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Ausgabe:

1941

Spalte:

28-29

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Quinti Septimi Florentis Tertulliani Apologeticum 1941

Rezensent:

Martin, Josef

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 1/2

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wichtigsten die Feststellung, daß es sich bei den Danksagungen
am Briefeingang um zwei verschiedene Typen
handelt: bei dem einen wird der Anlaß des Dankens
mit einem Partizip ausgedrückt — das einfachste Beispiel
steht im Philemon-Brief — bei dem andern folgt ein
Kausalsatz mit otu Sch. zieht aus dieser Erkenntnis
die methodische Folgerung, daß man nicht den einen
Typus nach dem anderen erklären dürfe und gewinnt
damit z. B. die Möglichkeit, so komplizierte Gebilde
wie die Danksagung des Philipper-Briefes m origineller
Weise zu interpretieren. Er versteht die Worte «ü n<ur\
Tfj ixveiqi üpäw Phil. 1,3 im Sinne von „ich danke Gott
für jeden Beweis eures Gedankens an mich" und bringt
damit eine alte Vermutung Harnacks wieder zu Ehren,
die dieser vor 51 Jahren in dieser Zeitung 1889 Sp.
419 vorgetragen hat. Sch. verläßt sich auf seine Tabellen
; t^i zur Bezeichnung des zeitlichen Anlasses müßte
den Genetiv bei sich haben (vgl. Rom., I. Thess., Phim.);
auch würde bei zeitlicher Fassung von eju itä<n rfj u.veio:
vutöv die Parallelität mit den andern Beispielen des ersten
Typs erheblich gestört werden. Ich muß demgegenüber
doch die Frage aufwerfen, ob ivsla in den anderen
Prooemien (Rom., Eph., I. Thess., Psm) sich
nicht so eindeutig auf die Erwähnung der Adressaten
im Fürbittengebet bezieht, daß man deswegen auch den
Satz aus Phil, ebenso zu verstehen hat. Es kommt hinzu
, daß der Text Phil. 1,3 — wenn es sich um „euer
Gedanken an mich" handeln soll — jede Erwähnung
dieser 1. Person vermissen läßt. Hinter all diesen Erwägungen
steht letztlich die Frage, ob die Korrektheit
der formalen Analyse nicht immer wieder kontrolliert
und korrigiert werden muß durch eine lebendige, nachschaffende
Exegese.

Von den sprach- und begriffsgeschichtlichen Ergebnissen
des Buches ist hervorzuheben die Feststellung des
relativ kleinen Bezirks, in dem ebxaQurt& begegnet. In
den älteren Teilen der LXX fehlt das Wort völlig, in
den „Apokryphen" der griechischen Bibel taucht es
auf, entsprechend ihrer „höheren" literarischen Ebene.
Hier in II. Makk. 1,11 ff. steht auch der fingierte
Brief der judäischen Juden an die ägyptischen; sein
Prooemium beweist, daß solche Einleitungen, wie sie
Paulus braucht, im hellenistischen Judentum bereits üblich
sind. Im Neuen Testament weist allein Paulus
einen eigenen und bezeichnenden Gebrauch der Wortgruppe
auf, bei den Synoptikern ist das Vorkommen
von evxv-Qioröy durch Speisung und Abendmahl bestimmt,
bei der Apc. ist der Anteil zu bemerken, den die eingeschalteten
Hymnen am Vorkommen von evxoQunzlv
und EvxaQimia haben. Das Gesamtbild zeigt eine allmählich
fortschreitende Hellenisierung: die Apokryphen
bieten ein hellenistischeres Griechisch als die übrigen
Bücher der LXX; Paulus steht in seiner Sprache der
Welt noch näher als die meisten Apokryphen (und
etwa die synoptischen Evangelien). Wenn im ersten und
zweiten Jahrhundert n. Chr. bei den Christen der Gebrauch
der Wortgruppe eöjtapiat- zurücktritt, so mag
das an der wachsendien Bedeutung der LXX liegen,
deren Einfluß die Anpassung an den Hellenismus verhindert
, vor allem aber an der immer enger werdenden
Verbindung der Wortgruppe eöxoQitrt- mit dem heiligen
Mahl, der „Eucharistie".

Lohnend und lehrreich ist auch die Behandlung von
Philo und Epiktet. Bei Philo findet Sch., soviel ich sehe
mit Recht, zwei Theorien über das Dankgebet. Eine
spekulative, nach der das Danken selbst ein Werk Gottes
ist (Leg. all. I 82, De plant. 126—31) — es ist
das Dankgebet, das ich als oratio infusa bezeichnet
und an mehreren Stellen auch bei Paulus nachgewiesen
habe. Sch. legt besonderen Wert darauf, daß Paulus
Rom. 1,21 das Danken als Kennzeichen der wahren
Gottesverehrung nennt — ein Beweis, wie hoch er es
stellt und wie unmöglich ihm ein Verhältnis zu Gott
ohne Danken erscheint. An dieser Stelle vermißt man
eine Einbeziehung der Hermetica in die Untersuchung,

die bezeichnende Äußerungen gerade zu diesem Thema
; enthalten. — Die zweite Theorie Philos über das Danken
entstammt der Stoa und ist rational: man denke an alle
Dinge des Kosmos und des eigenen Seins und lasse jedes
einzelne zu einer besonderen Danksagung werden (I>e
' spec. leg. I 209—11): t£j« t<[> X6y<p tt|v eüxkqiotiov ist
das Motto für diese Methode. Philo teilt sie mit Justin
und mit Epiktet; und das Nebeneinander dieser beiden
i so verschiedenen Theorien ist bezeichnend für Philos
Doppelnatur.

