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Ausgabe:

1941

Spalte:

290-291

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Seeberg, Erich

Titel/Untertitel:

Der Pfarrer 1941

Rezensent:

Hermann Werdermann

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

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des Vaters gab (S. 43/4). Das Kapitel endet mit einer
Mahnung zur konfessionellen Versöhnlichkeit. — In ähnlicher
Weise lassen uns auch die anderen Abschnitte
tiefe Einblicke in Schw.'s Geist und Wollen nehmen. Die
weltanschauliche Basis seiner kostbarsten Gedanken ist
»die Ehrfurcht vor dem Leben", die dazu berufen ist, der
Menschheit eine neue Ethik zu schenken, die sie erst
wirklich Menschen sein lassen wird. Das Buch regt dazu
an, Schweitzers Werke im Zusammenhang zu lesen;
ihrem Entstehen und ihrer Würdigung ist das letzte Kapitel
gewidmet.

Berlin W. Lemke

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Der Pfarrerspiegel. Hrsg. v. Siegbert Stehmann. Berlin: Eckart-Verlag
1940. (400 S.) 8°. geb. RM 7.80.
Der Eckart-Verlag hat ein neues Sammelwerk herausgegeben
. Es umfaßt 30 Beiträge von den verschiedensten
Verfassern und Verfasserinnen, die sämtlich Nicht-Theo-
logen sind. Wir nennen eine Anzahl davon, um einen
Einblick in die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit des
Inhaltes zu geben: 1. Abschnitt: Auftrag und Wirkungen:
Eduard Spranger, Über innere Schwierigkeiten des geistlichen
Berufes; Stefan Hirzel, Verwandelte Nachfolge;
August Winnig, Pfarrer und Arbeiter; Willi Kramp, Über
Last und Gnade des Pfarramtes. 2. Abschnitt: Im Wandel
der Zeiten: Jochen Klepper, Das evangelische Pfarrhaus
und die deutsche Nation; Erwin Wittstock, Heimat
und Herkunft; Agnes von Zahn-Harnack, Theodor Fontanes
Pfarrergestalten; Friedrich Seebaß, Mörike und
Blumhardt; Elly Heuß-Knapp, Vater Bodelschwingh.
3. Abschnitt: Begegnung und Erinnerung: Johannes Haller
, Erinnerungen an das baltische Pfarrhaus; Artur Luther
, Der evangelische Pfarrer in der russischen Diaspora
; U. v. Hassel, Der evangelische Pfarrer im Auslandsdeutschtum
; Werner Beumelburg, Vergangenheit u. s. w.

Es ist an sich ein erfreulicher Gedanke, gegenüber
vielerlei Mißverständnis und Verständnislosigkeit, in der
deutschen Gegenwart des Dritten Reiches zu zeigen, welche
Bedeutung das evangelische Pfarrhaus und Pfarramt
in den letzten 400 Jahren gehabt hat, und welche Bedeutung
dem rechten evangelischen Pfarrer, der seinen ewigen
Auftrag und seine Zeit versteht, auch in Zukunft zukommen
wird. Eine Anzahl der Beiträge dienen diesem
Zweck sehr gut, so die feinsinnigen Ausführungen Sprangers
, der ausgezeichnete literargeschichtliche Aufsatz von
Agnes v. Zahn-Harnack und der wirkungsvolle Lebensbe-
j^cht des deutschen Botschafters U. v. Hassel über die
farrergestalten, die ihm in seinem Auslandsdienst entgegengetreten
sind. Grundsätzliche und starke Erwägungen
bringt Friedrich Schulze-Maizier in „Salz der Erde",
kulturgeschichtlich Interessantes bringt Paul Fechter,
»Männer Gottes", Walter Kramer „Das Dorf als Freistaat
" u. a.

■ . Andere Aufsätze stechen gegenüber den hochwertigen Beiträgen
da r erheblic'1 ab> so etwa die langen, weithin überhaupt nicht auf
fri* ,. amtt|iema bezogenen Ausführungen von Karl Meinhoff. Unbc-
eva 'r^r™1 'S< auc'1 der 'a"gste Aufsatz, von Jochen Klepper: Das
undk'SC'le 1>farr,,aus und die deutsche Nation. Diese massenhaften
hed geordneten Angaben verfehlen ihre Wirkung, und das ist
l>f aijcr'len> da gerade solch Blick in die Qeschichte des deutschen

rhauses mit die beste Apologetik des Pfarrers ist!
man .Umka'z''cne Bedenken sind zu erheben gegen Tendenzen, die
deut '!lc'rt anders als „katholisierend" bezeichnen kann und die dem
soz M '?va"Selischen Pfarrer der Gegenwart und Zukunft im national-
füh SC,le" Deutschland sicher nicht den Weg weisen werden. Wir
genon.eini8e Proben an: »Fragt den Pfarrer, ob er glaubt, daß das

■ sscne Sakrament uns bis in den Leib hinein erneuert." „Der
fWtni dCr s1ellvertretend mit Oott redet und wider den Teufel ficht"
acht Kra!"P' S- 27). Oder Stefan Hirzel tadelt das Fehlen „von
q. ln!jgen'etendcm Auftreten". „Der heutige Pfarrer verrichtet den
nichW" nn "ach besiem Wissen und Gewissen, aber er .zelebriert'
son t Seltsam ist in diesem Zusammenhang auch, daß ein be-

eres Kapitel Friedrich Rittelmeyer behandelt. Man mag geistesge-

sclüchitlich und persönlich hoch von diesem Mann denken, aber in
einen Pfarrerspiegel gehört er kaum hinein, wo er den Weg hinaus
aus dem Pfarramt hin zum „Priester", zum Erzoberlenker gegangen
ist (S. 331 wird auch von seiner „Priesterlaufhahn" geredet)! Sonderbar
berühren ebenso die pietistisch-negativen Ausfülirungen M. v. Hausens
S. 160.

