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Ausgabe:

1941

Spalte:

47-50

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schellhass, Karl

Titel/Untertitel:

Der Dominikaner Felician Ninguarda und die Gegenreformation 1941

Rezensent:

Dedic, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 1/2

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chenregiment mancherlei Widerstände leisteten. Die sitt- j
liehen Zustände werden in den Romberiehten nur ver- !
einzelt deutlicher erkennbar, meist sind diese Angaben
ziemlich allgemein gehalten. Klagen über die Auswir- |
kungen des Krieges auf das kirchliche Leben, gelegent- ;
lieh auch auf andere Lebensgebiete kehren immer wieder, j
Alles in allem ist die Schrift ein wichtiger Beitrag zur |
inneren Geschichte Deutschlands während des Dreißigjährigen
Krieges von quellenmäßigem Charakter.
München-Solln Johannes Bühl er

Sc he 11 haß, Karl: Der Dominikaner Felician Ninguarda und
die Gegenreformation in Süddeutschland und Österreich 1560 bis
1583. Hrsg. durch die Kommission zur Förderung geschichtl. Forschungen
über die Zeit der Reformation und Gegenreformation. Bd. 1. (XII, j
355 S.) Bd. II. (XII, 395 S.) 4°. Rom: W. Regenberg 1930 u. 1939. |
= Bibliothek d. Dtsch. Hist. Inst, in Rom. Bd. XVII u. XVIII.

RM25- u. 20-.

In den beiden mit Unterstützung der Kommission zur
Förderung geschichtlicher Forschungen über die Zeit
der Reformation und Gegenreformation veröffentlichten
stattlichen Bänden legt Scbellhass die reifen Früchte
jahrzehntelanger archivalischer Forschungen vor, nachdem
er Teilergebnisse schon in einigen Vorstudien verwertet
hatte. Seine Absicht, den von ihm herausgegebenen
Nuntiaturberichten des Grafen Bartholomäus von
Portia als Fortsetzung die Ninguardas folgen zu lassen,
machte der Weltkrieg und die wirtschaftliche Enge der
Nachkriegsjahre zunichte, sodaß sieh der Verf. entschloß
, zum ersten Male Nuntiaturberichte, wie er im
Vorwort zum 2. Bande sagt, „in einer gemischten Form
zwischen Aktenveröffentlichung und eigentlicher Geschichtsschreibung
" zu behandeln. Dieser Versuch ist
dank des Autors reicher und gründlicher Quellenkenntnis,
der ihm eigenen Gestaltungskraft, aber auch dem unermüdlichen
Fleiß eines ganzen Gelehrtenlebens — den
2. Band hat Sch. fünfzig Jahre nach dem Beginn seiner
Forschungen im Archiv und der Bibliothek des Vatikans
der Öffentlichkeit übergeben! — voll und ganz gelungen
.

Wiewohl durch die Beihilfe des früheren preußischen
und jetzigen deutschen histor. Instituts in Rom, des
Reiehswissenscbaftsministeriums und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
die beiden vorliegenden Bände —
der dritte, abschließende steht noch aus — in so stattlichem
Umfange erscheinen konnten, nötigte die Größe
des Stoffes, besonders die erstaunliche Fülle von Einzelheiten
, den Verf. zu einer straffen Zusammenfassung,
manchmal schier zu einer Zusammendrängung in der
Darstellung. Vorwegnehmend sei bemerkt, daß das vorliegende
Werk von Sch. weit über seiinen kirchenge-
schichtlichen Rahmen hinaus auch einen sehr wertvollen
Beitrag zur politischen, Kultur- und Sittengeschichte
in der Zeit der beginnenden Gegenreformation in den
österreichischen und süddeutschen Ländern bedeutet.
Wer sich aber künftig mit den religiösen und kirchlichen
Verhältnissen jener Epoche in den genannten Ländern
ernstlich beschäftigen will, wird an der Arbeit von
Sch. nicht vorbeigehen dürfen. Bietet sie doch mit der
Verwertung der im vatikanischen Archiv liegenden Quellen
eine überaus glückliche Ergänzung zu den Darstellungen
, die sich bisher ausschließlich oder doch vorwiegend
auf die Akten der Staats-, Landes- und städtischen
Archive gestützt hatten. Aus der Berücksichtigung Beider
läßt sich jetzt ein rechter Einblick in die z. T.
recht schwierigen und verwickelten Fragen gewinnen.

Der 1. Band beschäftigt sich mit der Tätigkeit Ninguardas
als apostolischer Kommissar. Die Zustände
in den Dominikanerklöstern der Alpenländer, vor allem
aber die Abneigung des Kaisers Ferdinand I. und des
Kronprinzen Maximilian gegen die in jenen befindlichen
welschen „Frati", deren Ausweisung bevorzustehen
schien, veranlaßten den General des Predigerordens 1554
den aus dem damals zu Graubünden gehörigen Velt-
lin gebürtigen 32 jährigen Dominikaner und Doktor der

