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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

329-330

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lortzing, Johannes

Titel/Untertitel:

Der Ordensgedanke außerhalb des Christentums 1941

Rezensent:

Heussi, Karl

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Seite 1

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329

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

330

keine Entschiedenheit oder schöpferische Tat des Menschen mehr zu. leben in der Antike „Seine wichtigsten Anklänge Und

Sie ist zuttiefst verwandt der Ker. Gerade die unausweichliche Unbe- Voraussetzungen" haben (S. 6). Nach einer kurzen Ein-

dingtheit des Waltens der Moira ist an ihr entscheidend. Selbst den führung in die Grundgedanken seiner Abhandlung (S 5

Einspruch der Götter läßt sie nicht zu. Das germanische Sch.cksa big ,4) und ej allgemeinen Übersicht über ordinsarti-

nun dürfte ebensowenig für diese Erfassung durch Kneck in Anspruch Gebilde außerhalb der peoffenhirten WHioW'T«T«

genommen werden. Das Leben selbst als das Auf und Ab, das Wer- ^««* f""e.rn31D.fler. geonenDarten Kellglon (S.15

den in, Leben des Einzelnen wie des Stammes oder der Sippe „ist bis 21) schildert er .11 einem ersten Abschnitt den Or-

von Anfang bis Ende durch eine innere Gesetzlichkeit bestimmt, die aensgedanken bei den Volkern des Ostens und seinen

in dem Wesen des Menschen liegt" (De Vries: „Altgermanische Reli- engen Zusammenhang mit dem Erlösungsgedanken (S. 22

gionsgeschichte" Ii, 167). Es ist gar kein Platz für ein Schicksal bis 48), und in einem zweiten Abschnitt den Ordensge-

da — außer in der aufbrechenden Katastrophe. Sie aber läßt die Ent- danken auf abendländischem Boden, vorzüglich bei den

Scheidung des Menschen ebensowenig zu, wie die Moira. — Griechen (S. 49—96). Der Verf. verfügt Über eine

Wir brauchen bei dem historischen Hinweis selbst aber nicht große ßeiesenheit und breitet sie vor dem Leser aus-

länger zu verweilen, denn es liegt zu klar auf der Hand daß das § { Athen, Peru, Mexiko, Indien, China, lapail Cev-

Kriecksche Schicksal nichts zu tun hat mit den tatsächlichen Bildungen , ', » . > > ' „ ' 'd' Jd|,;'"' Ve>

im griechischen oder germanischen Kaum. Wir müssen wohl überhaupt lon.> . •»« und viele andere Lander werden auf dieser

die Fra.e stellen ob er recht daran tut, einen Schicksalsglauben für re Igionsgeschichtlichen Weltreise Mlf dem Papier be-

das germanische und griechische Lebensgefühl als bezeichnend anzu- rührt. Denn hier uberall gibt es Abkehr von der Welt,

setzen. Es dürfte wohl historisch erwiesen sein, daß a) die Moira Opfer, Entsagung, Streben nach sittlicher Vollkommen-

auch in der Tragödie nicht eine entscheidende Rolle spielt, daß b) die heit, Selbstzucht, Sorge für das eigene Seelenheil usw.,

eigentliche Ausgestaltung des Schicksalsglaubens im germanischen uncj überall entdeckt der Verfasser, ohne übrigens für

Raum eine Sache der Wanderungszeit, eine grundsätzlich spate Ent- die obwaltenden Verschiedenheiten blind zu sein Anklän-

w.ckiungsstufe also darstellt die du f«*«*"*» ÄÜfSS" ge an daS christlic"e Ordensleben. Manches wirkt hier

postulieren denn die Moira ist ja auch eine Größe, die bei Homer 1 »Staat gewo lt hat, die ideale sokratische Gemeinschaft,

noch in statu nascendi erst der nachhomerischen Zeit ihr eigentliches in der der Philosoph der bestimmende Lenker ist,

Leben verdankt. Ebenso gewiß ist natürlich, daß sich der Schicksals- Sich „in reinster Form" in der „klösterlichen Familie"

glaube, wo er sich auf späteren stufen des Lebensgefühls arischer verwirklicht haben soll (S. 13), oder wenn der Verfasser
Kulturen herausbildet, von dem Fatalismus etwa des Islam erheblich [ urteilt, daß die platonische Kalokagathia, die echt grie-

