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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

346-347

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Sarenac, Veselin K.

Titel/Untertitel:

Luthers Kritik an den Mönchsgelübden bis zum Ablaßstreit 1941

Rezensent:

Bizer, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

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mente und ihrer Entstehungsverhältnisse, bei der Bizers
Studien zur Geschichte des Abendmahlsstreites im 16.
Jahrhundert 1940 noch nicht verwertet werden konnten,
geschieht mit großer Sorgfalt und m. E. im wesentlichen
mit zutreffendem Ergebnis.

Das Problem, um das es dem Verfasser und nach
seiner Ansicht auch Luther und Calvin geht, ist die
Realpräsenz. Es wird zunächst dargetan, daß sich
die Realpräsenz bei Luther erst allmählich, und zwar
endgültig ,erst in seiner Auseinandersetzung mit den
Schweizern, in den Vordergrund schiebt. Dann wird gezeigt
, daß es bei der Realpräsenz für Luther um die
reale Gegenwart des Leibes und des Blutes Christi
gellt, was sich nach Graß vor allem in der (späteren)
Ablehnung der Konkomitanzlehre durch Luther zeigt. In
eindringlicher Untersuchung der lutherischen Christolo-
gie, also namentlich der Ubiquitätslehre kommt der Verfasser
zu dem Ergebnis, daß sich die „Realpräsenz des
Gottmenschen Christus und zwar gerade auch nach seiner
Menschheit und alles, was in diesem Menschsein beschlossen
ist" rein christologisch schlüssig machen lasse,
„auch abgesehen von der Exegese der Einsetzungsworte".
Dagegen führt die lutherische Exegese der Einsetzungsworte
„nicht zu demselben Ergebnis, sondern nur auf die
Gegenwart von Leib und Blut in den Elementen. Letzteres
Ergebnis ist christologisch nicht erreichbar, denn der
Versuch einer Reduktion der Realpräsenz des Gottmenschen
auf die Realpräsenz von Leib und Blut ist sinnlos
" (alles S. 77).

Hier soll in der Wiedergabe des Dargestellten für
einen Augenblick innegehalten werden. Denn gerade am
Ergebnis wird die methodische Grundauffassung des
Verfassers deutlich. Er klammert die Exegese der Einsetzungsworte
für seine Arbeit aus (anders als Gollwitzer
, Coena Domini 1937, mit dem er sich gelegentlich
auseinandersetzt). Es wird ihm bewußt gewesen
sein, daß er mit dieser Methode die Zustimmung Luthers
und Calvins nicht finden würde. Namentlich für
Luther ist es doch wohl so gewesen, daß die Interpretation
der Einsetzungsworte den Ausgangspunkt bildete
und die christologischen Überlegungen nur hinzukamen.
Andererseits ist es unverkennbar, daß die Abendmahlslehre
der Reformatoren mit ihrer Christologie und Sote-
riologie (deren Belang Graß treffend abzeichnet S. 69 ff.)
fest Verbunden war, eine Verbindung, die bei Calvin
wohl stärker durchreflcktiert ist als bei Luther (bei
Graß aber für Luther etwas stärker durchgezeichnet
wird als für Calvin). So reißt der Verfasser hier ein
Problem auf, das für uns angesichts der unverkennbaren
Schwierigkeiten, auf exegetischem Wege zu überzeugenden
Resultaten zu kommen, weit brennender ist als für
die Reformatoren, denen der Unterschied von Exegese
und Dogmatik viel weniger und unter ganz anderen
Voraussetzungen im Bewußtsein war. Ob man sich frei-
ucli so einfach helfen kann, wie der Verfasser es tut,
dürfte ernstlich zu bezweifeln sein. Jedenfalls wäre,
nachdem die Frage einmal gestellt war, eine systematische
Erörterung des Grundproblems Exegese und Systematik
— ausführlicher als es S. 3 f. geschieht —
wünschenswert gewesen.

Am Schluß des ersten Teils der Arbeit steht ein Abschnitt
, der sich im wesentlichen mit der Wittenberger
Konkordie befaßt. Er ist nicht dazu bestimmt, die systematische
Überlegung weiterzuführen, sondern hat vorwiegend
kirchen- und theologiegeschichtliche Bedeutung und
leitet zu der Besprechung der Abendmahlslehre Calvins
},ber. Hier wird so verfahren, daß zunächst die „grundlegende
Differenz" gegenüber Luther festgestellt (dieser
Abschnitt umfaßt 30 von den 60 auf Calvins Lehre verwendeten
Seiten, abgesehen von der Darstellung des
Verhältnisses des beiden Reformatoren zueinander), alsdann
der modus manducationis näher bestimmt und end-
"Ch eine Darlegung der „christologischen und weltanschaulichen
Argumente" Calvins in der Abendmahlslehre
geboten wird. Eine allseitige Darstellung der Abend-

