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Ausgabe:

1941

Spalte:

291-292

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Melzer, Friso

Titel/Untertitel:

Die Sprache vor Gott 1941

Rezensent:

Jahn, Ernst

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

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fen, auszubauen und zu pflegen, unter Verschmelzung
von Christentum und Germanentum. Unter dem Einfluß
der Reformatoren wird dann grundsätzlich aus dem Priester
der Pfarrer, eine Linie, die sich bis zum Ende des
19. Jahrhunderts völlig durchsetzt, wo zugleich eine unerfreuliche
Vereinerleiung und „Verbeamtung" des Pfarrerstandes
eintritt. Aufs Ganze gesehen stellt Seeberg fest,
daß es „die Geschichte eines Berufes ist, der wie kein
anderer mit seinen Leistungen und mit seiner Arbeit die
geistigen Kräfte des deutschen Volkes gestaltet hat". Erfreulich
ist, wie der Kirchenhistoriker bei allen seinen Untersuchungen
Gegenwartbeziehungen herausstellt. „Das
Lebensgebiet der Religion bedarf einer Pflege ex officio
und zwar durch Persönlichkeiten, die verantwortlich auf
diesem Gebiete ausgebildet und geschult sind." Es stekken
große geschichtliche Durchblicke und gewichtige Gegenwartsanregungen
in dem knapp gehaltenen Vortrag.
Ein Fragezeichen darf gemacht werden zu dem, was S. 12
über Luthers Haushalt gesagt wird; es scheint hier die
ordnende Bedeutung der Frau Käthe übersehen zu sein.
Dortmund H. Werdermann

Melzer, Dr. phil., Dr. tlieol. Friso: Die Sprache vor Gott. Eine
evangelische Besinnung über unsere Sprache. Gütersloh: C. Bertelsmann
1941. (X, 198 S.) 8°. RM 4.80; geb. RM 6—.
Mit großer Energie sucht Melzer das Problem der
Sprache vom theologischen Standpunkt her zu erfassen.
Er greift damit eine Aufgabe an, die theologisch bisher
vernachlässigt war. Die Schrift zeugt von einem sehr
beachtlichen Können sowohl auf theologischem wie auf
philologischem Gebiet. Die Disponierung ist stark in
theologische Denkformen eingeordnet. Melzer geht vom
Logos als der Sprache Gottes aus, die sich als schaffendes
richtendes, heilendes und berufendes Wort darstellt.
Wenn weiterhin die Sprache als Gottesgabe, so wie in
ihrer Beziehung zur Lebenswirklichkeit dargestellt wird,
so gehen hier stets theologische und philologische Gedankengänge
nebeneinander her, ja manchmal kreuzen sie
sich auch. Außerordentlich fein sind Melzers Untersuchungen
über die Muttersprache. Sie gehört zu den
Ordnungen, die Gott der Herr gesetzt hat, um menschliches
Leben auf dieser Erde zu erhalten (31). Von hier
aus geißelt der Verfasser die Sprachsünden. Die Sprache
sei in die Gottesferne gegangen. Nachdrücklich wird die
Illusion einer Weltsprache bekämpft. Die das Esperanto
empfahlen, „waren die Männer der Internationale, Sozialdemokraten
und Kommunisten, dazu die internationalen
Juden" (83). Am unmittelbarsten spricht uns der Abschnitt
über den vierfachen Mord am Wort an (103 bis
120). Das Schlagwort beherrsche die Welt, aber in der
Kirche dürfe es keinen Raum haben. Noch schärfer wird,
und mit Recht, das Kurzwort angegriffen. Abkürzungen
wie C. V. J. M., Y. M. C. A. u. a, seien „Entartungen der
Kurzsprache asthmatischer Redner" (106, 108). Das Ab-
straktum ist ein Gespenst. Die Verkrampfung der Theologensprache
, die scharf kritisiert wird, stehe in der Gefolgschaft
griechisch-philosophischen Denkens (97). Predigt
, Bekenntnis und Gebet kennzeichnen sich als Sprache
der Kirche. Zum Schluß behandelt Melzer die Christussprache
. Hier bestimmen ihn seine Erfahrung aus
der Arbeit in Südindien. In der Beziehung auf Christus
geschehe ein Neuwerden der heidnischen Sprache (193).

In diese Gesamtkonzeption sind viele wertvolle Einzelerkenntnisse
eingeflochten. Alternde Sprachen bevorzugen
das Abstraktum (29). Die biblischen Texte sollen
laut gelesen werden. Erst dann entfalten sie ihre ganze
Wirkungskraft (35). Der Zusammenhang von Bild und
Wort klar gekennzeichnet (40). Es wird auf die ge-
schichts- und gemeinschaftsbildende Kraft der Sprache
hingewiesen (41). Die auf richtende Bedeutung des heiligen
Schweigens findet gebührende Berücksichtigung (137 f.).

