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Ausgabe:

1941 Nr. 1

Spalte:

325-326

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gampert, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Sühnezeremonien in der altindischen Rechtsliteratur 1941

Rezensent:

Kirfel, Willibald

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Seite 1

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325

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 11/12

826

nicht, was sie soll und hat ihren Zweck nicht erreicht. —
Es versteht sich bei unserem Vf. von selbst, daß auch
an dem Weg, der nicht zum Ziel führt, vieles Gewinnbringende
emporwuchert; ich nenne hier nur den wertvollen
Hinweis auf die Sonderstellung des Njörd, die
aus der Schwierigkeit erwächst, seinen Namen aus germanischem
Sprachgut zu erklären.

Tübingen Hermann Schneider

Gampert, Wilhelm: Die Sühnezeremonien in der altindischen
Rechtsliteratur. Prag: Orientalisches Institut 1939. (X.279 S.) (fr.
8° = Monografie Archivu Orientalniho hrsg. von J. Kypka. Vol.
VI. K. 17Ü—.

Sühnezeremonien (Sanskrit: präyascitta) sind ein et-
nologisch bedeutsames Merkmal einer bestimmten Kulturform
, und es ist kein Zufall, daß gerade das alte Indien
ein ausgeprägtes System dieser Institutionen besaß
und bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich heute
noch anerkennt. Infolgedessen ist es lebhaft zu begrüßen
, daß über diesen wichtigen Gegenstand endlich
eine größere Monographie vorliegt. Allerdings behandelt
ihr Verfasser nicht den gesamten Fragenkomplex, sondern
er beschränkt sich, wie der Titel schon andeutet,
auf die ältere Rechtsliteratur, die, „soweit von einer absoluten
Datierung überhaupt gesprochen werden kann,
die Zeit vielleicht vom 5. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n.
Chr." umfaßt. Nicht berücksichtigt sind die Dharmasä-
stra's des Narada, Brhaspati und Paräsara, von denen
die beiden ersteren sich mit dem Gegenstande nicht
beschäftigen, sowie die entsprechenden Abschnitte der
umfangreichen Purana-Literatur, „da ihre chronologi-
Stellung noch ganz ungeklärt" sei „und es empfehlenswert
sein dürfte, diese Texte in besonderen Abhandlungen
inhaltlich zu prüfen und mit den Ergebnissen der
vorliegenden Arbeit zu vergleichen". Tatsächlich wird
sich aber erst bei einer Bearbeitung der puranischen
Abschnitte über die Präyascitta und einem Vergleich derselben
untereinander und mit den in dieser Arbeit benutzten
Texten herausstellen, ob und welche textlichen
Übereinstimmungen oder älteren Textzusammenhänge
vorliegen, wodurch die Quellenfrage unter Umständen
eine neue Beleuchtung erfährt. Ferner wäre es richtiger,
nicht, wie üblich, von einer Rechtsliteratur zu sprechen,
sondern sie einfach, wie der Verfasser es in seinen Ausführungen
auch meist tut, mit dem Sanskritnamen als
Dharma-Litcratur zu bezeichnen; denn sie enthält weniger
Rechtsanschauungen in unserem landläufigen Sinne
als vielmehr Bestimmungen und Vorschriften, die einem
gewissen Kulturstatus und der von dessen Trägern an-
nommenen und vorausgesetzten Welt- und Lebensordnung
entsprechen. Diese Ordnung galt als einzig wahr
und unantastbar, und darum verpflichteten jene Bestimmungen
all diejenigen, die sie anerkannten — und das
waren in diesem Falle die Angehörigen des Brahmanis-
mus bezw. Hinduismus —, in religiösem Sinne. Die
Dharma-Literatur wollte eben nur solche Gebote und
Verbote aufstellen, die dieser Weltordnung angemessen
und dem an sie gebundenen normalen Ablauf des Lebens
als dienlich galten, mochten sie im einzelnen nun
den Charakter des substanziellen Rechtes, der Moral,
der Ethik, der Volkssitte, des Rituals oder dgl. tragen.
Daraus ergibt sich zugleich die Abgrenzung der Bereiche
Qut und Böse. Als gut galt eben all das, was unter der
angegebenen Voraussetzung dem normalen Ablauf des
Lebens zu entsprechen schien, und all das, was davon abwich
, hatte die Natur des Nachteiligen oder Schädlichen,
das eben durch Sühnehandlungen auszumerzen war. „Das
war ein Mord oder ein Diebstahl genau so, wie wenn ein
unreines Tier über den Opferplatz lief und dgl." (S. 264).
Tatsächlich ist die Liste der Punkte, die als unerlaubt
oder besser als Anonnalität galten und den Vollzug einer
Sühnezeremonie erforderten, überaus groß, ja es sind
Dinge darunter, denen unsere Zeit kein Verständnis mehr
entgegen zu bringen vermag, aus denen sich aber die

sozialen Bindungen eines alten Kulturlebens bis zu Einzelheiten
erkennen lassen.

