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Ausgabe:

1941

Spalte:

21-25

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Asting, Ragnar

Titel/Untertitel:

Die Verkündigung des Wortes im Urchristentum 1941

Rezensent:

Käsemann, Ernst

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 1Q41 Nr. 1/2

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den. Er ist in der Form ekler Erzählung gestaltet.
„Ein Reisender zu Pferd näherte sich im Jahre 688 v.
Chr. von Norden her der Stadt Assur. Dieser Fremdling
war ein Jonier, den der Drang, die Umwelt kennenzulernen
, aus seiner ephesisehen Heimat auf die Wanderschaft
getrieben hatte, wie manche seiner Landsleute,
die mit offenem Blick und wachen Sinnen in den wie im
Schlummer liegenden östlichen Ländern Umschau hielten
oder Kriegsdienste leisteten". Dieser Jonier wird durch
die Stadt geleitet und wir erfahren, was er sieht und
wie ihm Auffallendes und unverständlich Erscheinendes
von Stadtbewohnern gedeutet wird. In lebendiger Plastik
, durch vortreffliche Wiiederherstellungsskizzen unterstützt
, entsteht so für uns ein Bild von Assur, der Stadtanlage
, den Mauern und Toren, den Privathäusern und
Gräbern, dem Assurtempel (in seinen Baustadiien), dem
Stufenturm, dem nach babylonischem Vorbild erbauten
Festliaus des Assur und anderer Tempel. Der Verf. läßt
auch Kultbegehungen vor unseren Augen sich vollziehen,
sodaß man eine Vorstellung von Opfern und Prozessionen
erhält. Nicht ohne Absicht bat Andrae den Betrachter
, einen Griechen, einen westlichen bzw. nordischen
Menschen sein lassen, mit dem ja der Ausgräber
selbst und der Leser in geistiger Verwandtschaft stellt,
und den darum die Andersartigkeit des alten Orients
unmittelbar trifft. Es ist dem Verf. ein ernstes Anliegen
über die reine Beschreibung hinaus (die in Kolde-
weys Buch vorherrscht) das eigentliche Wesen altorientalischer
Baugestaltung und Lebensform zu interpretieren
.2 Manche Fragen, die im Einzelnen hier nicht behandelt
werden können, treten da auf (etwa zu dem
S. 49—51 Gesagten), wie es ja auch keinem Zweifel
unterliegt, daß bei einer derartigen Wesensschau die
Individualität des Autors von entscheidender Bedeutung
ist. Daß daher sich gerade bei diesem ersten Teil bei
denen Widerspruch anmelden wird, die auf Grund der
uns überlieferten religiösen und profanen Texte ein
differierendes Bild von der assyrischen Welt haben,
wird nicht wunder nehmen. Gleichwohl ist Andraes Darstellung
von „Assur zur Zeit des Königs Sanherib"
in ihrer Art geschlossen und eindrucksvoll. Der zweite
Teil „Assur im geschichtlichen Werden" (S. 58—199)
läßt deutlich erkennen, daß Andrae als geschulter
(irabiwigsarchitekt am Werke war und alle Fundum-
stände (vgl. S. 90) sorgsam ausgewertet hat. Vor allem
die Sakralarchitektur (Breitraum, Langraum, Hochtempel
) ist durch Andraes verschiedene Arbeiten, zu denen
sich solche von Marti ny (Kultrichtung, Gegensätze
im bab. und ass. Tempelbau) gesellen, weitgehend
geklärt worden. Zum Hochtempel (Zikkurat) sei auf die
Bemerkungen von W. v. Soden in den üöttingeschen
Gelehrten Anzeigen 1938, S. 516 ff. hingewiesen. Die
vielen Zeichnungen von 170 Abbildungen auf Tafeln
vermitteln nebst Stadtplan die notwendige Anschauung
des Geschilderten. Andrae sagt zum Schluß (S. 192),
daß die Ausgrabung in Assur von Ergebnissen gekrönt
war, die nicht erwartet waren und noch weilt in die Zukunft
ragen werden. Dies gezeigt zu haben, ist das
große Verdienst dieses Werkes."

Hallea.S. Kurt Galling

2) Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht das Hekenntnis des Ausgräbers
auf S. 170 f.

3) Ein Anhang (S. 193 ff.) gibt einen Bericht über den Grabungsverlauf
und die geologischen und klimatischen Gegebenheiten von Asur.

