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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

359-363

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Luther, Kant

Titel/Untertitel:

Schleiermacher in ihrer Bedeutung für den Protestantismus 1941

Rezensent:

Eisenhuth, Heinz Erich

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

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und M. Schlunk. Ersterer greift die Allgemeingültigkeit der These
Wennings an, daß das NT uns lehre, die Fremdreligion immer unter
dem Gesichtspunkt zu beurteilen, daß dort neben Schuld zugleich
„ein in Unmündigkeit Festgehaltensein" zu beachten ist; er weist dabei
vor allem auf den Unterschied hin, der in der Beurteilung des AT's
gegenüber anderen Religionen im NT vorliegt. — M. Schlunk
zeigt die Einzigartigkeit des Christentums gegenüber den nichtchristlichen
Religionen an der Stellung zum Problem von Glaube und Geschichte
: das Evangelium enthält, die wesensmäßig geschichtsgebunde-
nen Anschauungen der Religion des AT's, des Islams und des Par-
sismus überbietend und vollendend, vor allem die Bürgschaft dafür,
daß die eschatologischen Hoffnungen, in denen das Ziel des Weltgeschehens
zum Ausdruck kommt, nicht nur Hoffnungsträume bleiben,
sondern Wirklichkeit werden, und das, weil Jesus nicht nur Heils-
verkünder, sondern vielmehr auch Heilsmittler ist, in dem Gott persönlich
in die Geschichte eingegriffen hat.

Ein seltenes Zeugnis subtiler geschichtlich-theologischer Arbeit
gibt J. F i c k e r. Über K. Ed. Förstemann hinaus weist er nach,
daß die Verschiedenheit der Tetrapolitana nicht nur in den handschriftlichen
und gedruckten Texten, sondern schon in den handschriftlichen
Originalen festzustellen sind, woraus im übrigen ersichtlich wird,
daß nach evangelischer Auffassung die Bekenntnisse nicht dem Buchstaben
nach unantastbar sind. — Außer den Theologen hat sich auch
ein Philosoph an der Festschrift beteiligt: G. Stammler. Er weist
nach, wie die schwierige Frage des ,,Stils in der Wissenschaftsgeschichte
" nicht anthropologisch-psychologisch zu lösen ist, indem man
die in der Geschichte nachweisbaren verschiedenen Arten wissenschaftlicher
Arbeit, d. h. der Anwendung menschlicher Fähigkeiten im
Ringen um die Wissenschaft untersucht, sondern nur so, daß man
sich die verschiedenen Möglichkeiten vergegenwärtigt, die im Denken
als solchem zur Ordnung des Zusammenhangs enthalten sind: die
systematische Besinnung gibt die Leitgedanken für das Verständnis
der Geschichte. Eben damit meint der Philosoph eine dem Theologen
gleichlaufende Betrachtung anzuwenden; man könnte hinweisen auf
den Satz W.'s: „Das Tiefste in der Geschichte wird nur vom Tiefsten
in uns . . . erkannt, die Glaubenswirklichkeit nur vom Glaubensauge
" (Geschichte und Glaube S. 153).

Das Bemühen um diesen „selbständigen Einsatz" hat
tatsächlich weithin in der Theologie die Wandlung hervorgebracht
, wie sie sich heute vollzieht und wie sie W.
als seinen Intentionen entsprechend in der Mannigfaltigkeit
der Gedanken dieser Aufsätze begrüßen kann.

Die werdende Theologie sieht sich im Blick auf eine
bisher herrschende Theologie vor die Problematik zwischen
Esoterik und Exoterik gestellt. Sie ist neu darauf
aufmerksam geworden, daß die Konzentration auf das,
führt weiter unter dem Einfluß der Geisteslage, in der
„Raum der Kirche" hinaus zur Ausweitung führt: das
iv Xoiow hat seinen Zielpunkt in der Welt! Die Ausgestaltung
dieser Welt und Ich ernstnehmenden Position
führt weiter unter dem Einfluß der Geisteslage, in der
wir uns befinden, auf die Auseinandersetzung mit dem
Intellektualismus: die Theologie bekommt wieder Sinn
für das Gebiet jenseits, unterhalb der Ratio und eben so
für das „Tiefste in uns"; sie lernt wieder das Naturhafte
, das Leben als Schöpfung würdigen. Im Blickfeld
erscheint eine Lebens- und so eine neue Geschichtstheologie
. Jetzt wird einerseits die Trennung vollzogen gegenüber
den eng zusammengehörenden, weil intellektuali-
stisch ausgerichteten Einstellungen des Dogmatismus und
des Liberalismus. Andererseits aber wird gerade nunmehr
die „idealistische Fragestellung", die die dialektische
Theologie durch die Antithese überwinden wollte,
aber naturgemäß nicht konnte, wieder aufgenommen, ja
sie kehrt in vertiefter Form wieder, nämlich als unmittelbarer
Ausdruck der Lebensbewegung. Ebenso erhält jetzt
die ethische Frage als im Ansatz der Theologie wurzelnd
von neuem ihre Bedeutung:^' Xoio-nö ist ja der ganze
Mensch. Auf diese Weise fixiert die ..Theologie „das
Tiefste in uns" und ist eben so recht eigentlich Theologie
, und das, weil und insofern sie Lebens- und Geschichtstheologie
ist.

Bonn W. Ruttenbeck

Luther, Kant, Schleiermacher in ihrer Bedeutung für den Protestantismus
. Forschungen und Abhandlungen. Georg Wobbermin
z. 70. Geburtstag (27. Okt. 1039) dargebracht von Kollegen,
Schülern u. Freunden. Herausgeber: Friedrich Wilhelm Schmidt-
Berlin; Robert Winkler-Breslau; Wilhelm Meyer-Schwerin i. M. Berlin
: Arthur Collignon 1039. (XVI, 590 S.) 8°. RM 12—.

