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Ausgabe:

1941

Spalte:

295-296

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Otto, Ernst

Titel/Untertitel:

Wert und Wirklichkeit 1941

Rezensent:

Wielandt, Rudolf August

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Seite 1

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295

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

'29f>

barungsgläubigen Standpunkt, gewisse Züge deuten auf
die Haltung der Qruppenbewegung. Prof. Brunner hat
dem Buch ein Vorwort geschrieben, in dem er sagt, er
habe es durch seine verschiedenen Entwicklungsphasen
hindurch begleitet und sich über das fertige Werk von
Herzen und dankbar gefreut.
Marburg a. L. Alfred U c k e 1 e y

Otto, Ernst: Wert und Wirklichkeit. Bausteine zu einer deutschen
Pädagogik. Berlin: W. d. Oruyter 1941. (240 S.) 8°. RM 8—.

Das Buch des Professors an der Deutschen Karls-
Universität in Prag macht schon in seiner Form Freude.
Es schreitet in kurzen, knappen Schritten straff vorwärts,
in jedem Satz klare, bestimmte Gedankenarbeit darbietend
, übrigens nicht bloße „Bausteine", sondern einen
ganzen Umriß der Erziehungs- und Unterrichtslehre auf
breiter geisteswissenschaftlicher Grundlage. Dabei wird
auf die schriftstellerischen Weggenossen mit Umsicht
und Selbstzucht Rücksicht genommen.

Die Arbeit gliedert sich in drei Teile: „Wert im
idealtypischen Sinne", „Die Wirklichkeit", „Die gesollte
Wirklichkeit"; im letzten Teil ist die Unterrichts- und Erziehungslehre
enthalten. Gleich mit der ersten Kapitelüberschrift
„Gleichheitliche und ganzheitliche Betrachtungsweise
" kennzeichnet sich der Verfasser. An die
Stelle der bloßen Begriffe und Definitionen tritt die
„Ganzheit", der Typus, das Selbstgerichtetsein des Organischen
. Aus dem bloß Formalen, Abstrakten kommen
wir in das Dynamische, Konkrete. Damit wird die
„Richtung" zu einem entscheidenden Gedanken. Besonders
deutlich ist die Herkunft von Dilthey und Spranger
(Strukturpsychologie, Lebensformen). Ebenso zieht der
Verfasser wiederholt die moderne Biologie z. B. von
J. v. Uexküll zur Veranschaulichung heran. Daß auf
Schritt und Tritt unser gemeinsames großes völkisches
Erleben und Wollen dahintersteht, braucht wohl nicht
erst gesagt zu werden. Alles geschieht mit Umsicht. Die
„Standortgebundenheit" wird zwar „als Ausgangsbasis"
für alle schöpferische Arbeit bezeichnet, auch für die
Wissenschaft; aber es „bleibt die eine Wissenschaft
doch letztes, allen Völkern aufgegebenes Ziel" (S. 86 f.).
„Nie und nimmer darf die Eigengesetzlichkeit der Theorie
durch eine politische Ideologie oder durch ein weltanschauliches
Dogma gefälscht werden" (S. 90). Otto
erkennt durchaus an, daß Spannungen vorhanden sind,
aber „dem deutschen Menschen ist es aufgegeben, alle
Spannungen möglichst zu pflegen" (S. 100). Diese Polarität
zeigt der Verfasser schon S. 30 ff. mit Wärme an
dem Verhältnis von Leistung (Macht) und Liebe (Güte).
Darum verwirft er auch nicht eine weitere Zielsetzung,
sondern nennt als das „Richtziel der europäischen Kulturstaaten
" einen „völkischen Sozialismus christlichen
Gepräges im Rahmen der kommenden Völkergemeinschaft
" (S. 124).

Für die Praxis der Erziehung ist die „Freude am
Ganzwerden, an der Einordnung in ein überpersönliches
Ganzes" (S. 109) ein schöner Leitgedanke, das Ausprobieren
wird betont und die Spontaneität stark unterstrichen
; das Ziel ist die Erziehung „zu verantwortlichem
Dienst". Zu dieser hilft nach Otto's persönlich begeisterter
Darstellung besonders die „Kunde" (S. 156 ff.),
insbesondere die Volks- und Kulturkunde. Ihre Methodik
erläutert Otto durch zahlreiche Beispiele. Sie sollen zum
Verständnis der „Richtkräfte" dienen und diese selbst
entwickeln helfen, denn gerade auch die Volkskunde will
„als Ganzheitskunde die irrationale Ganzheit der Dinge
und Menschen nach Möglichkeit wahren" (S. 163). Alles
in allem bekennt sich Otto mit Leibniz und Goethe in
Anlehnung an Dilthey zum „objektiven Idealismus der
universalen Harmonie" (S. 205). In diese baut er auch
die „Willensfreiheit" ein, aber „nicht unter dem Gesichtspunkt
der Freiheit, sondern der Pflicht und dazu
als eine Aufgabe des Handelns in der Gemeinschaft"
(S. 207). — Besonnen und ehrfürchtig ist die Behandlung
der Religion. Warm wird das Symbolische betont

; statt einer ausgeklügelten Kirchenlehre (S. 193 ff.), und
gut über Volksstaat und Kirche gesprochen (S. 122 ff.):
„Der Volksstaat ... hat die Pflicht, alle echte, deutsche
Gläubigkeit unterschiedslos zu fördern." „Wie sehr Volk
und Kirche aufeinander angewiesen sind, zeigt das Bei-

j spiel der siebenbürgisch-lutherischen Volkskirche."

