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Ausgabe:

1941

Spalte:

363-364

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Brauch und Sinnbild 1941

Rezensent:

Schulze, Robert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

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stesgeschichie und Seelenhaltung ist" (S. 576). Während das Judentum
naturfeindlich ist, hat das Griechentum ein inniges Verhältnis zur
Natur ersehnt und den naturverbundenen Menschen besonders hoch bewertet
. Auch das Frühchristentum hat dieser bukolischen Grundhaltung
einen weiten Raum gegeben. Die Naturgleichnissc und die
schlichten Erzählungen von Hirten und Fischern kamen der griechischen
Natursehnsucht stark entgegen. Auch diese bukolische Ausmalung
in den Evangelien läßt wieder den Gegensatz der christlichen
zur jüdischen Grundhaltung klar hervortreten. — Auch
die Arbeit eines schwedischen Theologen wäre hierher zu rechnen
: Bohl in, Die Kirche und das Reich Gottes. In dieser
Arbeit eines Ausländers ist es wichtig, daß auch er die konfessionelle
Spaltung als Sünde bezeichnet (S. HO). Die Frage nach einer Überwindung
dieser Mißstände will er von der neutestamentlichen Vorstellung
des Reiches Gottes aus gewinnen. Er warnt vor einer Gleich-
setzung irgendeiner kirchlichen Gestalt mit dem Ideal des Reiches
Gottes, warnt auch vor einer Überwindung der konfessionellen Individualitäten
durch Uniformierung. Dagegen fordert er den Geist des
echten Verstehens und der gegenseitigen Achtung. Für Lehre und
Ethos verlangt er Freiheit der Gestalt, aber Bindung gegenüber dem
Auftrag, das Evangelium zu verkündigen. Er hält auch eine gemeinsame
Arbeit von verschiedenen Kirchen für möglich, die er sich aber
ganz anders denkt als die unter englischer Vorherrschaft stehende
ökumenische Weltkirchenkonferenz.

Von den übrigen Arbeiten seien folgende genannt und empfohlen:
F a b r i c i u s, Kulturphilosophische Grundlagen der Religionswissenschaft
; Pfennigsdorf, Gustav Teiclnnüllers Bedeutung für die
erkenntnistheoretische Grundlegung der Theologie; Redeker, Theologie
und Weltanschauung (dargestellt bei Marheineke); Rosen-
qvist, Das ethische Moment im Religionsunterricht; H. W.
Schmidt, Freiheit und Prädestination in der Geschichte; Schmidt-
J a p i n g, Uber das „christliche Verständnis vom Menschen".

Diese Festgabe erbringt den Beweis, daß es heute
eine Theologie gibt, die frühere Versäumnisse klar erkennt
, selbst aber fest entschlossen ist, in unverbrüchlicher
Treue zu der von Gott uns geschenkten Gemeinschaft
unseres Volkes diesem die religiöse Einheit mit-
zuerringen.

Jena H. E. Eiscnhuth

Brauch und Sinnbild. Eugen Fehiie zum 60. Geburtstag gewidmet
von seinen Schülern und Freunden. Hrsg. v. Ferdinand Herr-
mann und Wolf gang T r e u 11 e i n. Karlsruhe: Südwestdeutsche
Druck- u. Verlagsges. in Komm. 1940. (IV, 291 S., 51 Taf.)
gr. 8°. RM 9.50.

Eine klare Dreiteilung liegt der Fehrle-Festschrift zu
Grunde: Am Beginn stehen drei Beiträge, die den Jubilar
und sein Werk umreißen, den Kernpunkt des Buches bilden
zwei grundsätzliche Beiträge zum titelgebenden Thema
des Sammelwerkes: „Brauch und Sinnbild" und den
Beschluß bilden Einzeldarstellungen, die, mehr oder weniger
eng an das Gesamtthema anschließend, in kleinerem
Rahmen unterbauendes und ergänzendes Material
liefern.

