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Ausgabe:

1941

Spalte:

38

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Artois 1941

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 1/2

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salvus Hispanus, die irrtümlicherweise, wie die Forschungen
von Pelzer und Amoros bewiesen haben, in die Erstausgabe
der Werke von Duns Scotus aufgenommen und
seitdem unter dessen Namen geführt wurde. Orabmann
führt aus seiner souveränen Kenntnis der mittelalterlichen
unveröffentlichten Handschriften eine Fülle von
Kodizes an, die Hispanus Gonsalvus als Verfasser dieser
Sammlung nennen. Derartige Literatur ist aber nicht nur
für das Bemühen um die Rezeption von Aristoteles bezeichnend
, sie ist auch ein Kennzeichen für das Nachlassen
der produktiven philosophischen Arbeit. Diese von
Grabmann schon für die theologische Literatur der Früh-
und Spätscholastik festgehaltene Erscheinung findet auf
philosophischem Gebiete ihre Parallele: man ordnet,
sichtet und gliedert den reich gewordenen Wissenstoff.
Eine eigene Literaturgattung dieser Art für die mittelalterliche
philosophische Arbeit stellen die Tabulae
zu den aristotelischen Schriften, d. h. alphabetisch angelegte
Übersichten zu aristotelischen Begriffen, dar. Diese
Art von Literatur blüht besonders seit dem H.Jahrhundert
auf und ist in vielen Landschriften verbreitet, über
die Orabmann erstmalig in der vorliegenden Abhandlung
seine Forschungen publiziert. Endlich nimmt unter dem
philosophischen Schrifttum des Mittelalters, ähnlich wie
in der ausgehenden patristischen Zeit, die Florile-
gienliteratur seit dem 13. Jahrhundert einen breiten
Raum ein. Auch für diesen Literaturzweig bietet
Orabmann zum ersten Mal eine auf bisher unbekanntem
handschriftlichen Material beruhende Untersuchung. Mit
der Charakteristik der aristotelischen Excerptenliteratur
schließt das interessante, auf die Geschichte des mittelalterlichen
Aristotelismus so viel neues Licht werfende
Werk. Man legt es mit dem Wunsch aus der Hand, daß
Orabmann die Durchführung seines großen hier angedeuteten
wissenschaftlichen Planes, eine Geschichte des Aristotelismus
an den deutschen Universitäten des Mittelalters
zu schreiben, alsbald möglich sein werde, und mit
dem Dank an den unermüdlichen Erforscher des mittelalterlichen
Geisteslebens für diese neue, größtenteils auf
unerforschten Quellen beruhende Untersuchung zu einem
der großen Probleme der Philosophie- und Theologiegeschichte
, dem mittelalterlichen Aristotelismus.

Kiel, z. Zt. im Militärdienst Peter M e i n h o I d

Ginneken, Jac. van, S.J.: Trois Textes Pre - Kempistes du
Premier Livre de l'Imitation ed. et com. A l'occasion de l'anni-
versaire sexceratenaire de Oerard Groote. 1340—1940. Amsterdam:
Noord. Hollandsche Uitgevers Maatschappij 1940. (15G S.) 4° =
Verhandelingen der Koninklijke Nederlandsche Akademie van Weten-
schappen, Afdeeling Letterkunde. Nieuwe Reeks, Deel XLIV. Fr. 4.50.
Zur 600. Wiederkehr des Geburtsjahrs von Gerhard Groot (1340)
hat der holländische Jesuit van Ginneken nun zu Ende geführt, was
■er vor 10 Jahren „auf der Suche nach dem alten Text und dem wirklichen
Schreiher des ersten Buchs der Nachfolge Christi" (Gent-Wef/te-
ren 1929) begonnen hat: den philologischen und historischen Beweis
dafür, daß nicht Thomas v. Kempen, sondern Gerhard Groot der geistige
Urheber des ersten Buchs der Imitatio Christi ist. Er kündigt
zugleich die baldige Erweiterung dieses Beweises auf das zweite und
■dritte Buch an. Man muß gestehen, daß seine (erst im Schlußteil der
Abhandlung folgende) philologische Vergleichung dreier Handschriften
der Imiitatio mit der als Handschrift des Thomas v. Kempen geltenden
Handschrift — alle 4 Hss. stehen im Hauptteil der Abhandlung neben
einander gedruckt — den zwingenden Nachweis liefert: jene drei Hss.
sind älter als Thomas („pre-kempistes"). Im historisch-biographischen
Teil, womit die ganze Abhandlung beginnt, wird das philologisch bereits
feststehende Ergebnis in das Leben des Mannes eingereiht, der
allein als Quelle des weltberühmten Werks vlämischer Mystik in Frage
kommen kann: Gerhard Groot. Auch vom biographischen Gesichtspunkt
aus hat v. O. seine These stark begründet. Die lebendig und
mit großer Sachkunde geschriebene Abhandlung wird zweifellos die
Imitatio-Christi-Forschung aufs neue in Fluß bringen, zwar Widerspruch
finden, aber schwerlich widerlegt werden.

Tettnang (Wttbg.) Wilhelm Koch

Thomas von Kempen: Das Leben Meister Gerhards. Uebers.
u. eingel. v. Dr. Herbert Rüssel. Freiburg i. Br.: Herder
& Co. [1939] (II, 71 S.) 8° = Zeugen des Wortes Nr. 18. RM 1.20.

