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Ausgabe:

1941

Spalte:

39-41

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Dichtungen; 1 und 2 1941

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 1/2

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Ganzen völlig herausfallen. Der umfangreiche Artikel
„Nibelungenlied" und „Klage" Sp. 513—560 (Fr. Neumann
) dürfte den meisten Lesern der ThLZ. bei unbestreitbarer
Sachkunde doch fremd und gar zu stoffreich
erscheinen. Umsomehr werden sie für ihre Interessen
in dem Abschnitt „Nikolaus" Sp. 567—624 finden und
dürfen sich auch hier der bestberufenen Führer erfreuen.
Als besonders wichtig, ja wertvoll heb ich hervor „Nikolaus
von Kues" Sp. 601—612 (Jos. Koch) und weiterhin
„Nikolaus von Flue" Sp. 578—583 und „Nikolaus von
Straßbuirg" Sp. 620—623 (beide von Engelbert Krebs).
Auch die Artikel „Nikolaus von Jauer" Sp. 583—588
(Wieland Schmidt) und „Johannes Nider" Sp. 560—565
(J. Klapper) zeugen von eigenster Sachkunde.

Göttingen Edward Schröder

Bibliothekskataloge, Mittelalterliche, Deutschlands und der Schweiz
Hrsg. von der Bayer. Akad. d. Wissenschaften. III. Band, 3. Teil
Bistum Bamberg. Bearb. von Paul Ruf. München: C. H. Beck 1939
(IV, S. 321- 856, IVTaf.) gr. 8°. RM 45-

Die beiden ersten Teile dieses Bandes betreffend
Augsburg und Eichstätt haben wir bereits in dieser Zeitschrift
kurz angezeigt (1932 Nr. 18 und 1934 Nr. 20).
Da der Band noch nicht abgeschlossen ist und ein Titel-
bezw. Verfasserregister noch nicht vorliegt, so dürfte es
nicht gut möglich sein, diesen Teil des gewichtigen,
überaus sorgfältig gearbeiteten Werkes in Kürze so zu
durchdringen, wie wir das hinsichtlich des Bandes Erfurt
(1929 Nr. 5) getan haben. Andererseits enthält dieser
Teil im Bistum Bamberg auch die Stadt Nürnberg, und
damit werden wir tief in den lebendigen Humanismus,
in den Umbruch der Zeit, der Kultur und des Denkens
hineingeführt. Auch daß wir uns in der Zeit und in der
Welt der Entdeckung des Menschen befinden, wird
deutlich: neben Stiftern und Klöstern und anderen Instituten
treten physische Personen, Liebhaber und Sammler
, im geistlichen wie im weltlichen Gewände als Besitzer
wertvoller Bücherschätze auf. Dafür sind Zeugen
etwa der umfangreiche Bibliothekskatalog des Benediktinerklosters
St. Ägidien-Nürnberg aus dem Ende des
15. Jahrhunderts im Umfange von etwa 140 Druckseiten
oder das in deutscher Sprache abgefaßte Verzeichnis
der Privatbücher der Schwestern des Dominikanerinnen-
klosters St. Katharinen-Nürnberg aus den Jahren 1451
bis 1457 oder neben den Bücherverzeichnissen Hermann
Schedels und anderer Humanisten der umfangreiche
Bibliothekskatalog Dr. Hartmann Schedels, des gelehrten
Arztes (gest. 1514).

Der vorliegende Teilband enthält 73 Verzeichnisse
von 22 Bibliotheken: neben der Dombibliothek von Bamberg
mit ihren weltberühmten Bilderhandschriften sind
beachtlich vor allen Dingen die Ratsbücherei und die
Pfarrbibliothek von St. Sebald in Nürnberg. Außer
eigentlichen Bücherverzeichnissen haben hier Abdruck
gefunden: Abgangslisten, Ankaufsreihen, Anweisungen
für Tischlesungen, Ausleihverzeichnisse, Bestellungen
beim Buchhändler, Buchbinderlisten, Naclilässe und Testamente
, Rechnungen und Revisionen, Schatzverzeichnisse
und Inventare — alles hier vornehmlich wertvoille
Quellen zur geistigen und religiösen Kultur des späteren
Mittelalters.

Berlin Otto Lerche

[Stange, Carl:] Lorenzo il Magnifico. Ins Deutsche iibertr. Bd. I:
Dichtungen (203 S., 2 Taf.) ; Bd. II: Erläuterungen (121 S., 3 Taf.)
gr. 8°. Bremen: M. Hauschild 1940. geb. zus. RM 10—.

