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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

343-344

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Abaelardus, Petrus

Titel/Untertitel:

Die Leidensgeschichte und der Briefwechsel mit Heloisa 1941

Rezensent:

Elliger, Walter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

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reu entwicklungsgeschichtlichen Rahmen hineinzustellen
und die Ergebnisse der eignen Forschung in einer abschließenden
Zusammenfassung in noch helleres Licht
zu setzen, zumal da die im Zeichen der Papiernot so unerläßliche
Scheidung zwischen Wichtigem und Unwichtigem
nicht immer scharf genug erfolgt und der Band [
mit manchem Ballast beschwert ist, der entbehrlich gewesen
wäre. Das gilt besonders von den beiden Kapiteln
über die sogenannte Indifferenz-, d. h. Neutralitätspolitik
Kastiliens und Aragoniens bis zu ihrem Anschluß an Cle- I
mens VII. 1381 bezw. 1387. Besondere Beachtung verdient
der zweite Teil über die Libri de Schismate des ;
Vatikanischen Archivs und über die spanischen Zeugenverhöre
, nicht minder der umfangreiche Aktenanhang aus
derselben Quelle, und dem Nationalarchiv in Paris und j
dem Kronarchiv in Barcelona. Zu den Vorzügen des
Werkes darf auch gerechnet werden, daß eine ganze
Reihe mehr oder minder führender Persönlichkeiten über
die bisherige Literatur hinaus in bestimmterer Profilierung
erscheinen, wie der Verfasser überhaupt mit Erfolg |
bemüht ist, aus seinen oft so spröden, wenn auch höchst !
redseligen und weitschweifigen Quellen herauszuholen,
was möglich ist.

Zorge (Südliarz) J. Hashagen

Weinzierl, Dr. theol. habil. et utr. jur. Karl: Die Restitutionslehre
der Hochscholastik bis zum hl. Thomas von Aquin. München
: M. Hueber 1939. (VIII u. 240 S.) gr. 8°. RM 7.80.

Eine geschichtliche Darstellung der Restitutionspflicht
, d. h. der Pflicht, wiedergutzumachen, wenn man
Eigentum, Ehre, Leben und Gesundheit, Rechte und Ansprüche
eines andern geschädigt hat, fehlte bis jetzt.
K. W., junger Theologe der Erzdiözese München, hat sie
nun zu schreiben begonnen, aber in einem ersten Band,
der 1936 erschien, in dieser Zeitschrift indes nicht zu be- |
sprechen war, sofort mit der Zeit der Frühscholastik be- I
gönnen. In dem vorliegenden zweiten Band, einer Habilitationsschrift
für die kath.-theol. Fakultät Tübingen, !
setzt er sie mit der Zeit der Hochscholastik bis zum Tod
des Thomas v. Aquino (1225—74) fort. In 7 Hauptteilen
bringt er die Philosophen, Juristen und Theologen
dieses literarisch überaus fruchtbaren Halbjahrhunderts, I
soweit sie von der Restitution handeln, zur Darstellung,
nämlich die Verfasser von Kommentaren zur aristotelischen
Philosophie (Ethik und Politik), die Glossatoren
des Römischen Rechts (die Legisten), die Kanonisten, die
Verfasser von Beichtsummen, die Dogmatik- und Moraltheologen
vor und gleichzeitig mit Thomas von Aquino
und zuletzt Thomas selber. W. hat die Quellen und die
Literatur erschöpfend bearbeitet und richtig beurteilt und
bewertet. Der Druck ist überaus sorgfältig. Die Arbeit
bekennt sich mit Grund zur Schule des Tübingers Otto
Schilling, des z. Zt. besten deutschen Kenners der Moral-
und Soziallehren des Thomas von Aquino.
Tettnang (Wttbg.) Wilhelm Koch

Brost, Eberhard: Abaelard. Die Leidensgeschichte und der Briefwechsel
mit Heloisa, hrsg. und übertr. von Eberhard Brost.
Berlin: L. Schneider [o. J.]. (366 S., 1 Abb.) gr. 8°. RM 6.50.

Die Übertragung der „Leidensgeschichte" Abaelards |
und seines Briefwechsels mit Heloisa hat ein wertvolles
Zeugnis der geistig-seelischen Struktur des mittelalterlichen
Menschen einem weiteren Kreise aufs Neue zu- |
gänglich gemacht, das ungewöhnlich tiefe Einblicke in I
den uns heute weithin so fremd gewordenen Charakter
einer in all ihrer Gegensätzlichkeit doch einheitlich er- |
scheinenden Zeit vermittelt. Denn hier ersteht vor uns
nicht nur die schicksalschwere Lebenstragödie eines leidenschaftlichen
kämpferischen Mannes, der mit seinem j
scharfen Verstand, und seiner hohen Intelligenz zu den j
überragenden Geistern seines Jahrhunderts gehört; sondern
in diesem Einzelschicksal spiegelt sich zugleich das
zwiespältige Gesicht einer ganzen Epoche: die wilde |
Lebensgier und schonungslos brutale Härte des mittelalterlichen
Menschen und zugleich seine auf das Hoch- |