Die Festschrift ist insofern ein dokumentarischer
Spiegel unserer Zeit, als sie in all ihren Beiträgen durchzogen
ist von dem Ringen um den Gehalt, der dem
Sinnbild zuzuerkennen ist.

Friedrich Pfister kommt in seinem Aufsatz „Bild und Sinnbild"
(S. 34—47) aufgrund germanischer Belege zu der Feststellung „Ein
Sinnbild ist immer ein krafterfülltes, wirksames Bild" (S. 43), warnt
aber auch zugleich davor, alle Erscheinungen altgermauischer Kultur,
die auf uns gekommen sind, als Sinnbilder zu bezeichnen. Oft sind
es keine Sinnbilder gewesen, sondern nur ganz „konkrete Gegenstände
". Die Zeichen des Runenalphabetes z. B. hatten fünf verschiedene
mögliche Bedeutungen (S. 3y): 1) Sinn- oder besser Kraftzeichen
von magischer und religiöser Bedeutung, 2) Bedeutungszeichen
zu praktischen Mitteilungen, 3) Lautzeichen oder Buchstaben,
4) Schnöde und Zierrat, 5) Eigentumszeichen, Hausmarken.

Ferdinand Herrmann („Brauch und Sinnbild im Bereich volks-
kundlich-ethnologischer Fragestellung", S. 48—-63) folgert aus dem
Kraftbesitz des Bildes und der Tatasche, daß die Kraft nur dem Kultübenden
zuteil wird, daß derjenige Wissenschaft übt, wer nicht Wissen
um das Bild sammeln will, sondern dessen „Weisheit" teilhaftig zu
werden strebt. Wissen vermittelt nur Allegorie. „Aus dem Symbol dagegen
leuchtet Weltanschauung" (S. 56). Nur jemand, der den zugehörigen
Brauch übt, versteht das Bild recht.

* Die Gegenthese leuchtet besonders aus den Beiträgen von Otto
Lauffer, Stilpon Kyriakidiis und Georg Stuhlfauth hervor. Otto Lauffer
wehrt sich am Schlüsse seines Beitrags („Wunderbäume und Wunschbäume
im Schrifttum und in der bildenden Kunst", S. 161 — 178) gegen
die Einschaltung von zu viel haltungsmäßigen Elementen in die
Forschung, die oft auf nicht genügend fundamentierte Setzungen ver-
| ziehten können. (Lauffer, S. 178: ,,. . . für den heute immer wieder
! genannten Begriff des „Lebensbaumes" finde ich . . . keine greifbaren
Unterlagen . . . ich selbst habe die Einzelfragen, die sich daraus ergeben
, nach den verschiedensten Seiten untersucht ... ich kann
hierzu nur sagen, daß es den wissenschaftlichen Ansprüchen nicht
! genügt, wenn man . . . kurzer Hand erklärt, „daß der Lebens- und
Weltenbaum ein Zeitenbaum ist"; und daß Baum und Quelle „Sinnbilder
der Erneuerung" seien."

Stilpon Kyriakidis erhärtet durch Beispiele seiner griechischen
! Heimat die These von der leichteren, harmloseren Auffassung vieler
j Sinnbilder, deren Erkenntnis nicht magische und symbolische Einheit
| voraussetzt, sondern spielerisches, kindliches Einfühlen. K. zeigt
j mehrere Beispiele volkstümlich sinnbildlicher Handlungen auf, bei denen
„ein absoluter Glaube an ihre Kraft und Wirksamkeit durchaus nicht
besteht" (S. 158). Es handelt sich lediglich um die spielerische Dar-
j Stellung einer Wunschäußerung. K. kann darauf hinweisen, daß Fehrle
| selbst betont hat, „daß unter den tiefsten Regungen des mensch-
I liehen Herzens auch Wünsche und Sorgen vorhanden seien, die das
I Volk in sichtbarer, anschaulicher Form zum Ausdruck bringt. Wenn
■ diese Äußerungen alljährlich wiederholt werden, so werden sie zu
I Volkshräuchen". Diese Quelle von Brauch und Sinnbild ist also nicht
religiös oder magisch, sie erschließt sich der bloßen Wissenschaft.