NEUES TESTAMENT

Asting, Ragnar: Die Verkündigung des Wortes im Urchristentum
. Dargestellt an den Begriffen „Wort Gottes", „Evangelium" und
„Zeugnis". Stuttgart: W.Kohlhammcr 1939. (XVI.749S.)gr.8°. RM36—.
Schon 1936 fertiggestellt, sollte dieses nach dem allzufrühen
Tode des Verfassers von Freunden herausgegebene
Werk eine weitgreifende Untersuchung über das

Wesen der urchristlichen Verkündigung einleiten. Die
Fruchtbarkeit dieses Ansatzes wird aus der Behandlung
der im vorliegenden Bande mit außerordentlicher
Energie dargestellten Hauptbegriffe ersichtlich. Nach
Aufdeckung der at.lich-jüdischen und griechischen Wurzeln
werden jeweils die einzelnen Termini in den. verschiedenen
Überlieferungsschichten des nt.-liehen Zeitalters
exegetisch geprüft. Die Ergebnisse sind in kurzen
Schlußabschnitten zusammengefaßt. Diese Methode
gewährt zwar einen Überblick über das gesamte Material,
ermüdet aber durch unnötige Breite und vielfache Wiederholungen
. Wenn auch die Benutzung des Theol.
Wörterbuches leider nur noch beim Begriff „Evangelium
" erfolgen konnte, so wäre doch eine stärkere Auseinandersetzung
mit der sonstigen Literatur erwünscht
gewesen. Und jedenfalls hätte ein Stellenregister nicht
fehlen sollen. Der Druck ist im allgemeinen zuverlässig.

Verschreibunsen notiere ich auf S. 111, S. 3 ; S. 152, Z. 25 ; S. 259,
Z. 27; S. 293, Z. 9 ; S. 313, Z. 18; S. 613, Z. 17; S. 244, Z. 36 fehlt
ein „als"; S. 245, Z. 1 und S. 512, Z.£5 die erste Silbe; S. 457, Z. 18
ein „nicht"; auf S. 338 sind in den Zeilen 10 und 11 die ersten Buchstaben
auszutauschen; S. 335, Z. 27 ist Mk. statt Mt. zu lesen.

Als wichtigstes Resultat tritt immer wieder die Kontinuität
zum at.lich-jüdischen Verständnis der Verkündigung
heraus. Die im einzelnen zu bemerkenden griechischen
Einflüsse akzentuieren diese Feststellung im
ganzen nur um so stärker. Kritisch ist allerdings alsbald
hervorzuheben, daß die von A. immer wieder betonte
„schöpferische Wirksamkeit" des Wortes eine romantische
und phantastische Zuspitzung erfährt, welche
die textlichen Sachverhalte oft genug verzerrt und z.
B. der nt.lichen Botschaft ihren gelegentlichen Hiuweis-
charakter völlig abspricht. Ebenso halte ich den Verzicht
auf eine eingehende Analyse des Wesens der gno-
stischen Verkündigung für einen grundsätzlichen Fehler
in der Anlage der Untersuchung. Konkret ergibt sich
daraus eine Vereinfachung der Problemstellung, die dem
gegenwärtigen Stand etwa der Paulus- und Johannes-
forschung nicht gerecht werden kann und zu schnell
die Kontinuität zum AT. und Judentum als erwiesen
ansieht, wo die Divergenz zur Linie des klassisch Griechischen
und ihrer Fortführung in der hellenistischen
Philosophie deutlich geworden ist.

1. Wort Gottes ist im AT. ebenso wie das Menschenwort
Manifestation des dahinterstehenden und Gemeinschaft
bildenden Willens. Es erweist sich deshalb,
wie Wort und Sache bzw. Ereignis hier überhaupt nicht
grundsätzlich unterschieden sind, in allen seineu Beziehungen
zugleich als schöpferisch^ indem es Entscheidung
wirkt und Zukunft heraufführt. Im Nonüsmus
verengt sich dieses Verständnis insofern, als das nun
primär als Gotteswort begriffene Gesetz in zunehmendem
Maße den Anredecharakter des Wortes verliert und
im Diesseits verankert wird, wodurch das schöpferisch-
eschatologische Moment im Gotteswort eine Aushöhlung
erfährt. Dem Griechentum, dem sich das hellenistische
Judentum stärkstens zuordnet, ist der Logos Träger
der Vernunft, zeugt als solcher vom Faktischen und
übermittelt Gedankeninhailte. In der Aufdeckung des Daseinssinnes
erweist er sich als göttlich. Ragt im allgemeinen
zwischen Wort und Werk eine Kluft, so gilt
das erstere als wirkende Kraft nur, wo wie im Zauber
primitive Anschauungen durchbrechen. Auch im Urchristentum
ist das Gotteswort wie im AT., aus dem es
seine formale Struktur übernimmt, die schöpferisch in
Entscheidung stellende, Gehorsam oder Verdammnis wirkende
Offenbarlingshandlung eschatologischer Art. Als
Wort erhebt es Anspruch auf Verständlichkeit, weil es
sonst ja nicht Entscheidung herbe.izwänge. Von seiner
at.licheu Vorbereitung unterscheidet es sich durch seinen
Charakter als endgültige Gottesoffenbarung und
durch seinen Inhalt, nämlich das in Tod und Auferstehung
gipfelnde und in der Parusie sich vollendende
Christusgeschehen. Ist Christus — durchgängig mit
dem Wort fast identisch — doch recht eigentlich Got-