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Ausgabe:

1941

Spalte:

288-289

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schweitzer, Albert

Titel/Untertitel:

Waffen des Lichts 1941

Rezensent:

Lemke, W.

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287

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

288

men „Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes",
das nur den kosmologischen Gottbeweis ohne den teleologischen
und ontologischen erörtert, und ein Kommentar
der Vorlesungen über die Philosophie der Religion, die
der Vf. in der Ausgabe von Lasson benutzt. Das, was
Hegel im Verfahren seiner Gottesbeweise beabsichtigte,
bringt Domke gut heraus, indem er das alte und das
neue Beweisverfahren gegenüberstellt. Das alte exzem-
plifiziert er am Charakter der Gottesbeweise Kants. Demgegenüber
ist das neue Beweisverfahren das von Hegel.
Man kann den Unterschied zusammenfassen in die Gegenüberstellung
von Verstand und Vernunft. Kant vertritt
in seinem Gottesbeweisverfahren den Standpunkt des
Verstandes, d. h. bei ihm liegt das Problem so: Von
Vorhandenem aus soll ein zu Beweisendes erschlossen
werden. Ob dies zu Beweisende in Kontinuität steht mit
dem Vorhandenen, das ist im Beweisverfähren gar nicht
auszumachen. Vom Vorhandenen aus zum zu Beweisenden
hin gibt es nur den „Sprung". Ich möchte an dieser
Stelle darauf hinweisen, daß der Gedanke des „Sprunges
", so wie er heute in Theologie und Philosophie erkenntnistheoretisch
gebraucht wird, meines Wissens zum
ersten Male bei Kant auftaucht: Kritik der reinen Vernunft
, Akademieausgabe Bd. III 380, 419. Dieser Gedanke
ist dann von Kierkegaard in grandioser Weise theologisch
fruchtbar gemacht worden. Geschaffen aber hat
ihn der Däne nicht. „Springen" aber kann nur der Einzelne
, das endliche Einzelsubjekt, das Verstand hat. Demgegenüber
operiert Hegel mit dem Geist, dessen Träger
die Vernunft ist. Kommt das Gottesbeweisverfahren
Kants nach Hegel über den Gegensatz von Begriff und
Existenz nicht hinaus, so argumentiert Hegel aus der
Identität von Begriff und Sache, besser: Begriffsdialektik
und Sachdialektik heraus. Das ist die religionsphilosophische
Voraussetzung für das Problem der Gottesbeweise
bei Hegel. Die Sache realisiert sich im Begriff selber und
in ihm begreift sie sich. Diese „Sache" ist hier Gott.
Das hatt Domke sehr schön so umschrieben: „Es zeigt
sich hier, daß Hegels These gilt: Gott wird nicht bewiesen
, er erweist sich selbst im Gnaden- und Offenbarungserlebnis
" (73, vgl. ferner 83, 107, 115). Während
für Kant der Begriff nur etwas Formelles ist, ist demgegenüber
nach Hegel der Begriff höchst sachhaltig, d. h.
seinserfüllt. Domke weist darauf hin, daß Hegel zu dieser
Dialektik kam aus der Einsicht in die Irrationalität
des Lebens (93). Die hochspekulative These von der
Identität von Sache und Begriff, die den Grund für die
Möglichkeit von Gottesbeweisen abgibt, übernimmt Domke
unerörtert von Hegel und legt sie seinen Erhebungen
über das Problem der metaphysischen Gottesbeweise in
der Philosophie Hegels zu Grunde. Damit aber verzichtet
Domke auf eine kritische Betrachtung dieser Grundthese
. Er hat sich aus dem Bann der hegelschen systemkonstruktiven
Identitätsthese nicht lösen können, obwohl
er einen Versuch macht, diese These ontologisch zu interpretieren
(115).

Berlin, z. Zt. Soldat Walter Karowski

Brachmann, Wilhelm: Ernst Troeltschs Historische Weltanschauung
. Halle (Saale): Max Niemeyer 1940. (75 S.) gr.8°. RM2.80.

Die Absicht dieser Schrift ist, am Beispiel Troeltschs
als des bedeutendsten philosophischen Vertreters der
geisteswissenschaftlich unterbauten historischen Weltanschauung
deren Brüchigkeit und Zwiespältigkeit zu erweisen
. Verf. verfolgt die Grundmotive der nistorischen
Weltanschauung Troeltschs und legt, alles sehr zusammenpressend
, was dem Leser schon einen Seufzer entlocken
kann, ihre Struktur und ihre Probleme dar. Ihr
Mangel verrate sich in dem zu schnellen Hinweggehen
über Schopenhauer und Nietzsche, dessen biologisch bestimmtes
Geschichtsverständnis auch ihr gegenüber eine
neue geschichtliche Epoche heraufführe; er bestehe ganz
eigentlich in dem Zurückgehen auf den alles menschliche
Bewußtsein umschließenden und tragenden Allgeist
, ja in der ziemlich unbekümmerten Benützung der

1 für alles entscheidenden „Vorgegebenheit" dieses All-
j geistes. Weil Troeltseh diese Vorgegebenheit setze, aber
nicht begründe, bleibe der philosophisch-wissenschaft-
; liehe Charakter seiner Metaphysik fragwürdig. Meint
der Verf., daß etwa Nietzsche seine Vorgegebenheiten
| begründe und eine wissenschaftliche Metaphysik (wenn
i auch in Aphorismen) biete? Wie ist überhaupt jene Vor-
j gegebenheit bei Troeltseh zu verstehen? Dogmatisch?

