Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

367

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Kleines Wörterbuch der Christenheit 1941

Rezensent:

Schian, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

367

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

368

Stählin, Wilhelm: Kleines Wörterbuch der Christenheit. Hrsg.
Kassel: Johannes Stauda-Verlag (o. J.). (126 S.) gr. 8°.

RM 2.85; geb. RM 3.85.

Der Gedanke, wichtige Begriffe aus den Lebensgebieten
des christlichen Glaubens und der Kirche für
Nichttheologen in alphabetischer Folge erläutert zusammenzustellen
, ist gut. Die Ausführung bietet sehr große
Schwierigkeiten, weil bei knappem Raum die Auswahl
der Begriffe ganz dem subjektiven Ermessen unterliegt,
daher immer nur einem bestimmten Interessentenkreis
genügen wird. St. hat über 200 Stichwörter ausgesucht
und auf 125 Oktavseiten, also recht kurz, behandelt. Er
hat die im engeren Sinn theologischen Begriffe, die Kirchenkunde
und Konfessionskunde, die Kirchengeschichte,
Kirchenpolitik und Kirchenverfassung, das kirchliche Vereinsleben
(außer den großen Grundbegriffen) ausgeschaltet
; die aufgenommenen Worte entstammen dem
Gebiet des christlichen Glaubens, des geistlichen Lebens
und der gottesdienstlichen Ordnung. Diese Auslese wird
ganz nach dem Sinn derer sein, die den Anschauungen
St.s und seines Kreises, also vor allem der Berneuchener
Bewegung, nahestehen; andere werden viele Stichwörter
vermissen. Die Artikel sind weniger in der Absicht möglichst
umfassender, allseitiger Information geschrieben,
als zur Entfaltung der für den genannten Kreis durchschlagenden
Gesichtspunkte. Eine irgend erschöpfende
Behandlung ist bei der Knappheit des Raums selbstverständlich
ausgeschlossen; es wird aber auch weniger
versucht, bei umstrittenen Begriffen die Mannigfaltigkeit
der Deutungen ahnen zu lassen, als vielmehr eine bebestimmte
Erklärung als gültig mitzuteilen. Somit bietet
das Kleine Wörterbuch, in Kürze ausgedrückt, eine Darstellung
der Anschauungen, die für den St.schen Kreis
am wichtigsten sind, nach den, für diesen Kreis charakteristischen
Grundlinien. In dieser Art liegt die Stärke,
aber auch die Schwäche des Bändchens. Mitarbeiter (bei
den Einzelartikeln nicht genannt) sind u. a. Heitmann,
A. D. Müller, K. B. Ritter, Heinz-Dietrich Wendland.
Breslau-Sibyllenort M. S c h i a n

Schlemmer, Hans: Die Technik und das Evangelium. Leipzig
J. C. Hinrichs Verlag u. Leopold Klotz Verlag 1941. (30 S.)
8°. RM 1.20.

In seinem anregend geschriebenen Heft behandelt
Schlemmer die „moderne Technik" in ihrem Verhält-
nes zur Religion. Grundlegend für diese Bestimmung
ist die Einsicht, daß die Technik innerhalb des Kulturkreises
ebenso wie Wissenschaft, Kunst und Religion
durch eine „radikale Autonomie" charakterisiert ist (6;
8). Diese Autonomie grenzt sie als eigenständig ab gegenüber
der Natur, der Naturwissenschaft, der Wirtschaft
und der Ethik. Die letztere Abgrenzung hat besonderes
Gewicht, weil in ihr die Technik als „ein Faktor
des Mittels" bestimmt und damit streng von den beliebigen
Zwecken abgehoben wird, denen sie zu dienen
hat. Diese „Mittel-zu-einem-beliebigen-Zweck-Stellung gebe
ihr die Position jenseits von Gut und Böse.

Nachdem so die besondere, eigenständige Kulturfunktion
der Technik herausgestellt ist, wird nach etwas
befremdlichen, aber umso affektvolleren Ausfällen gegen
angebliche theologische Strömungen, welche die Technik
satanisierten und dämonisierten (wer tut das eigentlich —
die dialektische Theologie eingeschlossen? Zitate erwünscht
!) der durchaus positive Kulturbeitrag der Technik
sichtbar gemacht.

Nach der kulturprotestantischen Gesamtkonzeption
des Verf.s muß sich nun sofort die Frage ergeben, wie
sich die Autonomie der Religion zur Autonomie der
Technik verhielte und wie ihr Rangstreit innerhalb der
Hierarchie der Kulturwerte zu entscheiden sei. Unter der
Voraussetzung, daß die Religion zur Kultur gehört, muß
sie sinnvoller Weise den Primat beanspruchen — es sei
denn, daß Technik selbst zur Religion wird. Es ist sehr
bezeichnend, daß die Auseinandersetzung zwischen Christentum
als Kulturfunktion und fälschlich vergotteter

Technik als Kulturfunktion der schwächste Teil der ganzen
Arbeit sind.

