich konstruktive Kritik für die Evangelienforschung
gewesen! Und Bultmanns Geschichte
der synopt. Tradition, — wer wünschte sie umgeschrieben
, auch' beim schärfsten Widerspruch? — Sonst begrüßt
man aber lebhaft, daß nun mal eine Generalaus-
einandersetzung mit der Formgeschichte unternommen
wird. Seit zwanzig Jahren herrscht sie jetzt in der synoptischen
Forschung und hat diese ganz durchsäuert,
in Deutschland wie in Amerika, in England wie in
Skandinavien. Welche Ergebnisse haben sich da bleibend
bewährt? Wo starren uns noch immer quälende Probleme
an? Büchsel hat uns dazu allerlei Interessantes
und Richtiges zu sagen, und man muß nur bedauern,
daß er nicht alle seine Kräfte auf diese Aufgabe eingesetzt
hat, statt Wredes Schatten heraufzubeschwören.

Hat die Formgeschichte (FG) einen wesentlichen
Fortschritt in der Evangelienforschumg erzeugt? Büchsei
scheint das zu leugnen. Wenn ich ihn richtig verstehe
, meint er, die FG hat unsern Blick für die Prci-
bleme in hohem Maße geschärft, ohne jedoch diese
Probleme irgendwie ihrer Lösung näher geführt zu haben
. Darin wird er wohl recht behalten. Das große Verdienst
der FG ist es, den Blick von der Literarkritik
auf die lebendige mündliche Traditionsbildung und damit
auf „die kleinen Einheiten" gelenkt zu haben. Aber
da tauchen nun sofort neue Fragen auf, die mit der
Tradition sbildung zusammenhängen. Vor allen Dingen:
In welchem Maße spiegelt noch die Überlieferung die
Person und Lehre des wirklichen geschichtlichen Jesus?
Von formgesehichtlieher Seite wird gern betont, daß
diese Frage eigentlich von der Methode nicht berührt
wird; die FG will nur die soziologischen Bedingungen
und Triebkräfte der Traditionsbildung untersuchen und
darstellen; die Frage nach der geschichtlichen Urwirk-
lichkeit ist eine Frage für sich. Aber tatsächlich macht
sich z. B. bei Bultmann die „Echtheitsfrage" andauernd
bemerkt. Ich muß auch Büchsei zustimmen, wenn er
betont, daß die „Gattungsanalyse" wenig Wert hat
für die Frage der Ursprünglichkeit. Jesus hat eben die
verschiedensten „Gattungen" aktualisiert, sie spiegeln
alle die Urtatsache. Die nächste Analogie zur synopt.
Traditionsbildung ist doch die jüdische Rabbinentradi-
tion, — darin hat Büchsel ganz Recht. Man wollte eben
die Taten und Worte des "Meisters festhalten. Das bedeutet
ja doch lange nicht, daß man zu der unmöglichen
alten Anschauung von „Petrus-Memoiren" oder dgl. zurückkehrte
. Dorthin kommen wir nie wieder. Ferner
ist der Glaube an den Geschichtsabriß des Markusevangeliums
unwiederbringlich dahin. Das sind negative Resultate
der FG. Als positives Ergebnis ist anzusprechen
der geschärfte Sinn für die „Form". Das bedeutelt

! ja eigentlich nur, daß man die Jesustradition von ihren
eigenen, besonderen Voraussetzungen aus betrachtet und
deutet. Also eine wissenschaftlich elementare Forderung
; an die Forschung. Aber wie weit war für die Theologie
nicht der Weg hin zu dieser elementaren Einsicht! Der
Verdienst der Formgeschichtier als Führer auf diesem
: Wege kann nicht geschmälert werden.

Die großen literargeschichtlicben und tradiitionsge-
[ schichtlichen Probleme bleiben aber bestehen. Büchsei
i sucht deren einige zu beleuchten, z. B. das Messiasge-
! heimnis bei Markus. Er sagt da vielfach Erwägenswertes
, das aber in solch andeutender Kürze geboten
wird, daß ich mir versagen muß, näher darauf einzugehen
.