Zuweilen ist aber Melzers Deutung des Sprachphäno-
mens sehr schillernd. Die Heilungstaten Jesu werden auf
das „bloße göttliche Wort" zurückgeführt (14). Zur Begründung
zieht Melzer die Auferweckung der Tochter des

Jairus heran. Aber gerade hier wird ja berichtet, daß
Jesus auch die Hand des Kindes ergreift. Nach den
neutestamentlichen Berichten geschehen die Heilungen
häufig durch Berührung und Kraftübertragung.

j In der magischen Besprechung, die Melzer untersucht,
ist das Wort lediglich Ausdruck der vermeintlichen
Magie (100). Die Lüge ist doch keine Sprachsünde, sondern
eine Wesenssünde (100). Die im Anschluß an
Asmussen gebildete Auffassung, daß der Fluch zum Wesen
der Kirche gehöre, kann leicht mißdeutet werden
(55). Die Forderung einer „Evangelischen Logik" ist

I recht konstruktiv (96).

Das Buch gipfelt in der Feststellung der Christussprache
. Die eigentliche Struktur der Glaubenssprache

j wird nicht klar erkannt. Glaubenssprache bedeutet Verständigung
über die Glaubensbegriffe. Sie geschieht in
den Glaubensworten, im Klang der Melodien wie in der
Liturgie, die sich als rhythmischer Wechsel von Wort
und Klang charakterisiert. Inwieweit versteht der Mensch
der Gegenwart überhaupt noch die überkommene Glaubenssprache
des Christentums — welche Vorstellung verbinde
* er etwa mit den Worten: Gott, Heiland, Mittler,
Dreieinigkeit, Sünde, Gnade, Vergebung, Erlösung, Auferstehung
? Wie ist es möglich, diese Worte wieder mit
Leber zu füllen? Auf diese unmittelbar drängende Problematik
der Glaubenssprache gibt uns das Buch keine
Antwort. Auch bleiben die grundlegenden sprachpsychologischen
Forschungen vielfach außer Ansatz. Melzer
darf aber für sich das Verdienst in Anspruch nehmen,
daß er die Probleme der Glaubenssprache ernst genommen
und sie mit seinem großen Wissen und seiner reichen
Erfahrung erheblich gefördert hat. Insofern hat
seine Arbeit einen bleibenden Wert.

Berlin-Steglitz Ernst J a Ii n

Eilers, Dr. Erwin, O. F. M.: Gottes Wort. Eine Theologie d. Predigt
nach Bonaventura. Freiburg: Herder 1941. (IX, 100 S.) 8° =
Bücher augustin. u. franziskan. Geistigkeit. Reihe 2, Bd. 5. RM 3.40.

Diese Schrift vermag die Bonaventura-Forschung gewiß
ebenso zu interessieren wie die Praktische Theologie
; dort kann sie als eine Einführung in die Theologie
des Bonaventura unter dem Gesichtspunkt „das Wort"
gewertet werden — hier als eine Homiletik des Bonaventura
und des Verfassers, der sich mit den aus allen
Schriften des Bonaventura gesammelten Thesen seines
Autors identifiziert und dieselben homiletisch dirigiert,
im Sinne einer heutigen Homiletik. So darf vor allem
die Homiletik zu dieser Schrift das Wort ergreifen.

Es wird nun in dieser Schrift die Predigt ganz in das
Licht des verkündigten „Wortes Gottes" gestellt, das
„Wort Gottes" der Verkündigung ganz in das Licht des
Logos Gottes und so in das Licht der Trinität. Damit
entsteht eine wirkliche „Theologie der Predigt" mit
einer schlechthin theologischen Linienführung, eine „Dog-
matik" der Predigt. Zwar die Einleitung geht wieder einmal
aus von dem Wunder des menschlichen Sprechens
überhaupt, doch hier geschieht das nur, damit dann die
inner - trinitarischen Lebensvorgänge im Schema des
menschlichen Sprechens geschildert werden können. Der
| ewige Vater spricht ewig zu sich, und dies sein Sprechen
ist sein Wort, sein Sohn mit der ganzen Fülle des
| göttlichen Lebens; das Sprechen des Vaters und der Sohn
I als „Antwort" ist durchdrungen vom Hauche der Liebe
I — vom Heiligen Geiste. Vom „Urgespräch der Sancta
Trinitas" her sieht diese Homiletik Welt und Mensch
| als „Spiel" des Vaters in Weisheit und Liebe an, als ein
! Nebenbei der ewigen trinitarischen Vorgänge, zugleich
als die von Gott gewünschte „Antwort" auf das Sprechen
Gottes im Nebenbei. Indem Gott am Schöpfungsmorgen
i nicht bloß das „Schöpfungswort", sondern auch das
„Gnadenwort" sprach, machte er den Menschen fähig,
j das „innere Buch", nämlich den Logos Gottes, „lesen"
zu können. Mit dem Sündenfall fiel diese Fähigkeit da-
j hin. Aber Gott gab dem Menschen nun das „äußere
1 Buch", die Bibel des A.T., „neues offenbarendes Wort",