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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

356-357

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Buße und hl. Ölung in der byzantinischen Kirche 1941

Rezensent:

Haugg, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

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Schriften erschließen hilft. Sie ist geschaffen „aus dem
Grenzenlosen und Chaotischen an H., aber auch seinem
Spürsinn für Werte, aus seiner Bücherliebhaberei und
Jägerei. . . Als Grundriß umfassend, blieb sie in vielen
Stücken . . . nur Entwurf, Zeugnis eines universalen
Geistes und ebenso höchstpersönlicher Antriebe" (S. 53).
So wird sie Quelle für das Verständnis seines Wesens.
Allgemeine Züge wie die nach Ganzheit dürstende „Pan-
historie" (Lessing) H.s, aber auch viele Einzelzüge (z. B.
die Mitbedingtheit seiner Bekehrung durch den Einfluß
des englischen Geisteslebens, S. 50 f.) treten ins Licht.
Die Verfasserin, die vor allem auf den Arbeiten Nadlers
und Ungers fußt, macht ihren Stoff durch Hinweise auf
die Bedeutung des Lesens für H. fruchtbar (es soll ihm die
Fülle des Lebens vermitteln, durch Fremdes die eigne
Seele in Tätigkeit setzen, durch Herausforderung der
Antwort das Gefühl einer in ihm tätigen Kraft verstärken
). Das Religiöse kommt mit zur Geltung, aber nur
im Rahmen des Ganzen. — Der 1. Teil behandelt den
„Leser H.", die schwierige Gewinnung des Materials zum
Bücherverzeichnis, Entstehung und Schicksal der Bücherei
, ihre Struktur, ihr Äußeres, den durch H. selbst verfaßten
Katalog von 1776, der freilich auch den Nachlaß
seines Freundes Lindner umfaßte, die Bedeutung für die
H.-Forschung. Der 2. Teil bringt das Ergebnis der verwickelten
Untersuchung, d. h. das Verzeichnis der Bücher
, in sachlicher Gliederung. — Daß dabei manches
Fragezeichen bleibt, kann das Verdienst der sorgfältigen
Arbeit nicht schmälern. Im Literaturverzeichnis fehlt
Wichtiges (vgl. das Verzeichnis in meiner Gesch. d.
evang. Theologie seit d. Deutschen Idealismus, S. 18).
Leipzig H. Stephan

DIE OSTKIRCHE

Schakhovskoy, Johann: Archimandrit: Betrachtung über die
Religiosität Puschkins. Übers v. Bruno Goetz. Berlin: Verlag die
Brücke in Komm. 1941. (55 S.) 8°. RM 1.50.

Der Verfasser ist Geistlicher in der russisch-orthodoxen
Diözese von Berlin und Deutschland, Körperschaft
des öffentlichen Rechts. Die Verhältnisse der Ostkirche
in Deutschland sind den Meisten unbekannt, darüber hinaus
in sich verwickelt. Die russisch-orthodoxe Auslandskirche
, die Kirche in der Emigration, verfügt heute über
eine eigene wohlgegliederte Diözesanverfassung und hat
Kirchengemeinden in aller Welt. Seit dem sogen, eulo-
gianischen Schisma, das schwer auf der ganzen russischorthodoxen
Auslandskirche lastet, zerfällt sie aber in den
Jurisdiktionsbezirk der Bischofssynode der russich-ortho-
doxen Kirche des Auslandes, Vorsitzender Metropolit
Anastasius in Belgrad, und den Jurisdiktionsbezirk des
Metropoliten Eulogius, Paris. Erstere Gruppe umfaßt
bei weitem die Mehrheit der Bischöfe, des Klerus und
der Gläubigen und ist auch von der Deutschen Reichsregierung
anerkannt. Die sogen, eulogianischen russischorthodoxen
Kirchengemeinden in Deutschland unterstehen
dem Archimandriten Schakhovskoy (darüber dem
Bischof Sergius in Prag). Sie sind aber, um für Deutschland
mit der Beseitigung des unheilvollen Schismas
voranzugehen, durch besonderen Vertrag der orthodoxen
Diözese von Berlin und Deutschland unter Erzbischof
Seraphim angeschlossen und eingegliedert. Der Verfasser
ist Geistlicher in der russisch-orthodoxen Kirchengemeinde
zu Berlin-Wilmersdorf/Nachodstraße. Er ist ein
überaus tätiger und gewissenhafter Seelsorger, dessen
Gemeinde sich eines blühenden religiösen Lebens rühmen
darf. Die christliche Sinngestaltung des Archimandriten
Johannes ist eine sehr verinnerlichte und eigenartige, die
auch außerhalb der Orthodoxie Aufmerksamkeit gefunden
hat. (Vergl. seine Publikationen: Das einige Hirtenamt,
Lob der Auferstehung, Land der Gadarener.) Ausgehend
von früheren Untersuchungen über die Religion bei Dostojewski
und Tolstoi legt Schakhovskoy nun noch eine
nachträgliche Gabe zum Puschkin - Jubiläum (1937)