Oder 'nicht vielmehr als Hypothese, zu der z. B. die in
i unserem Leben erscheinenden Werte veranlassen, die
, sich wieder befestigt, indem von ihr aus Fragen der
Wirklichkeit eine Antwort finden? Troeltseh sei durch
1 seinen Anschluß an Leibniz zugleich in den Bannkreis
der antik-aristotelisch-mittelalterlichen Ontotogie — und
das war doch Seinso'ntologie — geraten: hat Verf. nicht
selbst festgestellt, daß Troeltseh eine durch und durch
dynamische Fassung des Gottesgedankens im Sinne He-
raklits und der prophetisch-christlichen Ideenwelt vertrat
? Daß dieser nicht bloß dem Pluralismus Leibni/ens
ein Verständnis entgegenbringe, sondern ohne einen metaphysischen
Gottesgedanken nicht auszukommen meine,
das sei der Selbstwiderspruch seiner *Geschichtsphilo-
sophie. Das ist natürlich eine petitio prineipii, eine Kritik
von außen, aus der eigenen Voreingenommenheit her.
„Wenn man überzeugt ist, daß der Versuch einer Ausschaltung
jener Ontotogie radikaler durchgeführt werden
müßte." . . . „Wenn die nicht ontologisch verstandene
Geschichte die Quelle der Geschichtsphilosophie
der Zukunft bedeuten soll. . ." Hier wird die Katze
schön aus dem Sack gelassen. Selbst das letzte Kapitel
über den Spiritualismus Troeltschs, so viel Richtiges es
enthält, macht sich die Sache zu leicht. Die Beziehung
auf den einheitstiftenden Allgeist soll danach aus dem
praktisch-soziologischen Interesse Troeltschs an der Aufrechterhaltung
des Kirchentums kommen. — Freilich
wissen wir, daß Troeltseh, wenn man aufs Tiefste sieht,
Luther nicht gerecht geworden ist.

Tübingen Georg W e h r u n g

Schweitzer, Albert: Waffen des Lichts. Worte aus den Werken
von Albert Schweitzer. Ausgewählt von Fritz P f ä f f 1 i n. Heilbronn
: Eugen Salzer 1940. (78 S.) 8°. RM 2.40.

Es wird uns hier von einem Kenner ein Querschnitt
durch das literarische Schaffen Schweitzers gegeben, das
uns die frappierende Vielseitigkeit und geistige Elastizität
des bekannten Theologen, Musikers und Arztes in Lam-
barene gut vor Augen führt. Das kleine Büchlein gliedert
sich in folgende Abschnitte: Vom Geheimnis des Menschen
und des Lebens; Von Selbstbehauptung und Selbsthingabe
; Von Kultur und Ethik; Persönlichkeit und Kollektivität
; Über Denken und Mystik; Über Christentum
und Reich Gottes; Über die Musik Johann Sebastian
Bachs; Die Brüderschaft der vom Schmerz Gezeichneten;
Albert Schweitzers Bücher. Aus seinen Werken werden
aphorismenhaft kurze Gedanken (ohne Angabe des Fundortes
) 'herausgestellt, die für die betreffende Kapitelüberschrift
einen wesentlichen Beitrag bedeuten. So hören
wir z. B. gleich am Anfang des Abschnittes „Über Christentum
und Reich Gottes" (S. 41) von der Notwendigkeit
, Jesu eschatologisches Gedankengut in eine moderne
Begrifflichkeit zu übertragen. Die Frage nach zeitgebundener
Hülle und Ewigkeitsgehalt des Evangeliums beantwortet
Schw. mit dem Hinweis auf die exakte historische
Forschung, die allein imstande sei, die notwendige Scheidung
vorzunehmen. Hülle seien die endzeitlichen Vorstellungen
, ewig sei die Religion der Liebe (S. 41/2).
Sehr anerkennenswerte Worte Schw.'s finden sicli auf
S. 45 über die deutsche theologische Wissenschaft.
(. . . „einzigartiges Ereignis in dem Geistesleben unserer
I Zeit . . ."). Die Erforschung des historischen Jesus ist
| nach Schw. keine Angelegenheit wirklichkeitsfremder Ge-
i lehrter, sondern ist echtes Glaubensanliegen. Denn nicht
der hinter Dogmen verborgene metaphysische Gottessohn
j tangiert'den Glauben; der Mensch läßt sich nur von dem
I historischen Jesus packen, der sich ganz in den Willen