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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

342-343

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Seidlmayer, Michael

Titel/Untertitel:

Die Anfänge des großen abendländischen Schismas 1941

Rezensent:

Hashagen, Justus

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

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Dieses einerseits — andererseits fällt besonders auf in der Beur- Möglichkeit gehabt hat, die Bewegung in ihrer inneren

teilung der Lehre vom Konzil. S. 220ff. wird sorgfältig die konzi- Stärke und in ihren Zukunftsaussichten zu überblicken'

liare Theorie unter Bezugnahme auf Heinrich von Langenstein und Auf dem Rejcnstag von Regensburg 1541 und dem

Kon.ad von Gelnhausen vorgetragen, und der Verf. schließt diese Dar- Füistentag von Naumburg 1561 konnten klucre Fürsten

legung S. 221: „Mit Berufung auf die aristotelische von Thomas von ,, 'litZ Hn„ FinJ . {? u < «

Aquin"übernommene Lehre von der Epikie, wonach ein aulierordent- und Jährte n™!5 * * H Ei"?TUfk hab™>

lieber Notstand das gewöhnlich geltende Recht aufhebt und dem die Horde unangenehm streitender Theologen die Tra-

Einzelnen wie auch Korporationen sonst Unerlaubtes gestattet, wird ger einer welterschutternden Bewegung sein sollten!

ausgeführt, daß es Notfälle gebe, in denen ein Oeneraikonzil, das f wie viel schwerer war aber eine wirkliche Einsicht in die

der Kegel nach vom Papste berufen werde, auch ohne Berufung des Dinge dem fernen Papst 20 bezw. 40 Jahre Vorher gePapstes
zusammentreten dürfe und müsse; dieses sei die Vertretung macht! Auch daß der Prozeß gegen Luther nachlässig
der gesamten Christenheit, ihrer verschiedenen Ordnungen, Stände geführt Und verbummelt ist, wird man nicht gut Sagen
und Geschlechter, um über das Gemeinwohl der allgemeinen Kirche können. Wer die Aufzeichnungen des Vicekanzlers Me-

zu beraten. Diese Universalkirche ist die Braut der mystische Leib d;d |fl dcn KOnsistorialsitzungen über Luthers römischen

Christi (corpus mysticum), dessen eigentlich fehlerloses und stets i p » • rf Orio-imlnipHprsrhrift „,1 „ '"'"ifcnen

wirksames Haupt Jesus Christus selbst ist; der Papst ist nur dessen ' RnHrnr^ninM „StrSL ' 5 *

Stellvertreter, das sekundäre Haupt der Kirche. - Aber diesen wohl- ! •«* dem tilldruck nicht Verschließen können, daß die

durchdachten und sorgfältig begründeten Vorschlägen war zunächst Sache des Wittenberger Augustiners merkwürdig wichtig

kein praktischer Erfolg beschieden." i genommen wurde. Die causa Luthen wird da nicht ir-

Das kann man wohl nicht anders als volle Zustimmung in der gendwo am Rande behandelt, sondern sie steht zwischen

Theorie bezeichnen. S. 237 aber folgt eine wenn auch verklausulierte höchstwichtigen finanzpolitischen Und kirchenregiment-

Absage an die konziliare Theorie: „Die Berufung eines allgemeinen Hchen Regierungsakten, zwischen Bistumsverwaltungen

Konzils durch die Kardinäle war die praktische Anwendung der konzi- j und Gnadenverleihungen an höchste Würdenträger der

Haren Theorie, daß das allgemeine Kon/.il über dem I apste^slehe. Sie Kjrche ^j, ^ „b ^ Erörterung ste-

Sr"3ff**S, SS^T^^Tl^'" hende Materie, wie sie selten in das Konsistorium^,

stelL. Wenn „an also insofern berechtigt ist, der Konzilsbcrufung | ^f?* ^ da verschob man die Behandlung

durch die Kardinäle einen revolutionären Charakter zuzusprechen,
so darf man doch nicht übersehen, daß dieses Vorgehen angesichts
der außerordentlichen Notlage, welche das Schisma herbeigeführt
hatte, erklärlich war und sich durch diese rechtfertigen ließ."

Im Übrigen ist ein ungeheurer Stoff, reich an politischen
, kulturellen und religiösen Spannungen in guter
und übersichtlicher Form zusammengefaßt und vorgetragen
. Gewiß gehört Paul III., der hier ausfällt, als Person
und als Regent der Kirche noch absolut zu den
Renaissancepäpsten, und er wäre das gegebene Schlußstück
einer Reihe, die mit Bonifaz VIII. beginnt. Wenn
hier in kurzen ausgewählten Schlagwörtern angedeutet
wird, was der Verf. in diesem Bande alles sauber und
sorgfältig, eindringlich trotz der Kürze umreißt, dann
geilt daraus die Fülle der Leistung hervor, mit der wir
es hier zu tun haben: Philipp der Schöne von Frankreich
, Ludwig der Bayer, Karl IV., Maximilian I., Heinrich
VIII. von England, — Nikolaus von Cues, Wilhelm
von Nogaret, Skanderbeg, Georg Podiebrad, Dante, Pe

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von der einen auf die andere Sitzung. Und als dann der
aus seinem Krankenzimmer herbeigeeilte (valetudinarius)
Kardinal St. Xisti, der offenbar beteiligt sein wollte, erneut
(ob gravitatem materie) um Aufschub bat, da ward
noch einmal eine weitere Vertagung ad melius deliberan-
dum beschlossen und dann endlich die Bulle vorgelesen
und genehmigt. Unzweifelhaft geht durch diese kargen
Notizen über die Konsistorialsitzungen das weltgeschichtliche
Wehen: unbewußt ahnte man die Schwere der
causa Lutheri.