Diese Festschrift umfaßt 23 Abhandlungen aus fast
allen theologischen Disziplinen, außerdem eine umfangreiche
Zusammenstellung des wissenschaftlichen Schrift-
S tums von Wobbermin. Es hat einen tiefen Sinn, daß
i diese Festgabe unter dem Namen von Luther, Kant und
j Schleiermacher herausgegeben worden ist. Mit diesen
J Namen verbindet sich zunächst das theologische Pro-
! gramm des Jubilars. Unermüdlich hat Wobbermin ihr
j Erbe für die Gegenwart fruchtbar zu machen versucht
i und der dialektischen Theologie und dem englisch be-
j stimmten ökumenischen Weltkirchentum erfolgreich ent-
' gegengestellt. Sodann wird es ersichtlich, daß sich in
{ dieser Linie eine große Zahl deutscher Theologen, bei
aller Verschiedenheit der Einzelnen, doch einig sind und
j für eine Weiterführung der Reformation unter dem Einfluß
des deutschen Geisteslebens eintreten. Viele der
Aufsätze gehen unmittelbar auf die Fragen der religiösen
Erneuerung des Christentums ein und zeichnen sich
durch eine gemeinsame Grundhaltung aus: die national-
| sozialistische Weltanschauung und das durch die Erhebung
neu erwachte rassisch bewußte völkische Denken
werden rückhaltlos anerkannt, und von diesem „Grundtext
deutschen Lebens" aus wird, wie Odenwald sagt,
versucht, das Gottesgeheimnis in Christus neu unserem
Volk zu erschließen (S. 356). Wir fassen einige der
Hauptgruppen dieser umfangreichen Sammlung zusammen
.

I. Die Luther-Aufsätze:

I. R. Winkle r, Der Transzendentalismus bei Luther. Winkler
versteht unter dem von Kant entlehnten Begriff des Transzendentalen
die von Luther geltend gemachte Beziehung zwischen der Gotteswirklichkeit
und der glaubenden Subjektivität. Er stellt diese reformatorische
Wiederentdeckung in ihrer grundsätzlichen Bedeutung dar und
grenzt sie gegen subjektivistische Mißverständnisse ab, obwohl er
einige Lutherworte erwähnt, die eine solche Ausdeutung rechtfertigen
könnten (S. 35). Einseitig erscheint uns allerdings in diesem Zusammenhang
die Darstellung des spekulativen Idealismus Fichtes. Auch
fragt es sich, ob der kantische Begriff, der eine formale Beziehung
zwischen dem Subjekt und dem Objekt der Erkenntnis meint, geeignet
ist, eine inhaltlich bestimmte Beziehung zwischen dem Göttlichen
und dem Menschlichen darzustellen, weil in dieser doch Gott allein
der alles Wirkende ist. — 2. G r u n d m a n n, Paulus und Luther.
Grundmann weist auf die großen religiösen Unterschiede zwischen
Paulus und Luther hin, die er wesentlich von der völkischen Zugehörigkeit
aus versteht. Nicht nur die Bekehrungsart ist verschieden,
sondern auch die sich aus dieser ergebende theologische Ausprägung
des Glaubens. Dies wird besonders beim Rechtfertigungsglauben nachgewiesen
. Hier ist für Luther der germanische Ehrbegriff von entscheidender
Bedeutung. Die Rechtfertigung besteht darin, Gott die
Ehre zu geben. Auch in der Stellung zur Welt zeigt sich der germanische
Durchbruch in der christlichen Frömmigkeit Luthers. Sein
Denken ist von dem Schöpfungsglauben und von der Alleinwirksamkeit
Gottes durchherrscht. — 3. Joh. W e n d 1 a n d, Schrift und Erfahrung
, die beiden zusammenhängenden Prinzipien des Protestantismus
. Wendland sucht unter Berufung auf Luther an die Stelle
des Formal- und Materialprinzips die Heilsoffenbarung in der Schrift
und die Erfahrung des Glaubens zu setzen und als die beiden Grundlagen
der Kirche zu erweisen.

II. Mit Schleiermacher befaßt sich der Aufsatz
von Wehrung, Religion als Bewußtsein schlechthinni-
ger Abhängigkeit.

Wehrung versteht Schleiermachers Bestimmung der Religion als
eines schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls nur als die Beschreibung
eines allgemeinen v o r religiösen Zustandes. Damit kann mir die
Voraussetzung der wirklichen Religion bezeichnet werden, weil zu
dieser wesentlich eine geschichtliche Entscheidung gehört. Wichtig
ist von hier aus Wehrungs Auseinandersetzung mit der Schleiermacher-
| Auslegung Wobbermins und seine Beurteilung der Hegelschcn Kritik
an Schleiermacher.

III. Arbeiten, die sich direkt mit Wobbermins Theologie
befassen.

1. Wilhelm Meyer, Religionspsychologie, Historismus und Psy-
1 chologismus in der evangelisch-protestantischen Theologie seit Schleier-
; macher. Meyer bringt neben einer sehr aufschlußreichen Inhaltsangabe
zunächst nur ein Kapitel, die Problementfaltung, seiner Arbeit. Diese
: soll gesondert erscheinen (offenbar die Habilitationsschrift des Verf.).
I — 2. Hunger, Wobbermins religionspsychologischer Zirkel im Zusammenhang
mit der Ganzheitspsychologie betrachtet. Besonders wich-
| tig ist bei dieser Arbeit, daß Hunger die ganzheits-psychologischen
Ergebnisse von Sander, Krueger und Petermann für die Religionspsy-