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Ausgabe:

1941

Spalte:

46-47

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schmidlin, Joseph

Titel/Untertitel:

Kirchliche Zustände und Schicksale des deutschen Katholizismus während des Dreißigjährigen Krieges nach den bischöflichen Romberichten 1941

Rezensent:

Buehler, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 1/2

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re Veröffentlichungen zu verzichten. Noch gelang es
Canisius, 1593 den zweiten Teil herauszugeben. Gleich-
zeitig bereitete er eine verbesserte Ausgabe der beiden
Bünde vor. Eine Anweisung des Ordensgenerals jedoch
verhinderte die Herausgabe. Sie besagte, daß man
alle Rücksicht nehmen solle auf das Alter und die früheren
Verdienste des Verfassers, daß aber die Neuauflage
in sanfter Weise hinausgeschoben werden sollte bis zu
seinem Tode. Canisius selbst hoffte, die beiden neuen
Bünde im Jahre 1598 veröffentlichen zu können. Am
21. Dezember 1597 starb er. Seine Manuskripte wurden
unverzüglich dem Archiv des Ordens einverleibt und unter
Verschluß gehalten. Erst 341 Jahre später werden
sie jetzt in wissenschaftlichem Gewände der Nachwelt
zur Kenntnis gebracht. Die Bedenken, die seine Zeitgenossen
gegen seine Rechtgläubigkeit und kirebenpoliti-
sche Zuverlässigkeit gegenüber den Ketzern erhoben,
sind unter den veränderten Zeitumständen und zumal
nach der Heiligsprechung im Jahre 1925 (nicht 1926,
wie es irrtümlich in der Praefatio heißt) und nach der
päpstlichen Ernennung zum Doctor Ecclesiae hinfällig
geworden.

Der Text entspricht der von Canisius noch selbst
für das Jahr 1598 vorbereiteten zweiten Auflage. In
weit ausholenden Einleitungen erklärt Canisius das Kirchenjahr
. Er beklagt die im katholischen Volk eingerissene
Unsitte, die Kirchenfeste aus der Gewohnheit der
Tradition äußerlich zu feiern, ohne ihren Sinn im Leben
fruchtbar zu machen. Seine Betrachtungen sollen den
Geistlichen und dem Volk Anweisung geben zur religiösen
Neubelebung der Sonn- und Feiertage. Den einzelnen
Abschnitten, Advent, Weihnachten, Fastenzeit, Ostern,
Himmelfahrt, sind wiederum besondere Einleitungen gewidmet
. Sie schließen mit einem aus den Gedanken des
Evangeliums und der Betrachtungen abgeleiteten Gebet.

Es hat einen eigenen Reiz, Luthers Kirchenpostille
und die Meditationes des Canisius nebeneinander zu stellen
. Innere Beziehungen sind unverkennbar. Wie der
deutsche Reformator das innere Glaubensleben des
schlichten Christen wecken und durch die unmittelbare
Berührung mit Gottes Wort befruchten und für die Lebensführung
wirksam machen wollte, so wendet sich
auch der Gegenreformator an diais gläubige Gemüt und
will ihm religiöse Förderung angedeihen lassen. Er beruft
sich dabei nicht auf kuriale Entscheidungen, dogmatische
Definitionen und päpstliche Urteile und Verurteilungen
, sondern auf den ursprünglichen Text der heiligen
Schriften und die Auslegungen der Väter. Seine
engeren Berührungen mit dem Seelenzustand der Deutschen
hatten ihn sehen gelehrt, daß nicht religiöse und
ethische Rebellion, sondern religiöse Not und Verlassenheit
der Reformation und ihrer Verkündigung des Evangeliums
die Wege ebneten. Er hatte eingesehen, daß die
römische Beurteilung und Behandlung der religiösen Bewegung
in Deutschland nicht an den Kern 3er Dinge
herankam und deshalb ein Fehlschlag sein mußte. Schon
in den Antizenturien läßt er durchblicken, daß er sich
die Wege der Zehnten in Rom und auf dem Tridentini-
schen Konzil nicht zu eigen macht. Statt der römischen
Schärfe will er die Geister durch Milde und verständnisvolles
Entgegenkommen gewinnen. Dieser Geist beherrscht
auch die Meditationen. Aber damit machte er
sich in Rom verdächtig und zog sich den Vorwurf zu,
durch die Häresie infiziert worden zu sein. So bewahrheitete
sich auch an Canisius, dem ersten Deutschen,
den der Jesuitenorden aufnahm, den man lange Jahre
als malleus haereticoruim gefeiert hatte, ein Wort des
Kardinals von Hohenlohe: „Rom wittert in jedem Deutschen
ein Stück Luther". Einem gleichen Verdacht war
ja auch Kaiser Ferdinand I. verfallen, als er an das Konzil
von Trient von der bisherigen allgemeinen kirchlichen
Gesetzgebung abweichende Reformvorschläge richtete
, die ihm aus der besonderen kirchlichen und religiösen
Lage in Deutschland als notwendig erschienen.
Ein tragisches Schicksal offenbart sich hier, zugleich