Der stärkste Mangel des Buches ist jedoch das Fehlen der Gegenwartsbeziehung
. Man kann der heutigen Generation den Beweis
für die Wichtigkeit des Pfarrers nicht geschichtlich erbringen, selbst
mit den besten geschichtlichen Erinnerungen nicht. Bei vereinzelten
wesentlichen Ansätzen zur Selbstkritik, ohne die auch die Geschichte
des Pfarrerstandes nicht betrachtet werden kann, fehlt die Nüchternheit
und letzte Ehrlichkeit der Kritik. Ist es wirklich möglich,
schlechtweg vom „Pfarrer" zu sagen, „er hat vor der Arbeiterbewegung
nicht versagt", sondern im Sinne seines Amtes bestanden"?
(S. 141). Man erwartet etwas von der Abhandlung von Georg Koch,
Pfarrer und Volk; aber sie bringt Auseinandersetzungen über Griechentum
und Christentum und Beweise aus dem Dreißigjährigen Krieg und
dem Pietismus! Man würde denken, Hans Eberhard Friedrich sollte
in dem Beitrag: Der Pfarrer und das politische Leben etwas Richtungweisendes
bieten; aber die kurzen Ausführungen der fünf Seiten sind
zu blaß, zu schönfärbend, daher nicht überzeugend. Und das Wort
Nationalsozialismus kommt in diesem Aufsatz ebensowenig wie in anderen
überhaupt vor! Solch Pfarrerspiegel kann um die jetzt brennendsten
Fragen nicht herumgehen!

Bis dicht an die Pforte der Gegenwart, und das, was
jetzt nottut, führt die wertvolle Abhandlung von Theodor
Heuß: Friedlich Naumann und der christliche Sozialismus
. Naumann merkt es, daß der Sozialismus „nicht nur
Abfall oder Empörung" ist, sondern daß etwas Neues
heraufzieht, zu dem von Christus her Stellung genommen
werden muß. Hier wird auch festgestellt, daß die sozialen
Pastoren' in einer kleinen Minderzahl blieben, während
die Mehrzahl der Pfarrer „die städtische Hilfsmannschaft
der agrarkonservativen Partei blieben" (S. 311).
Würde Naumanns „Wucht, seine Hingabe, seine Liebe"
damals auf mehr Pfarrer übergesprungen sein, die Lage
der Volkskirche wäre heute eine andere. Das schmerzliche
Versagen weitester Pfarrkreise in der deutschen
Schicksalsstunde 1933, das Unerfreuliche des Kirchenstreites
wird schweigend in dem ganzen Buch übergangen
. Das ehrlich eingestandene Versagen hätte überzeugender
und befreiender gewirkt. Ansätze für das Neue
klingen an bei Schul/.e-Maizier, der den „katastrophalen
Mangel an Wirklichkeitssinn" tadelt. „Hinter dem unerbittlichen
Wirklichkeitsgewissen des modernen Menschen
steckt ein auch im religiösen Sinn echteres Ethos als hin-.
ter den erbaulichen Phrasen weltfremden Pastorentums".
Die Pfarrer müssen „ein feines und waches Ohr für die
sozialen Vorgänge des Zeitalters haben, daß sie dessen
aufstrebende Kräfte bejahen, nicht etwa seine abgelebten
und absterbenden". Sie sollen „mitten in dieser drängendsten
Volks- und Völkernot der Epoche das Walten
Gottes spüren" und verkünden (116).

Nicht ersichtlich ist auch, warum zum Schluß außer
dem Nachwort des Herausgebers und dem des Verlages
noch ein solches eines Theologen (Paul Althaus) steht,
besonders da es keine neuen Gedanken zu dem vorher
Geäußerten hinzubringt. Ein großer Wurf des Eckart-
Verlages war sein Buch von der „Stunde des Christentums
"; schon der zweite Band vom „Buch der Christenheit
" hielt sich nicht mehr auf dieser Höhe, noch weniger
dieser dritte Band, der, neben guten Einzelheiten, als
ganzer nicht befriedigen kann.

Dortmund H. Werdermann

Seeberg, Erich : Der Pfarrer. Blick auf Geschichte und Aufgabe
eines Berufs. Ein Vortrag. Stuttgart-Berlin: W. Kohlhammer 1940.
(24 S.) 8°. RM 1—.

Der weitausgreifende Vortrag stellt zunächst fest,
daß das Urchristentum den Pfarrer so wenig kennt wie
den Priester. Allmählich bildet sich das Amt des „Priesters
" und Bischofs heraus, weitgehend auf magischer
Grundauffassung. Seit Karl dem Großen tritt daneben
die rational-pädagogische Aufgabe des „Pfarrers" hervor,
j weil der Kirche die Aufgabe zufiel, die Kultur zu schaf-