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Ausgabe:

1941

Spalte:

52

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Schiffmann, Käte

Titel/Untertitel:

Lagardes Kulturanschauung 1941

Rezensent:

Buehler, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1Q41 Nr. 1/2

52

der, Wilhelm von Humboldt, Altenstein lassen, die Reichweite
dieser durch ihre treffenden und feinsinnigen Bemerkungen
immer wieder erfreuenden Arbeit erkennen.
Auch die Ausführungen über des Nicolovius Bemühungen
um die Einführung der Pestalozzi-Schulreform, über
Schleiermachers Kirchenverfassungsplan von 1808, über
die Einsetzung der geistlichen Examens-Kommission von
1809, über die Einführung des Generalsuperintendentenamtes
, über den Kampf um Agende und Synode, über
den Sieg der monarchischen Staatskirche auch In der
Kirchenordnung für das Rheinland und Westfalen 1833
lesen sich keineswegs trocken. Die Abschnitte „Die religiöse
Situation zur Zeit der Begegnung von Nicolovius
mit Jakobi", „Die Kultur und die Menschen Emken-
dorfs", „Die geistige Welt Königsbergs", „Das Jahr
1806, Epoche für den Osten", „Erhebung und Restauration
", „Die Neuordnung der Behörden 1807/1808",
„Kirche und Staat im 18. Jahrhundert" lassen, so knapp
sie gehalten sind, immer wieder erkennen, daß der Verfasser
über seinem Stoffe steht und ihn völlig beherrscht.
München-Solln Johannes B ii h 1 e r

Pestalozzis sämtliche Werke. Hrsg. von A. Buchenau, Ed. Spranger,
H. Stettbacher. 7. Band: Die Kinderlehre der Wohnstube. Christoph
und Else. Bearb. von Emanuel Dejung und Walter Nigg. Berlin.
W. de Oruyter & Co. 1940. (IV, 588 S.) gr. 8°. RM 27.50 ; Lw. 30-:
12. Band: Schriften aus der Zeit von 1797- 1799. Bearb. von Herbert
Schönebaum, Alfred Rufer und Emanuel Dejung. Ebd. 1938.
(860 S.) gr. 8°. RM 40— ; Lw. 42.50.

Der jetzt vorliegende 12. Band ist der bisher ausführlichste
der sämtlichen Werke; er enthält 505 Seiten
Text und 355 Seiten sorgfältigst ausgeführte Textkritik
, Sach- und Worterklärung. In den letzten Jahren hat
sich die weitere Herausgabe der Werke Pestalozzis verlangsamt
; aber erfreulicherweise hat sieh 1938 in einem
neuen, sehr bedeutsamen Bande eine Fortsetzung gefunden
. Und sehr schnell ist ihm 1940 der bisher noch ausstehende
7. Band gefolgt. Die in ihm enthaltenen Pestalozzischien
Schriften sind in der in anderen Ausgaben
bereits bekannten Form wiedergegeben, nur nach den
Handschriften etwas vervollständigt. Text und Anhang
sind in sorgfältig-kritischer Form dargeboten und bearbeitet
. (Text: S. 1—451; Anhänge: S. 451—588).

Der 12. Band greift über den bereits erschienenen
13. und 16. Band, die die Schriften aus den Jahren
1799—1801, bezw. 1803—1804 enthielten, zurück auf
die Jahre 1797—1799. Zunächst wird Pestalozzis bedeutendstes
philosophisches Werk: „Meine Nachforschungen
über den Gang der Natur in der Entwicklung
des Menschengeschlechtes" dargeboten (S. 1—166).
Den Pestalozziforscher und -freund werden vor allem
die dann folgenden, erstmalig herausgegebenen „Entwürfe
zu den Nachforschungen", die bisher nur handschriftlich
vorlagen, und die Fragmente zu einem 2. Teil
dieses Buches: „Über Barbarei und Kultur" interessieren,
vom denen man bisher nichts wußte (S. 167—261). Es
folgen schließlich die zahlreichen kurzen Schriften aus
dem Revolutionsjahre 1798: An mein Vaterland; zur
Verfassungsfrage; Zuruf an die vormals demokratischen
Kantone; Wach auf, Volk! Über den Zehnten; An Helve-
tiens Volk; Ein Wort an die gesetzgebenden Räte; Revolutionsskizzen
; Über Unterwaldens Schicksal u. a. Wir
sehen hier, wie sehr Pestalozzi von den geschichtlichen
Ereignissen bewegt wurde, wie sehr er auf sie einzuwirken
suchte, wie sehr er nicht nur zur Sache, sondern
auch zur Lage gesprochen hat, jedoch stets aus der
Sache, aus seiner Grundeinstellung heraus.