unterscheidet. — chische Schau des Guten und Schönen zugleich, in der

Wie sich bei Krieck der Ruf Gottes als der „trans- christlichen Liturgie eine endgültige Gestalt gefunden
zendentale Faktor, verwirklicht durch die Kraft des habe (ebd.). Aber viele Beobachtungen sind richtig und
Glaubens im schöpferischen Handeln" als der „eigent- sind auch so oder ähnlich schon von anderen gemacht
liehe Bewirker und Bildner der Geschichte" (S. 8; 38) - worden, so etwa die Beobachtung verwandter Züge zwi-
zu solchem Schicksal als dem Ineinandergreifen von „Zu- schen den Kynikern und den christlichen Bettelmönchen
fallendem" und „Charakter" verhält, vermögen wir nicht . (S. 53). Wer solche Beobachtungen von Ankläno-en und
mehr zu erläutern, denn es kommt darin bei Krieck zu Ähnlichkeiten liebt, kommt bei der Lektüre des& Buches
keiner Klärung. Es hat den Anschein, als sei für Krieck auf seine Rechnung. Für eine strengere wissenschaftliche
solch Nebeneinander — trotz oft herangezogenen Gottes- Betrachtung gewinnen solche Nachweise aber doch
glaubens Luthers und einer für ihn postulierten germani- , eigentlich nur dann einen Sinn, wenn sich ursächliche Zusehen
Weltanschauung — überhaupt nicht zur Frage ge- sammenhänge zwischen den betreffenden Erscheinungen
worden. — . . nachweisen lassen. Auf diese hat es L. weniger abgese-

Nur angemerkt sei die Tatsache, daß E. Krieck die 1 hen, ja er ist infolge seiner dogmatischen Einstellung
abgestandene rationalistische Theorie vom „literarischen | sehr mißtrauisch gegen Versuche, Einwirkungen der
Mythos der Evangelien" wieder aufwärmt. „Ort der Ent- außerchristlichen Welt auf die „übernatürliche" Religion
stehung dieses literarischen Mythos dürfte der hellenisti- festzustellen. Für eine strengere Betrachtung wäre es
sehe Mischkessel Alexandrien gewesen sein" (S. 289). auch unumgänglich, den vom Verf. sehr weit und verbuch
„Luther hat noch genau gewußt, daß das Evange- schwömmen gehaltenen Begriff des „Ordensgedankens"
Üum nicht Geschichtsbericht, sondern mit der Erlösungs- schärfer zu fassen. Damit würde sich allerdings die Zahl
geschichte, Übergeschichte, Heilsgeschichte . . . gibt" der Ähnlichkeiten und Anklänge erheblich verringern
(sie!, S. 290). Aus dieser Tatsache versucht dann Krieck aber ein weit tieferes Eindringen in das Wesen der be-
zu erklären, wie es kam, daß der „theologische Liberalis- handelten Größen ergeben. Sodann bedürfte es eines
mus" „mit radikaler Historisierung" dem Christentum weit prinzipielleren Eingehens auf die soziologischen
schadete. Strukturen der zu vergleichenden geschichtlichen Größen.

Es erscheint uns wichtig: 1) Der Schicksalsbegriff Lehrreich sind die Ausführungen des Verfassers über

ist — zwar historisch unzutreffend — aus seiner unter- Sokrates, die einen erheblichen Teil des Buches (S. 58

Personhaften Sphäre in die menschliche Entscheidungs- bis 92) füllen. Daß Sokrates in gewissem Sinn als eine

notwendigkeit vor erfahrenem Anruf gestellt. — 2) Der Vorbereitung des christlichen Mönchtums betrachtet wer-

Mensch erscheint über die naturhafte Sphäre erhoben den kann, ist z. B. auch schon von H a r n a c k und

kraft eben des göttlichen Entscheidungsrufes, dem er H o 11 gesagt worden. Der Verfasser arbeitet die hier in

aus den beiden Möglichkeiten seines „Wesens" der Ver- Betracht kommenden Momente gut heraus, ohne die be-

"»nft und der Rasse als aus Glauben in schöpferischer stehenden Unterschiede gering anzuschlagen. Das Ganze

Tat antwortet. Wir dürfen an diese Feststellungen nicht bezeichnet er als eine „geschichtsphilosophische Studie";

mehr die Frage stellen, was das für ein Glaube sei und er bietet in der Tat einige material-geschichtsphilosophi-

jwe er näher zu erfassen sei, wie wir nach dem Gott, der sehe Gedanken über die Bedeutung von Griechentum, be-

n'er als der Rufende erscheint, nicht mehr fragen dürfen. sonders griechischer Polis, Hellenismus, Imperium Ro-

Oießen Ratschow manum als Vorbereitung für das Christentum, ohne hier

entscheidend Neues zu sagen.

L°rtzing, j.: Der Ordensgedanke ausserhalb des Christen- Jena Karl Heussi
tUrns. Eine geschiclitsphilosophische Studie. Erster Teil. Fulda: Partner
. & Co. 1030. (IV, 96 S.) gr.8°. RM 2.80. ( Eberhard, Otto: Zeugnisse deutscher Frömmigkeit von der
Der Verf geht davon aus, daß sich die einzelnen , Frflhzeit bis heute. Leipzig: L. Klotz Verlag (1938). (XII, 458 S.)

Züge, in die sich der Ordens g e d a n k e zerlegen lasse, 8". RM 5.80.

n'er und da auch außerhalb des Christentums finden Man konnte Eberhards Buch ein modernes Erbau-

(S. 7); wie die Antike die natürliche Vorstufe des Christ- ungsbuch für den deutschen Christen nennen, wenn man

liehen sei und sich zu diesem verhalte wie das Mensch- das Wort in einem männlich starken Sinne zu verstehen

"ehe zum Gottmenschlichen, so müsse auch das Ordens- bereit ist. Denn diese Sammlung von Zeugnissen deut-