Jedenfalls hat diese kleine Schrift das Verdienst,
auf die methodologisch problematische Lage der Synoptikerforschung
kräftig hinzuweisen. Daß die johan-

| neische Forschung nicht minder problematisch situiert
ist, weiß und empfindet jeder. Aus dieser Lage kommen
wir aber nicht hinaus durch die restlose Überwindung

I des „Historiziismus" durch „die Lösung der historischen

j Frage der Theologie im Rahmen der Gesaiinttheologie".

j Die so gewonnene Sicherung des Jesusbildes würde
sich bald als für die Theologie tödlich erweisen. Und
für die Bibelforschung wäre es verhängnisvoll, den Boden
der allgemeinen Geschichtswissenschaft zu verlassen.

Uppsala Anton Fridrichsen

j Schweizer, Eduard: Ego Eimi ... Die religionsgeschichtliche Herkunft
und theologische Bedeutung der johanneischen Bildreden, zugleich
ein Beitrag zur Quellenfrage des vierten Evangeliums. Göttin-

I gen: Vandenhoeck u. Ruprecht 1939. (180 S.) gr. 8°. RM 11.50.

I Percy, Ernst: Untersuchungen über den Ursprung der johanneischen
Theologie. Zugleich ein Beitrag zur Frage nach der
Entstehung des Gnostizismus. Lund : Gleerupska Universitetsbokhan-

| dein 1939. (XX, 370 S.) gr. 8°.

Mit dem bekannten Aufsatz H. Lietznianns in den
Sitzungsberichten der Berliner Akademie im Jahre 1930
fand die ebenso umfangreiche wie heftige Debatte der
Mandäerfrage zunächst ein plötzliches Ende. Nach einer
Pause der Verblüffung hat aber, angefangen mit dem Bericht
Schliers in der Theol. Rundschau (NF 5, 1933,
S. 1—34, 69—92) die Erörterung allmählich wieder begonnen
, in der neben dem leider noch nicht vollendeten
j Bultmannsehen Kommentar zum Joh.-Ev. die beiden vorliegenden
Bücher zwei wichtige Erscheinungen bedeuten
(Bedauerlicherweise erscheint diese Besprechung sehr
spät — durch Kriegsdienst und Lazarettzeit des Rez.
verursacht — und muß deshalb ziemlich summarisch verfahren
, zumal inzwischen verschiedene Rezensionen erschienen
sind).

Schweizer geht aus von der Herkunft der ego eimi-
Formel, wobei er die Voraussetzung zugrundelegt, daß
„das Ich bin-Wort der Bildrede gegenüber logisch primär"
ist (S. 9). Unter Benutzung bisheriger Ergebnisse legt
er eine Materialsammlung von 181 Textstellen zugrunde,
angefangen bei den indischen Texten bis hin zu Goethe,
I Nietzsche und einem Missionsvortrag aus dem Jahre
[ 1937 und stellt dabei fest, daß „eine Beschränkung des
Ich-Stiles auf den semitisch-orientalischen Kreis nicht zulässig
ist, sondern daß dieser mehr oder weniger ausgeprägt
in allen möglichen Völkern und Zeiten selbständig
wachsen kann" (S. 21). Für die LXX, deren mehrere
Hundert hier in Frage kommenden Stellen er nachgeprüft
hat, ist ego eimi keine dem sakralen Gebrauch
vorbehaltene Formel. Auch das rabbinische Material gibt
nur scheinbare Parallelen, so daß Schw. immer wieder
zu der Feststellung kommt, daß die joh. Termini „ihre
nächsten Parallelen in den mand. Quellen haben" (S. 38,
vgl. S. 40, 44f.). „Ja, es zeigt sich . . ., daß sogar diese
Verwandtschaft bis in kleine stilistische Eigentümlichkeiten
hinein zu verfolgen ist" (S. 45).

Der Versuch nachzuweisen, daß „eine Urform dieser
Schriften, eine beiden gemeinsame oder auch nur jenen