Für den Theologen werden, neben dem pädagogisch-
phrlosophisehen Gehalt, die überall dazwischen gestreuten
Ausführungen über Religion und Christentum, wie
Seite 38 ff., 151, 153 ff., 1821, 188, 251 u. a. wichtig
sein. Aus dem Namenregister ist zu ersehen, daß „Jesus
Christus" über fünfzigmal in den verschiedensten
Schriften vorkommt! Man merkt es den Pestalozzischen
Schriften an, daß alles mit dem Herzen, ja mit Herzblut
geschrieben ist, wie es in der „Revision" heißt:
„Leser, diese Bogen sind nicht das Werk einer Stunde;,
sie sind das Werk meines Lebens". Und wenn Pestalozzi
j damals darüber klagt, daß seine Zeit nicht dazu angetan
j sei, ihn „leidenschaftslos und unparteiisch" zu beurteilen
, so ist dies die Pflicht der Nachgeborenen. Es gebührt
auch bei diesen Bänden den Herausgebern der
j Dank dafür, daß sie damit dem Forscher wieder ein vor-
j zügliches wissenschaftliches Hilfsmittel dazu geboten
haben.

Dortmund H. W er der m an u

Schiffmann, Käte: Lagardes Kulturanschauung. Münster,
1 Westf.: Franz Coppenrath 1938. (VIII, 58 S.) gr. 8" = Münstersche
Beitr. z. Geschichtsforschung. Hrsg. v. Anton Eitel. III. Folge XIX.
[ Heft. RM 2.80.

Weitaus der größte Teil der Arbeit ist der Darstel-
| lung von Lagardes Kulturanscbauung gewidmet. Da,
i wie die Verfasserin betont, Lagarde sprunghaft und un-
j systematisch ist, und er „seine Kulturanschauung nicht
J in einen scharf umrissenen Begriff gefaßt hat", war es
j „nicht leicht, sie aus seinen Gedankengängen herauszulösen
". Diese Aufgabe ist gut gelöst, insbesondere treten
Lagardes Auffassungen vom Wesen der Kultur, von
den Kulturmitteln, seine Stellung zum Individuum, zur
(ieineinsehaft, zum Volke, dem deutschen Volke, zum
Staat, zur Religio'n im allgemeinen und zum Katholizismus
und Protestantismus, zu Kunst, Wissenschaft und
i zur Rassentheorie klar hervor. In seiner Kulturkritik
und seinen kulturellen Forderungen, namentlich für die
Erziehung, wird Lagarde richtig in erster Linie als
Ethiker gewertet. Kritische Bemerkungen zu den Gedankengängen
Lagardes fehlen zwar nicht, doch bietet die
' Arbeit nicht eigentlich eine Auseinandersetzung mit Lagarde
; sehr kurz und summarisch ist das einleitende Kapitel
, der „Überblick über die deutschen Kulturanscliau-
ungen am Anfang des 19. Jahrhunderts".
München-Solln Johannes Bühl er

H o 1 m q u i s t, Hjalmar ogNorregaard, Jens: Kristendommens
Historie i Romantikens, Liberalismens og Realismens Tid-
salder. Kopenhagen: J. H. Schultz 1939. (Bd. 1: 284 S. Bd. II:
368 S., zahlr. Abb. auf Taf.) gr. 8°.
Dieses Werk war ursprünglich als Bearbeitung des
3. Bandes von Holmquists Kirchengeschichte gedacht,
i Aber „die Arbeit an diesem Stoff, mit dem ich mich
i viele Jahre beschäftigt habe, fesselte mich so sehr,
I daß das Manuskript bald den Rahmen eines Lehrbuches
für Studenten sprengte", schreibt Jens Norregaard im
Vorwort. So hat er ein bei aller Benutzung von Holm-
i quist doch selbständiges Werk geschaffen.

Der 1. Band behandelt die Zeit von 1800 bis 1870,
der 2. die des „Realismus" von 1870—1914). Jedesmal
! ist der erste Teil den evangelischen Landeskirchen
[ Deutschlands gewidmet; dann wird der Anglikanismus
j und das englische Freikirchenwesen besprochen; darauf
; kommen die Hauptländer des reformierten Christentums
an die Reihe: Schottland, die Schweiz, Frankreich und
die Niederlande. Den evangelischen Kirchen in Österreich
, Italien und Spanien sind naturgemäß nur klei-
! nere Abschnitte des Werkes vorbehalten, während den
evangelischen Denominationen in den Vereinigten Staa-
■ ten und der römisch-katholischen Kirche ein recht an-
I sehnlicher Raum vergönnt ist. Im 2. Band kommt noch
ein Abschnitt über die orthodoxen Kirchen von 1800
bis 1914 hinzu sowie zwei kürzere Kapitel über die
Kirche in den Missionsländern und über Ökumenisches
Christentum. Die nordischen Länder erscheinen also
in diesem Werk nicht.

Die beiden Bände sind nicht blo ßfür nordische
Theologiestudenten gedacht, sondern für weitere Kreise
bestimmt. Anmerkungen und Belege im Text sind darum
! fortgefallen; dagegen enthält der 2. Band eine Angabe
wichtiger Literatur sowie ein Personen- und Bild-
register. Um dem Leser nämlich die für die Kirchen-