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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

370-371

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schwab, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Vereinigte Evangelisch-Protestantische Landeskirche Badens als besonderer Typ einer Unionskirche 1941

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

370

er seine Existenz vollzieht und den Charakter dieser Existenz
„ausdrückt". Von da her wird das Doppelgesicht
der Technik verständlich, das sie von den einen gepriesen
und von den andern verdammt werden läßt, und
das doch als das Gesicht des jeweilig gleichen Phänomens
gesehen werden muß. Es rührt von der Doppelgesichtigkeit
des Menschen selber, der Geschöpf und
Sünder, Gotteskind und hörig ist: alle diese Existenz-
eigenschaften spiegeln sich darum im ethischen, im kulturellen
, ja auch im technischen Verhalten, sogar — wie
Luther sagt — im Essen und Trinken ab, und nur als
Verhaltungsweisen des Subjektes „Mensch" werden sie
theol. sinnhaft: So ist die Technik auf der einen Seite
Vollzug der Schöpfung — und an diesen Vollzug pflegt
man zu denken, wenn man in dieser und jener Richtung
von ihren „Segnungen" spricht. Sie «st auf der andern
Seite oft genug Dienst an dämonischen Gewalten, indem
sie entweder als „Faktor des Mittels" sich in diesen
Dienst begibt oder indem sie sich eigengesetzlich austobt
und sich die Menschen als Mittel verschreibt, die
ihrer selbstzwecklichen Gewalt dienen müssen. (Freilich
ist dies letztere schon wieder eine mythische Ausdrucksweise
, denn genauer müßte es heißen: daß der in der
Technik sich verhaltende Mensch das „Gebild von seiner
Hand" zum Gotte werden läßt — wie es immer ist,
wenn er bindungslos dahinirrt und die Geister, die er
beschworen hat, nicht mehr zu bannen vermag, sondern
ihnen überantwortet wird. Man sollte deshalb angesichts
der autorkratisch sich austobenden Technik auch nicht
von einem Sklavenaufstand der Mittel sprechen — als
ob es die Mittel wären, die handeln könnten!, — sondern
von einer Selbstpreisgabe des Menschen an die
Mittel).

Die Technik trägt also das gleiche Doppelgesicht
wie der in ihr sich verhaltende, objektivierende Mensch:
denn er verhält sich immer zu Gott und dem Dämonischen
. Es wäre töricht, die Technik als solche für göttlich
oder dämonisch zu erklären.

Das theologisch Relevante an Technik und Kultur ist
der Mensch, der sich in ihnen beiden zu sich selbst
verhält, und zwar einfach dadurch zu sich selbst verhält,
daß er sich und seinem technischen Verhalten Zwecke
setzt. Genau wie der Mensch nie „treibt", sondern immer
intentional auf Zwecke ausgerichtet ist, ist auch sein
technisches Verhalten zwedkbezogen. Die Technik läßt
sich deshalb niemals als bloßer Faktor des Mittels von
ihrer Zweckbezogenheit isolieren, weil der Mensch als
technisch sich verhaltender „zweckbezogen", wir können
auch sagen: „verantwortlich" ist.

Theologisch kann man über Technik
nicht (wie Schi.) im Rahmen einer Kulturkritik
, sondern nur im Rahmen der Anthropologie
sprechen.

Der Rezensent glaubt durch seine andern Arbeiten
genügend gezeigt zu haben, daß er jedem Etiketten-An-
kleben gegenüber — besonders, wenn es unter chronologischen
und Generationen-Gesichtspunkten geschieht
— abhold ist. Aber in diesem Falle möchte man doch
geneigt sein zu sagen: Hier spricht eine vergangene theologische
Position, die einer Generation wenig mehr zu
sagen hat, die hinter allem imponierenden Kulturschaffen
„den" Menschen erlebt hat und von diesem Gesicht
erschüttert .ist (auch und gerade, wenn sie nicht einfach
in den Fußtapfen der dialektischen Theologie schreitet).
Alle Zitierung „neuester Literatur" kann nicht darüber
hinwegtäuschen, daß hier weder zur Sache noch zur Lage
gesprochen ist. Diese Theologie hat keine Kategorien
für die apokalyptische Welt-Situation. Und umgekehrt
wird auch kein junger gottgläubiger Techniker Kategorien
haben für dieses einer andern Zeit entstammende
Denken. Er wird nur eine gewisse Anerkennung haben
gegenüber der ehrlichen Bemühung, die hier sichtbar
wird. Freilich mag die etwas lockere Art, in der nach

allen Seiten Zensuren verteilt werden, auf ihn ebenso
schulmeisterlich wirken wie auf uns.

Schriftstellerisch ist das kleine Heft trotz allem eine
i Leistung.