In Fortsetzung seiner Studie über „Erasmus und
Julius II" ist der Göttiinger Systematiker in dem vorliegenden
Werke in einen Mittelpunkt der Renaissance
nach Florenz, vorgestoßen, erfaßt mit sicherem Griff die
Persönlichkeit des hochgemuten Medici und versteht es,
die Geister seiner Zeit um ihn zu gruppieren, um das
ganze Problem „Renaissance" aufzurollen, mit der besonderen
Zuspitzung auf ihr Verhältnis zum Christen-

j tum. Es geschieht das nicht in der Form des ästhetischen
Essai, wie etwa Isolde Kurz „die Stadt des Lebens
" ergriff, sondern in streng wissenschaftlicher Untersuchung
, so viel auch natürlich, namentlich in der
Übersetzung der Dichtungen Lorenzos, die Ästhetik ihr
Recht erhält. Stange hat an Ort und Stelle Studien gemacht
und die sehr umfangreiche italienische Literatur
bis in kleinste Fachuntersuchungen hinein durchgearbeitet
, die Schätze der Göttinger Bibliothek kamen ihm dabei
ergänzend zustatten. Eine Nachprüfung seiner Forschung
war mir in Heidelberg unmöglich, aber es ist
bei Stange selbstverständlich, daß sie sorgfältigst ist;
in den Erläuterungen des zweiten Bandes steckt eine
j Fülle anregender Fragen und Antworten, nicht minder
bietet die Erklärung der Poesien am Ende des ersten
Bandes durch Aufdeckung der Quellen und Erläuterung
der Begriffe dem ideen-, sprach- und philologiegeschicht-
lieh Interessierten viel Neues. Der Nachweis der Abfassung
des Briefes Lorenzos an Friedrich von Neapel
(der Brief ist im ersten Bande auch in Übersetzung geboten
) im Jahre 1466 scheint mir überzeugend; die Datierung
ist insofern wichtig, als dann der Anlaß /um
Dichten für Lorenzo nicht mehr im Tode der Simoiietta
gefunden werden kann, die erst 1476 starb. Überzeugend
ist nicht minder die Zurückweisung des Vorwurfes sittlicher
Verkommenheit gegen Lorenzo; davon kann keine
Rede sein, es ist ein Schönheitskult getrieben worden, Vf.
redet einmal (I, S. XX) von der „Geburtsstundc des
modernen Salons", die „Donna" ist halb Idealbegriff,
I halb Wirklichkeit (m. E. hätte die Figur der Beatrice
bei Dante II, 62 ff. von da aus tiefer gefaßt werden
müssen), und der Flirt ist halb ästhetisch, halb sinnlich,
schließlich sogar philosophisch und mit frommen Gedanken
vermischt. Der nächtliche Ritt zu Bartolomen,
den Stange aus dem „Bedürfnis nach geistigem Austausch
" erklären möchte, ist aber doch auch wohl für
die damalige Zeit etwas seltsam. Die Gedankenwelt
Lorenzos ordnet St. in drei Perioden. In der ersten
wirkt zunächst Petrarca stark auf ihn ein, doch ist seine
(Lorenzos) Liebeslyrik nicht das persönliche Erleben,
sondern bewußte Kunstübung, die Geliebte wird, wie in
der älteren italienischen Dichtung, abstrakte Idealgestalt,
sogar die scholastische Methode schiebt sich ein, die Frage
kann aufgeworfen werden, ob die Liebe Substanz oder
Akzidenz sei?! Die zweite Periode kommt durch den
Ncuplatonismus, persönlich gesprochen, durch Ficino,
! dem Lorenzo aber kritisch gegenübersteht, der christliche
| Einfluß ist bei ihm stärker, er hat „ein feineres Empfin-
; den für die Verschiedenartigkeit der religiösen Sehnsucht
und des philosophischen Wissenstriebes" (II, 98). So
l wird die dritte Periode vorbereitet: die Wendung vom
! Piatonismus zum Christentum; unter dem Einfluß von
Pico, der wieder innerlich mit Savouarola verbunden war,
| verschwinden die abstrakten Begriffe und Gott wird auf
j dein Wege der Liebe erreicht, die Überlegenheit des
! Christentums über den Idealismus der Antike ist bewußt
! geworden. Für mein Empfinden bat St. die christliche
Note etwas zu stark unterstrichen, den Begriff „evange-
i lische Frömmigkeit" (II, 75) sollte man für unmittel-
j bares Gotterleben, das doch auch der Katholik kennt,
vermeiden und Luthers „Freiheit eines Christennien -
; sehen" erst recht, wenn dem Erlebnis der Liebe Herrschen
und Dienen zugeschrieben wird (II, 109). Es ist
gut, daß St. anderweitig (11,100) betont, daß Lorenzo
„durchaus im Rahmen des Mittelalters" steht. Ficino
kann man übrigens nicht vorwerfen, daß Gott für ihn
| „auch zu den Dingen" gehöre (II, 101); das folgt
! schon rein sprachlich nicht aus den Worten „Gott und
I jeglich ander Ding".

Die Übersetzung der Dichtungen wir besaßen
! schon eine Auswahl von Übersetzungen von Isolde Kurz
und Alfred von Reumont — liest sich im Allgemeinen
gut. Den Ersatz der Terzinen durch Vierzeiler wird man
' gutheißen; daß der musikalische Wohlklang des II alienischen
im Deutschen nicht wiederzugeben ist, bleibt ein-