mahlslehre Calvins ist nicht beabsichtigt. Neue materielle
Erkenntnisse sind auf diesem Gebiet nicht mehr
I in großem Umfange zu erwarten und werden durch die
Arbeit auch nicht vermittelt. Der Schwerpunkt liegt auch
hier bei der Systematik. Graß findet bei Calvin vor
allem anzuerkennen, daß von ihm „die Personhaftigkeit
der Abendmahlsgabe" „ganz anders als von lutherischer
Seite betont worden" sei (S. 239), ein Urteil, das ange-
i sichts des oben zitierten Ergebnisses der Erörterung
• über Luther sehr schwer wiegt. Andererseits aber hat
| Calvin nach Graß die Objektivität der Sakramentsgabe
j nicht hinreichend zu sichern gewußt, indem er die Gültigkeit
des Geschehens stets an die Wirksamkeit des Gei-
j stes bindet und sehr genau zwischen Wort und Geist,
I Zeichen und Sache usw. unterscheidet. Das letztere ist
! zweifellos zutreffend. Fraglich ist nur, ob der Begriff
! der Objektivität sehr viel zur Klärung der Sache aus-
trägt. Calvin würde wohl, wenn er den Begriff hätte,
I schwerlich eine andere Objektivität der im Sakrament
j dargereichten Gabe als die im Heiligen Geiste wirksame
anerkennen wollen und in jeder anderen „Objektivität"
(in seiner Sprache) eine „Vermischung von Himmel und
Erde" finden. Auch wäre zu fragen, ob nicht der „Vorzug
" der Personhaftigkeit mit dem „Nachteil" dieser
eigentümlich pneumatischen „Objektivität" in einem tiefen
Zusammenhang steht.

Im Ganzen läßt der Abschnitt über Calvin m. E.
trotz einer ganzen Reihe von treffenden und förderlichen
Beobachtungen und Überlegungen den Leser weniger
befriedigt als der Abschnitt über Luther. Dieser ist
plastisch ausgearbeitet, und der Eindruck ist im Ganzen
überzeugend. Bei Calvin hat man immer das Gefühl, als
komme er nur halb zum Vorschein. Das hat seinen
Grund aber nicht in dem Verfasser, sondern darin, daß
sich Calvins Abendmahlslehre nur in der Konfrontierung
zugleich mit Zwingli ganz deutlich machen läßt. Daß
z. B. die Hervorkehrung des Geistes in der Abendmahlslehre
alles andere ist (bezw. sein soll) als eine Herabsetzung
der (nach Calvin verstandenen) Objektivität der
Sakramentsgabe, wird sofort deutlich, wenn man den
fundamentalen Unterschied der Geistlehre Calvins gegenüber
Zwingli und von da aus ihre Eigenart begretft.

Der Verfasser mutet seinem Leser ein Stück Arbeit
zu, und jeder, der sich dieser Arbeit unterzieht, wird
erkennen, daß sich die aufgewandte Bemühung voll und
ganz gelohnt hat.

Güttingen Otto Weber

Sarenac, Veselin K.: Luthers Kritik an den Mönchsgelübden
bis zum Ablaßstreit. Jena: Bernhard Vopelius 1940. (68 S.) gr. 8°.
Das Thema dieser Schrift ist die Frage: „Wie kam
Luther dazu, das Mönchsgelübde, das Wesen des Mönch-
tums, zu reformieren?", d. h. die Frage nach der Vorbe-
reitu ng von Luthers aus der Schrift De votis monasticis
(1521) bekannten Gedanken über das Mönchtum vor dem
Ablaßstreit. In Anlehnung an Holls Darstellung werden
zunächst die neuen Gedanken der Psalmenvorlesung über
die Rechtfertigung herausgearbeitet. Mit der Entdeckung
der „Unbeweglichkeit und Unwandelbarkeit" des Gesetzes
ergibt sich die „Einheit des Lebensideals", und
damit „zerbrach Luther innerlich den Unterschied zwischen
den Räten und den Geboten und damit das Fundament
des bis dahin bestehenden Mönclitums" (S. 16),
womit der Vorzug des Mönchtums vor den andern Ständen
grundsätzlich bestritten ist. Aus der Erkenntnis der
Glaubensgerechtigkeit folgt der Vorwurf der Werko-e-
rechtigkeit der Mönche (S. 22). Dies bedeutet jedoch
nur eine Verurteilung von Übelständen und Mißbräuchen
noch nicht der Institution (S. 22). Aber es ist damit auch
eine neue Stellung zu den Mönchsgelübden gegeben, sofern
nun die Erfüllung aller Gelübde im Bekenntnis
der Sünde und im Lob Gottes besteht (S. 23), und allen
I Gelübden das Taufgelübde, und zwar bereits in charak-
{ teristisch lutherischem Verständnis (S. 27 f.) übergeord-
| net wird (S. 25 f.). Wenn Luther dennoch die Institution