Denn es zeigt sich, daß mit den Mitteln der
! Schi.sehen Strukturanalyse des kulturellen Geistes diese
Konkurrenz nicht entschieden werden kann, sondern
daß an die Stelle solcher Entscheidung höchst unmo-
I tiviert und plötzlich die kulturtranszendente These
tritt: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten,
i lieben und vertrauen" (16). In einer sehr unvermittelten
i und fast naiv anmutenden Weise sieht der Leser sich
| plötzlich vor die perfekte richterliche Entscheidung ge-
! stellt — wo steht dieser „Richter" übrigens im Kordi-
j natensystem des objektiven Geistes? —: „Der Versuch,
der Technik dadurch zum Primat zu verhelfen, daß man
sie zur Religion erhebt, ist abzulehnen" (sie! Vom
Rezensenten gesperrt, S. 16). Warum und in welchem
Namen abzulehnen? Die Anonymität dieses Richterspruches
und der im Kultursystem nicht unterzubringende
Ort seines Forums weisen deutlich genug auf die Aporie
dieser Schi.sehen Unternehmung hin.

Die Arbeit klingt aus in programmatischen Gedankengängen
, so etwa in dem, daß man heute nicht „gegen
die Technik" sein könne, weil sie für den „Sieg des
Vaterlandes" eingesetzt werde. Gerade wenn man unter
dem Eindruck dieses technischen Einsatzes steht und
wenn man ebenso selbstverständlich nicht „gegen die
Technik" ist, wird man kaum behaupten wollen, daß dies
ein sinnvolles theologisches Argument sei. Überhaupt
fällt es auf, von wie verschiedenen Ebenen die Argumente
stammen, die — freilich nur für den oberflächlichen
Betrachter — wie in einem Gliede auf dem
Uebungsplatz der Schi.sehen Argumentationen marschieren
müssen.

Der Ausklang der Arbeit ist für sie selber überaus
charakteristisch: Schi, ruft im Namen der Kultur zu
einer Überwindung des spezialistischen „Nur-Techniker-
seins" und der Fachschulen auf. Nur in einer für den
Techniker erschlossenen Welt der allgemeinen Bildung
liege die Garantie für die Bewahrung der Innerlichkeit
(23). Diese aber werde dem Evangelium unbewußt und
ungewollt Wegbereiterin sein. So sehr das kulturpolitische
Argument Schl.s in dieser seiner Eigenschaft
einleuchtet, so unfaßlich will es scheinen, daß Schi,
kulturelle „Bildung" und kulturelle „Unbildung" im
Sinne einer verschiedenen Nähe zum Evangelium behandelt
. Er sollte aus dem NT doch darüber belehrt sein,
daß nicht nur die „Geistlosigkeit", sondern daß auch
der Geist „von sich aus" in unerhörter Weise gefährdet
und vergebungsbedürftig ist — und die „Klugen"
und „Weisen" und „Gebildeten" sind keineswegs von
der Problematik ihres Verhältnisses zu Gott ausgenommen
, sondern in bes. Weise in sie eingeschlossen. Auch
hier ist wieder ein „fremdes" Argument — hurtig in
ein theol. Gewand geworfen — zur Stelle.

Uns scheint die Frage des Schl.schen Buches falsch
I gestellt, und die Frage, um die es wirklich geht, gar-
I nicht gesehen.

Theologisch geht es weder um eine dämonisierende
Abwertung der Technik oder der Kultur, noch um ihre
j Beurteilung im Rahmen des objektiven Geistes — ob-
I wohl man den für einen schlechten Theologen halten
1 müßte, der stur und unlebendig genug wäre, um sich
| vom wachen Blick in diese erregenden Zeitprobleme zu
dispensieren. Nur soll man das, was die Augen hier
sehen, nicht in Bausch und Bogen für eine theol. Er-
i kenntnis halten.

Jedenfalls spricht das NT nicht von solchen Bewertungen
„des Geistes", „der Kultur", „der Technik" —
genau so wenig wie es eine Bewertung etwa „des Reich-
I tums" gibt. Wohl aber spricht es von geistigen, sowie
j innerlich und äußerlich reichen Menschen und würde
) in einer andern Zeitlage wohl auch von „technischen
| Menschen" reden. Das heißt auf unser Problem ange-
! wandt: Die Technik ist theologisch relevant als eine Verhaltungsweise
, als ein „Werk" des Menschen, in dem