Theologie Felician Ninguarda in Begleitung eines Ordensbruders
nach Wien abzuschicken. Bei Hofe vertrat
er erfolgreich die Interessen seines Ordens, vor allem
gelang ihm die Loslösung der .in Österreich, Steiermark
und Kärnten befindlichen Konvente von der oberdeutschen
Ordensprovinz und ihre Eingliederung in die
böhmische, wovon man sich in Rom eine Besserung
ihrer Verhältnisse versprach. Schon 1560 begegnet N.
als apostolischer Kommissar in Salzburg, wo ihn der
Erzbischof Johann Jakob von Khuen.-Bel.asy (1500—86)
nicht nur zu seinem Theologen, sondern auch zum
Oberpoenitentiar ernannte und ihn überdies später sogar
mit seiner Vertretung auf dem Konzil zu Trient betraute.
Sch. beleuchtet die vielseitige Tätigkeit dieses bisher in
seiner Bedeutung nicht erkannten und gewürdigten päpstlichen
Komimissars. Sein Einsatz war von Rom aus iin
geeigneten Augenblicke erfolgt: Sieben Zehntel der Bevölkerung
des deutschen Reiches hatten sich dem Protestantismus
zugewendet, der alte Glaube schien hier
dem Untergange geweiht. Da wurden „von der Süd-
ostecke des Reiches", von Salzburg aus, unter dem
Einfluß des dort weilenden und wirkenden Ninguarda
— eine „bisher kaum beachtete Tatsache" — die Kräfte
geweckt und gestärkt, die dann der Kurie auf Grund der
1562/63 in Trient aufgestellten Grundsätze den gewaltigen
Vorstoß der Gegenreformation in den süddeutschen
und österreichischen Raum ermöglichten.

Das seinerzeit in seiner Abhandlung über die Salzburger Provin-
zialsynode von 1549 vom Altmeister der österr. Geschichtsschreibung
Johann L o s e r t h von den religiösen und sittlichen Zuständen in
der über die Grenzen des gleichnamigen geistlichen Fürstentums
weil hin ausreichenden Salzburger Diözese entworfene traurige Bild
erfährt durch die Schilderungen von Sch. mannigfache Ergänzungen.
Es hatte sich seither nichts zum besseren verändert. Schon der Nuntius
Portia machte dafür zum guten Teil die mangelhafte Eignung des
Erzbischofs wie seines Seckauer Suffragans Agrikola verantwortlich;
zu keinem besseren Urteil kam Ninguarda. Die von Sch. (z. B.
1/132 und 256 u. a. O.) mitgeteilten Beurteilungen der in den Alpen-
hindern führenden Persönlichkeiten der alten Kirche durch die Nuntien
bzw. die Kurie sind besonders wertvoll und aufschlußreich. Die
Zustände in der Salzburger Diözese boten N. ein „an geistigen Anarchismus
gemahnendes Bild." Darum sein Drängen auf Reformen, für
das er in Rom volles Verständnis und in dem er, besonders als 1566
in Pius V. ein Ordensbruder die Papstwürde erhielt, auch tatkräftige
Unterstützung fand.

Sch. behandelt ausführlich die Mitwirkung N. 1564/65 an der
Salzburger Agende, die nach Besprechungen mit den Jesuiten Canisius
und Nadal vorgenommene Aufstellung eines Reformprogramms, das
von der Wiederbesetzung und Neuhelebung der z. T. völlig verödeten
Bettelordensklöster ausging, sich auf die Beseitigung der Mißbrauche
bei der Vergebung der Verwaltung der Kanonikate, die Verstrengeriing
der Klausur, die Ausmerzung der Konkubinate wie des Besitzes verbotener
Bücher usw. erstreckte. Hier findet die territoriale kirchenge-
schichtlichc Forschung eine Fülle interessanter und wichtiger Einzelheiten
(z. B. Regensburg betreffend I 141 ff. und 219 ff.), aber
auch die Bestätigung dafür, daß z. B. die meisten Bettelordensklösicr
nicht durch den gewaltsamen Eingriff protestantischer Bürger —■
wie von katholischen Geschichtsschreibern (z. B. bezüglich Juden-
burgs) immer wieder behauptet wurde — sondern durch Selbstauflösung
eingegangen waren. Aufschlußreich sind die Hinweise von
Sch. auf die Schwierigkeiten, die der gegenrefonnator. Tätigkeit
Ninguardas durch die Wankelmütigkeit des Erzbischofs Kimen wie
die zweideuftige Haltung des Kaisers Maximilian bereitet wurden,
interessant die Feststellungen, wie hemmend der nun restlos sicH
durchsetzende Papalismus auf Reformbestrebungen in manchen Diözesen
sich auszuwirken vermochte. Eingehend schildert Sch. den schon
von Krones, Loserth und Kreps behandelten Ausbau der Grazer
Jesuitenniederlassung, die zu einem Hauptbollwerk der Gegenreformation
wurde, wie den Widerstand des Erzbischofs gegen die Wirksamkeit
des ihm nicht sympathischen Ordens in Salzburg. Ein lebendiges
Bild der schwierigen innerkirchlichen Verhältnisse bieten die
Passauer Beschwerden (l/26<)ff.) wie das von N. über seine Tätigkeit
vom Herbst 1572 bis zum Frühjahr 1578 für den auf dem
Regensburger Reichstag weilenden Legaten Kardinal Morone ausgearbeitete
Memorial. Im Februar 1578 wurde Ninguarda zum Bischof
von Scala bei Amalfi ernannt und im April als Nachfolger des nach
Westdeutschland geschickten Grafen Portia zum Nuntius (Legatiw
de Laterel für Süddeutschland bestimmt, das in kirchlicher Hinsicht
niemandem mehr vertraut war als ihm.

Mit der Tätigkeit als Nuntius beschäftigt sich der