j aber auch Ansätze zur Beurteilung der Reformationsge-
j schichte in Deutschland, die noch längst nicht genügend
ausgewertet sind. Was in späteren Jahren Männer wie
Möhler, Merkle, Kiefl, Finke, Greving, Rademacher und
jüngstens Ehrhard, Grosche, Herte und Lortz in ihren
Forschungen über die Gründe der Reformation erkannt
haben, hat seine tieferen Wurzeln in den geistigen Wand*-
; luingen, wie sie selbst ein Canisius durchmachte. Es wird
hier eine Annäherung und Beeinflussung der Reformation
und Gegenreformation in Deutschland aus unterbewußten
gemeinsamen Kräften des Geistes und der
Stammesverwandtschaft sichtbar, die sich trotz aller lehrhafter
Gegensätze und trotz der Schärfe kirchenpolitü-
scher Maßnahmen auswirken, ki späteren Jahren wurde
diese Entwicklung verkannt und verschüttet. Die Neuherausgabe
der Katechismen und Meditationen und die
Offenheit, mit der ihre geistigen Voraussetzungen erörtert
werden, sind ohne Zweifel ein dankenswerter Beitrag
zu dem heute in einer erfreulicheren Tonart geführten
Gespräch zwischen den Konfessionen.

Berlin G. Ohlemüller

Hocks, Else: Der letzte deutsche Papst Adrian VI. 1522-1523.

Freiburg i. Br.: Herder 8t Co. 1939. (178 S., 7 Taf.) 8°. geb. RM 4.50.
In einer Biographie Adrians VI. unter dem Titel
„Der letzte deutsche Papst" erwartet man vor allem
die Herausarbeitung der deutschen Wesenszüge dieses
Mannes und wie sie sich in seinem Werke offenbarten.
Hiezu finden sich in dem Buche nur vereinzelte Ansätze,
vor allem in dem Kapitel „Der Heimatboden", wobei
aber mehr auf das Heimatbedingte als auf das allgemein
Deutsche eingegangen wird, und die Erwähnung von
Äußerlichkeiten, wie das gerade in diesem Punkte nacht
schwer wiegende Zeugnis eines Kaiser Karls V. und
daß „der Niederländer in der deutschen Nationalkirche
in Rom, in Santa Maria dell'Anima, seine letzte Ruhestätte
fand." Bei tieferem Eindringen in dieses Problem
hätte sich vielleicht doch etwas mehr vom deutscher
Art in dem Adrian Florinssonn aus Utrecht feststellen
lassen. Das eigentlich Kennzeichnende seines Wesens
war sie freilich nicht, so wenig wie bei seinem berühmten
Landsmann Erasmus von Rotterdam. Auch darüber und
über die Gründe hiefür hätte in einem Buche „Der
letzte deutsche Papst" etwas gesagt werden müssen.
Ebenso verraten Ausdrücke wie „die durch Luther eingeleitete
Revolte", daß die Erfassung historischer Probleme
nicht die eigentliche Stärke der Verfasserin ist.
Dafür versteht sie an der Hand — wie ihr Literaturverzeichnis
zeigt — zuverlässiger, führender fachwissenschaftlicher
Werke die allgemeinen Zustände und die
Menschen jener Zeit anschaulich und fesselnd zu schildern
.

München-Solln Johannes Bühler

S c h m i d 1 i n, Prof. D. Dr. Josef: Kirchliche Zustände und Schicksale
des deutschen Katholizismus während des Dreißigjährigen
Krieges nach den bischöflichen Romberichten. Freiburg i. Br.: Herder
& Co. 1940. (98 S., 1 Tab.) gr. 8°. RM 3.80.

Gegenüber dem 1908—1910 erschienenen Werke
Schmidlins über „Die kirchlichen Zustände in Deutschland
vor dem Dreißigjährigen Kriege nach den bischöflichen
Diözesanberichten an den Heiligen Stuhl" mußte
in dieser Veröffentlichung aus zeitbedingten Gründen
die Wiedergabe der Berichte erheblich kürzer gefaßt
werden. Aber auch so bietet die Schrift noch eine Fülle
wertvoller Angaben: Statistiken über die Zahl der Kirchen
, Geistlichen, Gläubigen, Klöster,, kirchlichen Unterrichtsanstalten
und Einkünfte der einzelnen Bistümer und
über die Erfolge der Rekatholisierungsbestrebungen in
den verschiedenen Gegenden und Städten. Auch die
Schwierigkeiten und gelegentliche Mißerfolge solcher Bestrebungen
, ebenso das weitere Vordringen des Protestantismus
in einzelnen Gebieten wurden nach Rom gemeldet
. Öfters wird erwähnt, daß selbst katholische
Fürsten und die exemten Klöster dem bischöflichen Kir-