Das vorliegende Buch, das aus einer „im Jahre 1928
fertiggestellten Dissertation entstanden" ist, im Jahre
1930 bereits abgeschlossen war, aber aus Publikationsschwierigkeiten
erst 1939 erscheinen konnte, gliedert
sich in 12 Kapitel, die die altindische Rechtsliteratur,
deren einzelne Quellen, den Terminus „präyascitta", die
Sündenregister, besondere Sühnezeremonien, Sünden und
Sühnen, allgemeine präyascitta, die Auferlegung und
Ausführung des präyascitta, die Beziehungen der präyascitta
zum weltlichen Strafrecht und das Wesen des
präyascitta behandeln.

Die Darstellung ist gut disponiert und ganz übersichtlich
gehalten. Hierzu tragen abgesehn von dem Index
nicht zuletzt die konkordanzartigen Listen bei, die

j das Aufsuchen eines Gegenstandes in den benutzten
Dharma-Werken außerordentlich erleichtern. Ob allerdings
alle Schlußfolgerungen des Verfassers zurecht bestehen
, ist eine zweite Frage. So scheint mir z. B. das
Verhältnis der Prayascitta's zum weltlichen Strafrecht
durchaus nicht geklärt. Beide können letzten Endes der
gleichen Kultursphäre entstammen, sie können aber auch

I zwei verschiedenen sich überdeckenden Kulturformen angehören
. Eine Entscheidung über diese und ähnliche
Fragen läßt sich allerdings aufgrund des benutzten Materials
nicht erreichen. Auch der Buddhismus und der
Jinismus kennen ja ähnliche Institutionen, die mit den
brahmanisch-hinduistischen einmal näher verglichen und
im Zusammenhang mit ihnen untersucht werden müssen,
wozu die vorliegende fleißige Arbeit den Anstoß und'
Vorwurf geben möge. Allerdings wäre auch damit der gesamte
Fragenkomplex noch nicht erschöpft; denn schließlich
müssen vom etnologischen Standpunkte aus Vergleiche
mit ähnlichen Einrichtungen in bestimmten anderen
alten Kulturen angestellt werden. Vielleicht wird sich
dann ergeben, daß die Sühnezeremonien oder Präyascit-
ta's die Schöpfung einer mutterrechtlichen Ackerbauschicht
darstellen, die durch sie eben alles auszumerzen
suchte, was dem normalen Ablauf des Lebens entgegen
war und dadurch, wenn man so sagen darf, eine fluktive
Substanz des Bösen oder Schädlichen erzeugen und die
Fruchtbarkeit der Natur beeinträchtigen konnte.

Bonn W. K i r f e 1

ALLGEMEINE KIRCHENGESCHICHTE
UND PROLEGOMENA

Lother, Prof. D. Helmut: Geschichte des Christentums. I. Bd.:
Das Christentum in der griechisch-römischen Welt. Leipzig: Quelle
u. Meyer 1939. (XI, 358 S.) kl. 8°. RM 5—; geb. RM 6—.

In der Reihe „Hochschulwissen in Einzeldarstellungen
" hat Helmut Lother als ersten von vier geplanten
Bänden einer „Geschichte des Christentums" den Band
„Das Christentum in der griechisch-römischen Welt" erscheinen
lassen. Der Band umfaßt die Geschichte des
Christentums von den Anfängen bis zum Ausgang des
christlichen Altertums, den der Verfasser mit Gregor dem
Großen (590—604) setzt. Er wählt als Abschluß der
Darstellung des ersten Bandes unter den als möglich
sich bietenden diesen Zeitpunkt, um dem Leser ein geschlossenes
Ganzes zu bieten: eben die Geschichte des
Christentums auf dem Boden der griechisch-römischen
Welt. Der Vorzug dieser Einteilung des Stoffes leuchtet
ein. Freilich muß in Kauf genommen werden, daß die im
2. Bande folgende Darstellung des Eintritts der germagischen
Völker in den Bereich der christlichen Welt
zeitlich hinter den Abschluß des ersten Bandes zurückgreifen
muß. Es wird aber bei dieser Anordnung erreicht
, daß die Geschichte des Christentums in enge
Beziehung zum Wesen und Leben der vom Evangelium
ergriffenen Völker gesetzt wird und die deutliche Auswirkung
der neuen Botschaft auf die Völker anschaulich