Georg Stuhlfauth endlich führt mit seinen Ausführungen über
„Neuschöpfungen christlicher Sinnbilder" (S. 230—246) in Gebiete,
die von vornherein die zweitrangige Bedeutung der Sinnbilder gegenüber
eines dargestellten erstrangigen, außerhalb des Sinnbildes befindlichen
Inhaltes voraussetzen. Am freimütigsten gesteht Stuhlfauth:
„Auch Sinnbilder haben ihre Zeit. Und für ihr Kommen muß die
Zeit ebenso erfüllt sein wie für ihr Vergehen" (S. 246).

Ein reicher Bildteil beschließt die lesenswerte Sammlung
. Es ist ein Buch voll Kampf und Streben, aber
auch voll Offenheit und Weitherzigkeit, das den Jubilar
I ehrt, jenen Gelehrten mit weitestem Arbeitsfeld, jenen
i politischen Kämpfer, jenen hervorragenden Repräsentanten
deutscher Geisteswissenschaft, als der er jüngst erst
nach Straßburg berufen wurde zu weiterem, erfolgreichen
, hoffentlich noch recht langem Wirken.

Berlin Robert Schulze

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Hedderich, Dr. theol. Hans Felix: Die Gedanken der Romantik
über Kirche und Staat. Gütersloh: C. Bertelsmann 1941.
(172 S.) 8° = Beitr. z. Förd. christl. Theologie. Bd. 43, H. 1. RM 4—.

Die Schrift (Heidelberger Diss.) ordnet ihren Stoff
in folgender klarer Weise. Das 1. Kapitel skizziert die
! romantische Ideenwelt und ihre religiöse Entwicklung.
| Unter den Gegenbewegungen gegen die Aufklärung
nimmt die Romantik eine Zwischenstellung ein, die nach
! Sturm und Drang, vor dem Idealismus liegt. Der Fun-
I damentalsatz sei: „Nicht mehr werden Verstand und Ge-
i fühl gegeneinander ausgespielt, sondern zu einer höheren
] Einheit sollen sie sich zusammenfinden" S. 17. Unter
I den religiös wichtigen Ideen nimmt der Organismusge-
I danke einen besonderen Platz ein. An der Entwicklung
I der Romantik ist vor allem bedeutsam, daß von einer
I Frühromantik die sog. Spätromantik zu unterscheiden
ist und daß letztere die Wendung zum Katholizismus
fördert. Die Motive des Katholisierens werden im einzelnen
aufgezählt.

Das 2. Kapitel umreißt romantische Ideen über Kirche
, Staat und das Verhältnis beider zueinander. In der
j Hauptsache wird dabei der Staatsgedanke berücksichtigt
, weil darüber „die Grundanschauungen überall gleich
i sind" S. 67. Dagegen sei der Kirchenbegriff außeror-
: dentlich verschieden gefaßt worden, sodaß er besondere
; Einzeldarstellungen erfordere. Als solche bietet der Verf.
I in Kapitel 3 bis 5 die Gedanken über Kirche und Staat
I bei den Hauptvertretern der katholisierenden Romantik,
sodann bei Schleiermacher, schließlich bei Friedrich Julius
Stahl. Im 3. Kapitel werden Novalis, Friedrich
Schlegel, Adam Müller aufgeführt. Den Nachdruck legt
der Verf. auf die Behandlung Schleiermachers und Stahls.
Das abschließende 6. Kapitel formuliert den Ertrag der
Arbeit: „Der säkulare Lösungsversuch des Kirche-Staat-