Die neue Quellenschriften-Sammlung „Zeugen des Worts", hrsg.
v. Karlheinz Schmidthfis, will schriftliche Zeugen christlichen Seins,
Denkens und Lebens aus allen Jahrhunderten und Völkern und aus
allen Bekenntnissen vorlegen, um dadurch das christliche Glaubensbe-
wußtsein zu stärken und zu seiner Verwirklichung im Leben mitzuhelfen
. Bis jetzt sind uns 21 Bändchen dieser Sammlung bekannt; sie
erstrecken sich von der Kirchenväterzeit bis in die neueste Gegenwart.
! Im vorliegenden Bändchen lesen wir, in sehr gutem Deutsch, die
„Vita Gerardi Magni" (Gerhard Grootes, t 1384), die sein Schüler
Thomas v. Kempen lateinisch geschrieben hat, und die im 7. Band der
Gesammelten Werke des Thomas v. Kempen (hrsg. v. M. J. Pohl
1922) Seite 31—115 zu finden ist. Außer der trefflichen Übersetzung
lesen wir in dem vornehm-schlichten Bändchen noch eine Einleitung,
die über die sog. devotio moderna (als ihr Begründer gilt Gerhard
Groote^ handelt und ganz richtig dartut, was sie wollte, und war und
Orootes geistes- und frömmigkeitsgeschichtliche Bedeutung ans Licht
stellt. Aus der Einleitung geht auch hervor, daß der Übersetzer den
Thomas v. Kempen für den Verfasser der „Imitatio Christi" hält.
Seite 53, Z. 12 v. u. steht der einzige Druckfehler.

Tettnang (Wttbg.) Wilhelm Koch

Ramackers, Dr. Johannes: Papsturkunden in Frankreich. N.

F. 3. Bd. Artois. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht 1940. (III,
247 S.) gr. 8° = Abh. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Philol.-Hist.
Klasse, Dritte Folge. Nr. 23. RM 16—.

Wir dürfen uns bei der kurzen Anzeige dieses Buches
auf das beziehen, was wir aus Anlaß des zweiten
Bandes dieses Werkes in dieser Zeitschrift (1939, Nr. 2)
gesagt haben. Im Vorwort seines 1940 erschienenen,
Henri Omont dem früheren Direktor der Handschriften-
abteilung der Pariser Nationalbibliothek gewidmeten Buches
, das an seinem bescheidenen Teil zum Ansehen der
deutschen Wissenschaft in der Welt beitragen soll, weist
R. auf das wohl langsame aber stetige Fortschreiten
der Gallia Pontificia durch deutschen Gelehrtenfleiß
hin. Archive und Bibliotheken im Artois'Pas-de-Calais
haben am 5. Juli 1915 schwer gelitten. Was mag von
dem Wenigen damals Geretteten und seither Wiederaufgebauten
jetzt noch vorhanden sein?

Die Hauptmasse der hier erstmalig bekannt gewordenen
, d. h. bei Jaffe-Löwenfeld nicht als gedruckt verzeichneten
187 Urkunden geht auf Abschriften des 13.
bis 18. Jahrhunderts zurück. Wenn auch in 37 Fällen
die Kopie der Pariser Nationalbibliothek an erster Stelle
der Überlieferung steht, so wird doch diese Überlieferung
durch zahlreiche, zumeist gleichwertige Kopien in
den Archiven und Bibliotheken von Arras und St. Omer
gestützt und berichtigt. 36 Urkunden sind dem Ms 852
I der Stadtbibliothek von St. Omer, einem Kartular des 15.
Jhdts. entnommen; 31 Urkunden lernen wir aus dem
Weißbuch des Domkapitels von Arras, jetzt clpar. 9930,
kennen. Von fast 30 aus der Urschrift abgedruckten Urkunden
liegen 23 Originale im Arch. dep. zu Arras.

Die Frühzeit ist mit einer bemerkenswerten Fälschung
auf Leo III., undatiertes Privileg für St. Josse
s. m., vertreten. Mit zwei gutüberlieferten Kopien Gregors
VII. — 1075 Nov. 1. für St. Vindicien in LeMont
St. Eloi und 1077 April 28. für Stift Watten — wird unsere
bisherige Kenntnis auf diesem Gebiete in formaler
und sachlicher Hinsicht bedeutsam erweitert. Den Hauptanteil
an neuen Urkunden haben die Pontifikate Alexanders
III. — 76 — und Lucius' III. — 34 Urkunden —.

Zu erwägen bleibt, ob nicht bei der Wiedergabe des
Urkundenformulars noch weitere Einsparungen möglich
wären.

Berlin Otto Lerche

Die Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon

hrsg. v. Wolfgang Stammler. Bd. III, 4. Lieferung. Berlin:
Walther de Gruyter & Co. 1940. (Sp. 513—640) 4°.

Immer aufs neue muß man die vielseitige Umschau,
die Werbekraft, und die reichliche Eigenbeisteuier des
; Herausgebers anerkennen, der freilich hier und da redak-
I tionell eingreifen und so etwa bei dem Artikel „Nikolaus
| von Jeroschin Sp. 588—599 (Willy Krogmann) die langen
I Verszitate hätte streichen sollen, die aus dem Stil des