vor. Alexander Sergejewitsch Puschkin (geb. 1799 Mos-
I kau, gest. 1837 Petersburg) ist der bedeutendste nationale
Dichter der Russen und darüber hinaus die ganze
Liebe des russischen Volkes gewesen und geblieben.
, Nicht mit Unrecht hat man seine Schöpfungen eine „Enzy-
i klopädie des russischen Lebens" genannt. Das herrlich-
| ste Denkmal hat ihm Leo Tolstoi selbst gesetzt, indem
er seiner unsterblichen Romangestalt Anna Karenina die
von ihrem Vater ererbten Züge der ältesten Tochter
j Puschkins Maria zu Grunde gelegt hat. Leben und Werk
[ des Dichters Puschkin erschließen sich in besonderer Form
| dem, der selbst irgendwie verwandte Züge aufzuweisen
I hat. Nur so ist diese kleine Seelenkunde Puschkins, die
man mit Ergriffenheit liest, letztlich verständlich. Was
i über den qualvollen Tod Puschkins (er fiel in einem
Duell) gesagt wird, ist so ehrfürchtig geschildert (und in
der Goetz'schen Übersetzung so formgewandt wiedergegeben
), daß ich es hier folgen lasse:

„Er (Puschkin) beichtete, soweit es ihm in seinem Zustand noch
möglich war, und empfing die lebenspendenden heiligen Sterbesakramente
. Die Kraft dieser Sakramente ist unsagbar groß und ihre erlösende
Bedeutung, besonders in den letzten Augenblicken des Lebens
ist entscheidend, wenn der Mensch sie gläubig und fromm entgegennimmt
. Schon die bloße Möglichkeit, sie auf dem letzten Lager zui
empfangen, ist eine Gnade Gottes, deren nicht viele gewürdigt werden
. Es gibt Menschen, die ihr ganzes Leben lang Gott dienen. Es
gibt andere — die Werkmeister der sechsten Stunde —, die die zweite
Hälfte ihres Lebens Gott darbringen. Es gibt aber auch solche, die
erst ihre letzte Minute Gott hinopfern, wie der gekreuzigte Schacher.
Und doch empfängt auch sie der Hauch des Geistes und die göttlichen
Abgründe des Himmels tun sich ihnen auf."

Viel fördernde Anteilnahme an dem Zustandekommen
dieser bemerkenswerten kleinen Studie über die Religiosität
Puschkins darf Frau Corina Sombart, Berlin, für sich
in Anspruch nehmen. Man hofft, daß sich Schakhovskoy
in der Reihe seiner religions-wissenschaftlichen Untersuchungen
über die großen russischen Dichter auch noch
Lermontow zuwenden wird. (Vergl. im übrigen die Puschkin
-Übersetzungen und Veröffentlichungen von Arthur
Luther, Leipzig; Zinaida Schakhovskoy, Une enfance,
Paris 1939: Haugg, Die orthodoxe Kirche des Ostens in
Deutschland, Grundzüge ihres Rechts- und Glaubenslebens
in „Kyrios" Vierteljahresschrift für Kirchen- und
Geistesgeschichte Osteuropas IV/1940; Materialien zur
Geschichte der Orthodoxie in Deutschland ebenda V/1941;
Die Ostkirche in Deutschland, Zeitschrift für Kirchengeschichte
1941).

Berlin Werner Haugg

Heilige Feiern der Ostkirche: III. Matzerath, Paulus, O. S. B.:
Buße und heilige Ölung in der byzantinischen Kirche. (80 S.) kl. 8°.
IV. B ü c k m a n n, Suitbert, O.S.B.: Das Sakrament der Ehe und
der Segen der Kirche für Familie und Haus im byzantinischen Ritus.
Paderborn: Ferdinand Schöningh 1940. (01 S.) kl. 8°. RM 1.35 u. 1.20.

Eine der großen Hoffnungen der römisch-katholischen
Kirche sind die getrennten Ostkirchen und unter
diesen nach Wegfall der orthodoxen Dynastie der Romanows
und der Staatskirchenstellung der orthodoxen Kirche
besonders die Verhältnisse in Rußland. Die Kurie
denkt in langen Zeiträumen und sie weiß, einmal wird
auch hier das Kirchenschiff wieder flott. „Jeden Tag,
ohne Ausnahme und seit langer Zeit", hat der 1939 verstorbene
Papst Pius XI. gesagt, „erinnern wir uns bei
der heiligen Messe Rußlands, aller seiner Priester, aller
seiner Bekenner, aller seiner Gläubigen, der katholischen
und der anderen. Bei jeder heiligen Messe dringen wir
mit unserem Herrn Jesus Christus in Rußland ein. Täglich
geht Jesus Christus mit uns von Minsk bis Wladi-
wostock, von Tiflis bis zu den Solowjezkij-Inseln. Wir
segnen, beten, hoffen und leiden zusammen mit ihnen,
mit ihnen allen." Diese Hoffnung auf den jetzt zu-
i folge des deutschen Sieges über den Bolschewismus eintretenden
Strukturwandel in Rußland hat der Vatikan seit
I jeher in seinen Berechnungen an maßgeblicher Stelle ein-
! gesetzt. Hierher gehört die von Pius XI. geförderte
I Unionsbewegung, die er in seinem Schreiben vom 21. 3.