Berlin Otto Lerche

Seidlmayer, Michael: Die Anfänge des großen abendländischen
Schismas. Studien zur Kirchenpolitik insbes. der spanischen
Staaten und zu den geistigen Kämpfen der Zeit. Münster i. W.:
Aschendorff 1940. (XIII, 374 S., 1 Taf.) gr. 8° = Spanische For-
schgn. d. Görresges. Herausg. v. ihrem span. Kuratorium E. Eichmann
, H. Finke(t), M. Honecker. II. Reihe, 5. Bd.

RM 17.25; geb. RM 19.25.

Das besondere Verdienst des Verfassers liegt darin,

larola, Birgitta, Mar- daß er über die von ihm vielfach neu, auch rnit unge-
trarca, Wilhelm von ™.^.° J™ 'Katharina von > druckten Material, beleuchteten Tatsachen der äußeren,
silius von Padua Ricnzo, rru£eu 3Le Türkenkrieg, j besonders der spanischen Kirchenpolitik zum Innern vor-
Siena, Hus Martin Luther - £«u^y Konkordat, ! dringt und hier nicht nur die oft so sterilen Streitschrif-
pragmat.sche Sanktion von^^j£>0atomi&mu, Unam ten beider Parteien behandelt und kritisiert, sondern vor
Prager Konipaktate, NJ^Ä^OoBS Bulle Avig- allem den Anfängen der konziliaren Bewegung näher
sanetam, Jubeljahr, Jemp erorde i uoiaent • £ nacl ht Der ulferall sehr sorgfältig arbeitende Ver-
nori, Annaten und Taxgelder »jaj sejn , ^fe ^ dje herrschende Ansicht, daß Lan-
Ablaß u. a. m. Warum sagt b >ie ue« ^ stimmt ist) genstein und Gelnhausen die Urheber seien und dem GeBuch
auch für "»chtivisscnschattlicne Lese Nach_ ^ vornehcrein eine revolutionäre Wendung ge-
daß es sich bei dem erworbenen ADiaoura ejn d ,ter Hinsicht Einmal stehen beide
laß der Kirchenstrafe und «^^^^SSSwM^ ' in einer schon weiter zurückreichenden Überlieferung und
delt? während er die J^M^ 0» « Leser erscheinen deshalb mehr nur als weniger originelle Aus-
bes in aller Schärfe tadelt! Gelcgentl.cn hmen sprecher schon seit längerer Zeit vorhandener Meinun-
unbefriedigt, so im FalleHut. Wtf moaneder mit Hus ' gen. Außerdem war ihr Standpunkt nicht revolutionär,
daß S. auch heute noch nicht die »eueuxung sondern restaurativ und insbesondere von der späteren
angefachten Bewegung erkannt hat wenn K * ns radikalen Lehre von der Superiorität des Konzils über
schreibt: S. 257: „In der achten Atzung u ^ ^ ^ p^ ^ ^ entfernt_ Den überzeugenden Aus-
namlich — vom 4. Mai 1415 waren näretjsch führungen Seidlmayers wäre es zugute gekommen, wenn
Schriften Wyklyfs nach erneuter I riilUM a» ■ er sjcnfaüber dic mittelalterliche und selbst über die alt-
verdammt sowie die Schriften und cue i creu j i kirchlic|ie Vorgeschichte des Konzilsgedankens noch mehr
selbst verurteilt worden. Damit war ci Neu™ " der ia verbreitet hätte. Zum mindesten hätte er sich mit Haucks
schaffen für die Verurteilung des Jona™« "u;.' J grundlegendem Aufsatz über die Allgemeine Synode und
die Lehren Wyklyfs sich so gut wie: vol ig[ZU mre f^here Entwicklung auseinandersetzen müssen,
macht hatte. Da er den Widerruf verwe.^rte wu dje Literaturbenutzung hält sich im Gegenais
hartnäckiger Ketzer Jm *eMen Ann Jb^geDeri ^ ^ breitcten Qucllenbenutzung viel-
und verbrannt" und sonst kern Wort weiwr uow^ ^ fe ^ engen Qrenzen Be9onders die |ehalt.

& seinerseits wirft aber Leo a.v > Bewegung vollen Besprechungen der vom Verfasser natürlich beMartin
Luther in Deutschland «"JßPflSJ S nicht nutzten Hauptwerke über das Schisma hätten noch man-
und ihre Gefahr für d.e Kirche "'5™%""? S dies ergeben können. Das hätte dann vielleicht auch Ver-
rechtzeitig in ihrer Schwere^ erkannt Mann anlaMung gegeben, das mit unendlicher Genauigkeit in
TrÄerTiara ^en"w^-"^ überhaupt die allen Einzelheiten ausgemalte Bild in einen etwas breite-