Langenargen a. Bodensee Helmut T h i e 1 i c k e

Schwab, Lic. Wilhelm: Die Vereinigte evangelisch-protestantische
Landeskirche Badens als besonderer Typ einer Unionskirche
. Eine systematische Untersuchung. Heidelberg: Evang.
Verlag Jakob Comtesse 1Q38. (125 S.) 8°. RM 2—.

Es wird zu wenig beachtet, daß die „Union" zwischen
den beiden evangelischen Schwesterkirchen unter
! sehr verschiedenen Gesichtspunkten und Richtlinien vor-
i genommen wurde und die „unierten" Kirchen Gebilde
sind, die sich in ihrer Struktur voneinander sehr unter-
| scheiden. Teilweise hat man eine verwaltungsmäßige
| Vereinigung geschaffen, eine Art Kirchenbund gegründet,
j wobei die beiden Konfessionen voll gewahrt wurden.
Teilweise schritt man zu einer Gemeinschaft auch auf
dem Gebiet der Lehre, indem man auf dem Gemeinsamen
| der Sonderbekenntnisse fußte und die Lehrunterschiede
hintanstellte. Teilweise ging man auf die hl. Schrift als
Norm zurück und suchte von hier aus eine neue gemeinsame
Grundlage für die Lehre. Teilweise wurde zwar
Gottes Wort in der heiligen Schrift als Grund und Richt-
! schnür des Glaubens anerkannt, aber die Bekenntnisschriften
der bisher getrennten Konfessionen mit zugrunde
gelegt. Die letztere Lösung wurde in Baden versucht
; allerdings wird in dem bekannten und umstrittenen
§ 2 der Unionsurkunde die Bedeutung der Bekenntnisschriften
stark begrenzt, sodaß es so erscheinen kann, als
! wenn die Bekenntnisse nur als Belege für die biblische
Grundlage und die freie Forschung in der hl. Schrift
Geltung haben.

Der § 2 lautet: „Diese vereinigte ev.-prot. Kirche legt den Bekenntnisschriften
, welche späterhin mit dem Namen symb. Bücher be-
zeichnet wurden und noch vor der wirklichen Trennung in der evang.
j Kirche erschienen sind, und unter diesen namentlich und ausdrücklich
der Augsburgischen Konfession im allgemeinen, sowie den besonderen
Bekenntnisschriften der beiden bisherigen evang. Kirchen im Groß-
her/.ogtum Baden, dem Katechismus Luthers und dem Heidelberger
Katechismus, das ihnen bisher zuerkannte normative Ansehen auch
ferner mit voller Anerkenntnis desselben insofern und insoweit bei, als
durch jenes erstere mutige Bekenntnis vor Kaiser und Reich das zu
Verlust gegangene Prinzip und Recht der freien Forschung in der
Hl. Schrift als der einzigen sicheren Quelle des christlichen Glaubens
und Wissens wieder laut gefordert und behauptet, in diesen beiden
Bekenntnisschriften aber faktisch angewendet worden, demnach in
denselben die reine Grundlage des ev. Protestantismus zu suchen und
zu finden ist."

Das besondere Gepräge der badischen Unionskirche
stellt Schwab (nachdem er sich in der Einleitung mit den
von uns hier genannten verschiedenen Unionstypen beschäftigt
hat) klar heraus. Die historischen Voraussetzun-
j gen und Grundlagen werden ausführlich und einwandfrei
nach den Quellen behandelt. Dann bespricht Schwab
I die systematische Ausprägung des badischen Typs. Er
I meint, daß die Bekenntnisschriften normative Geltung
behalten hätten und daß die Kirche durch die Bekenntnisse
den Rahmen gebe, innerhalb dessen sich der ein-
I zelne bewegen müsse. Ich kann dies hinsichtlich jenes
§ 2 (gegen Schwab mit Johannes Bauer) nicht finden,
j In späteren Auslegungen und Verlautbarungen wurde es
I aber so ausgesprochen. Schwab stellt fest, daß die badi-
I sehe Kirche, obwohl sie klar und entschieden „bekannt"
habe, viel Weite und Freiheit behalten habe. Dies trifft
im großen ganzen zu, und hier liegt auch der Grund,
warum wir gerade in der heutigen kirchlichen Situation
j (in der der Unterschied zwischen Lutherisch und Reformiert
gewiß nicht das Wesentliche ist, das uns bewegt)
dieser Schrift Interesse entgegenbringen müssen. Die Besonderheiten
der evang.-prot. Landeskirche Badens in
den Agenden (z. B. die referierende Form der Darbietung
des Apostolikums und der Einsetzungsworte des
i hl. Abendmahls), in der Perikopenordnung und im Kate-