Berlin Rudolf Wiclandt

Mitteilungen

Am 1. August 1041 konnte der Verlag J. C. Hinrichs auf ein
150 jähriges Bestellen zurückblicken. Seit seiner Gründung im Jahre
1791 ist neben der Orientalistik und der Bibliographie die Theologie
eines der Hauptschaffensgebiete des Verlages gewesen. Die Kriegszeit
gestattete nicht das Erscheinen einer Festschrift, die über den Ertrag
dieser 150 Jahre zusammenfassend berichtet hätte. Das soii nach
Kriegesende nachgeholt werden. So ist lediglich ein kurzer Tätigkeitsbericht
über die Jahre 1939—1941 erschienen, der deutlich zeigt,
daß der Verlag auch trotz der Schwierigkeiten des Krieges in vollem
Umfang seine Arbeit fortgesetzt hat. Aus den in Kürze herauskommenden
Neuerscheinungen seien genannt die Ausgabe der Dialektik
Schleiermachers von Odebrecht; Mensching, Out und Böse in den
Lebensanschauungen der Religionen; Ficker, Das Bekenntnis zur Reformation
im Straßburger Münster; Kees, Der Qötterglauhe im alten
Aegypten; Schaeder, Der Eintritt der Arier in die Geschichte.

Es sei darauf hingewiesen, daß seit einiger Zeit die Möglichkeit
besteht, die ThLZ (Bezugspreis mit Bibliographischem Beiblatt halbjährlich
22.50 RM) auch ohne das Bibliographische Beiblatt zu beziehen
, wodurch sich der Bezugspreis auf 11.25 RM halbjährlich
ermäßigt.

Die erste Lieferung des im Verlag Hiersemann, Leipzig erscheinenden
Reallexikons für Antike und Christentum (in Verbindung mit
F. J. Dölger f und H. Lietzmann hrsg. von Th. Klauser) liegt nunmehr
vor. Die Lieferung umfaßt die Artikel A und O bis Affekt
(80 S. gr. 8°, RM 5.50). Es sind 6 Bände mit 250 Bogen Umfang
vorgesehen, wobei jährlich 6 Lieferungen mit je 5 Bogen Umfang erscheinen
sollen. Bei Abschluß des ersten Bandes wird die ThLZ eine
ausführliche Würdigung bringen. Für jetzt sei noch einmal auf den
besonderen Charakter des Werkes hingewiesen:

„Das .Rcallexikon für Antike und Christentum' (= RAC) übernimmt
es zum erstenmal, den Umbilduiigsprozeß der ersten 6 Jahrhunderte
unserer Zeitrechnung lexikalisch zu erschließen. Alles, was
bis heute in Büchern, Broschüren und Zeitschriftenaufsätzen weit verstreut
und oft an den entlegensten Stellen veröffentlicht wurde, wird
hier zum erstenmal zu einer Synthese vereinigt, vieles überhaupt erstmalig
oder aber unter ganz neuen Gesichtspunkten dargestellt. Das
ungeheure Material, das von Historikern, Philologen und Theologen,
Archäologen, Kunsthistorikern und Numismatikern, Philosophie-, Rechtsund
Medizinhistorikern u. a. bisher in zahllosen Einzeluntersuchun'jen
ausgebreitet wurde, wird nun in den Artikeln des RAC gesichtet, ergänzt
und wohlgeordnet für die weitere wissenschaftliche Auswertung
dargeboten werden.

Räumlich berücksichtigt das RAC alle Länder, die an der hellenistischen
Mittelmecrkultur teilgenommen haben, also außer den europäischen
auch die Gebiete des Vorderen Orients einschließlich des
Iran, sowie Ägypten und Nordafrika. Die zeitliche Grenze bildet das
Jahr 600, natürlich ohne schematischen Zwang. Inhaltlich zieht das
RAC keine Grenze. Es wil) alle Erscheinungen und Begriffe des profanen
und des religiösen, des materiellen und des geistigen Lebens
erfassen.

Man rechnet mit etwa 3000 Artikeln von ganz verschiedener
Länge. In der Regel wird jeder Artikel die antike und die christliche
Situation darstellen sowie die Lage, die sich aus der Verschmelzung
der beiden Auffassungen für die Folgezeit ergeben hat. Die einzelnen
Themen werden dabei von jeder nur denkbaren Seite her betrachtet;
viele Artikel konnten deshalb nur durch die Zusammenarbeit mehrerer
Fachleute, etwa eines Kirchenhistorikers, eines Juristen und eines
Philologen, entstehen.

Was den religions- und kirchengeschichtlichen Gehalt des Werkes
betrifft, so bieten schon die auf dem Titelblatt genannten Namen Gewähr
dafür, daß in dem Werk eine srtreng wissenschaftliche Haltung
gewahrt wird; Werturteile konfessioneller Art oder Färbung sind ausgeschlossen
. Bei der Auswahl der Mitarbeiter war leitender Gesichtspunkt
, daß in jedem Artikel möglichst der beste erreichbare Fachmann
zu Wort kommen sollte. Bisher wurden rund 270 Gelehrte
aller Fachrichtungen der Altertumswissenschaft verpflichtet."

Das vorliegende Heft der ThLZ bringt einen Abschnitt „Theologie
des Auslandes", der in regelmäßigen Abständen erscheinen soll.
Als Ergänzung muß dazu hingewiesen werden auf die von der Finnischen
Theologischen Literaturgesellschaft herausgegebenen Hefte Theo-