ste potenzierte Geistigkeit, die mit unerhörter Leidenschaftlichkeit
um die sublimsten Probleme der Theologie
und Philosophie ringt. Hier empfindet unser menschliches
Fühlen nicht nur mit tiefer Anteilnahme die leidenschaftliche
Hingabe zweier Liebender, deren Liebe zu
herber Entsagung gezwungen, zumal im Herzen der Frau
nicht verstummen will und dennoch im Banne des asketischen
Ideals zur höchsten Stufe geistiger Zucht geläutert
wird; sondern hier erkennen wir die ganze Lebensfülle
und Daseinsfreude dieser mittelalterlichen Welt
und ihrer Menschen, die keineswegs blind und abgestumpft
sind für die Freuden des irdischen Lebens, die
aber doch in einem Augenblick auch bereit sind, radikal
darauf zu verzichten, um ganz einer anderen vollkommeneren
Welt zu leben. Wiederum steht beides hart nebeneinander
, die Hingabe an das Diesseits und die Hingabe
an das Jenseits, ohne daß es gelingt beides wirklich miteinander
in Einklang zu bringen; aber eben dieses harte
Nebeneinander gibt dem Mittelalter sein Gepräge und
man darf weder das Eine noch das Andere übersehen.

Freilich auch das wird zumal aus den Briefen der
Heloisa mit erschütternder Eindringlichkeit bewußt: edelste
Kräfte menschlichen Wesens bäumen sich auf gegen
solche Härte einseitiger Entscheidung, sie empfinden die
Vergewaltigung durch diese radikale Lösung und werden
doch zerbrochen im Konflikt oder zu einer andersartigen
Wesenheit umgeformt. Das abschließende Zitat von 2. Kor.
5,17, in dem Brost in seinem Nachwort die letzte Sinn-
haftigkeit der Lebensschicksale von Abaelard und Heloisa
zu finden glaubt, kann man darum nur sehr bedingt als
berechtigt und gültig hier anerkennen; eher wird man
Hausraths Urteil noch erweitern: welch edler Geist und
welch edles Herz wurden hier zerstört.

Die neue Übertragung und Herausgabe dieser Dokumente
bedarf keiner weiteren Rechtfertigung; gerade in
der vorliegenden, für einen weiteren Leserkreis gedachten
Form ist sie zu begrüßen. Es lag nicht in der Absicht
des Übersetzers, „ein Quellenbuch zur Geschichte
Abaelards überhaupt zusammenzustellen" oder eine wissenschaftlich
-exakte Ausgabe zu veranstalten. Es ist auf
jeden wissenschaftlichen Apparat bewußt Verzicht geleistet
und nur in einem kurzen Nachwort finden sich knappe
Angaben über verwendete Vorlagen und den Charakter
der vorgelegten Übersetzung und einige sachliche
Erläuterungen, die durch eine „Zeittafel zu Abaelards
Leben" und „Daten der allgemeinen Geschichte" ergänzt
werden. Aber die Übertragung gibt sich immer wieder
als eine auf sorgsamer Kleinarbeit und feinsinnigem Einfühlungsvermögen
sicher ruhende Arbeit zu erkennen,
die auch sprachlich den nicht unerheblichen Anforderungen
gerecht wird.

Walter E 1 I i g e r

KIRCH ENGESCHICHTE: REFORMA TIONSZEIT

Graß, Lic. Hans: Die Abendmahlslelire bei Luther und Calvin.

Eine kritische Untersuchung. Gütersloh: C. Bertelsmann 1940. (XIV,
260 S.) gr. 8° = Beitr. z. Förd. christl. Theologie. 2. Reihe!
Sammig. wiss. Monographien. 47. Bd. RM 8—; geb. RM 10—.

Der Verfasser ist ein Schüler von P. Althaus, und
seine Arbeit ist eine Erlanger Dissertation, die, um es
gleich vorweg zu sagen, dem Meister wie dem Schüler
alle Ehre macht.

Die Arbeit ist bewußt auf den historisch-systematischen
Vergleich abgestellt. Das war angesichts der
relativ schmalen biographischen Basis, die Luther und
Calvin gemeinsam haben, garnicht anders möglich. Freilich
ist diese gemeinsame Basis voll und ganz berücksichtigt
; aber der Verfasser hat gut daran getan, sie
nicht zum Ausgangspunkt zu machen. Allgemein sind
die rein kirchengeschichtlichen Beziehungen nur soweit
eingearbeitet, als das zum Zwecke des Vergleichs erforderlich
war, und es ist durchaus begründet, daß dabei
die Wittenberger Konkordie und der Consensus Tiguri-
nus im Vordergrund stehen. Die Wertung beider Doku-