Es ist eine Fülle von religionsgeschichtlichen und
geistesgeschichtlichen Erscheinungen, die Sch. an dem
| Leser vorüberziehen läßt. Er weiß dabei eine Anzahl
guter Beobachtungen, aber auch kühner Hypothesen
' vorzutragen. Zu den letzteren rechne ich z. B. die Mei-
! nung, das Tischgebet lasse sich aus der Übereinstim-
; mung von Paulus, Philo, Epiktet und dem Apologeten
Aristides als allgemeine hellenistische Sitte erweisen.

Die Zitate aus Paulus und Aristides sind begreiflicher Weise un-
i anfechtbar. Aber kein Beweis ist schon Philos Wort über die
j fünf Sinne, sie seien öo)Ota't tlrtui, vnirQ cov Eiiy.upioxriTEOv
j (De comgressu 96); denn dies bezieht sich offenbar auf die dankbare
Haltung des Philosophen, während Philo an anderem Ort das
tatsächliche Danken bei Tisch meint (De spec. leg. II 175). Bei
Epiktet II 23, 5 aber ist von der Dankbarkeit als einer philosophischen
Tugend die Rede; sei dankbar ime.Q uiv toü öoüv xal
äxoÜEiv XOÜ VB Aiu (britO aütoü toü £fjv .... Dann
erst folgen, am Ende der Aufzählung: {ijieo xaonwv Sijpmv. (ijtep
oivou, v3t.EQ SAalou . . . aber das ist keineswegs das eigentliche
Ziel der Mahnung, sondern: uiu.vr)<ro ö Sil ÄWlo tiooi 5e6o»cev
xoeittov ojtüvTtnv toiiTWV (gemeint ist die TlQOCUQeTlXT) öi>vu|uc).
Man muß nur diesen Zusammenhang überlegen: kann hier wohl von
einem Kultus oder Ritus die Rede sein? Es ist einfach die richtige
| philosophische Haltung gemeint, jene SÖYJlOtra, von denen Epiktet
sagt, sie machten iv jtoXei ouxVvoiav, ev fövFoiv el(yrjvr)V, Jtoöc
Oeov tvyÜQicixov, JWtVTttJ(o6 Ouoooüvtu (IV, 5, 35).

Etwas künstlich erscheint mir auch die Art, wie Sch. die
I Danksagungen bei Paulus mit den hellenistischen Ehreninschriften
I in Verbindung bringen will, indem er erklärt, der Briefadressat sei
j das eigentliche logische Objekt der Danksagung und diese enthielten
l somit Ehrungen für die betr. Gemeinde. Hier ist doch die Echtheit
' der kultischen Haltung in diesen Danksagungen und der Ernst
der Verantwortung vor Gott etwas zu gering eingeschätzt.

In den Schlußbetraehtuingen des Buches zeigt der
j Autor noch einmal seine Kunst, von der Analyse zur
Synthese zu gelangen. Das gilt vor allem von der Art,
mit der er die literarische Stellung der Paulusbriefe zu
I bestimmen unternimmt. Die Briefe des Apostels stehen
zwischen den inschriftlichen Urkunden, die von vornherein
zur Veröffentlichung bestimmt sind und reinen Privatbriefen
, bei denen niemand an Veröffentlichung denkt.
Gegenüber Deißinann u. a. betont Sch. aber in der Frage
der Veröffentlichung, daß es nicht so sehr auf die Absicht
des Schreibenden ankommt als auf das Urteil der
Adressaten. Und im Fall des Paulus haben die Adressaten
für Veröffentlichung entschieden: erst durch Lesung
im Gottesdienst, dann durch Abschrift, endlich durch
Aufnahme unter die christlichen Leseschriften. Das zeigt
— so würde ich es formulieren — den halbliterarischen
Charakter der Paulusbriefe.

So birgt sich hinter dem bescheidenen Titel des
Buches eine Fülle von Untersuchungen, Anregungen, gesicherten
und hypothetischen Ergebnissen, von denen
der Leser, auch wenn er zu Widerspruch genötigt wird,
nicht ohne Gewinn Kenntnis nehmen wird.
Heidelberg Martin D i b e 1 i u s

KIRCHENGESCHICHTE: SPÄTANTIKE

Quint) Septimi Florentis Tertulliani Apologeticum. Secundum
utramque Libri recensionem ed. Tertulliani editionis, Partis II. Volumen
prius. Hrsgeg. v. Heinrich Hoppe. Wien: Hoelder-Pichler-
Tempsky; Leipzig: Akad. Verlagsgesellschaft 1939. (LI, 121 S.) 8°
= Corpus Scriptorum Eccles. Latinorum, Vol. LXIX. RM12-
Die christlichen lateinischen Schriftsteller in sauberen
, das ganze handschriftliche Material verarbeitenden