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Ausgabe:

1941

Spalte:

13-16

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Die fünf Megilloth 1941

Rezensent:

Duensing, Hugo

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schichte des Verstehens". Noch in einem zweiten Punkt Die geringsten sachlichen Probleme bieten die erträgt
das Buch modernstes Gepräge: als Anordnungs- zählenden Büchlein Ruth und Esther. Hier handelt es
prrnzip erscheint neben der Einteilung in Volks- und sich wesentlich um schärfere Erfassung der literarischen
Weltreligionen, deren innere verschiedene Strukturiert- Gattung, des Zweckes und der Zeitbestimmung. Wird
heit M. besonders betont (vgl. schon seine Schrift „Volks- Ruth als Novelle bezeichnet, so Esther als Roman. Er-
religion und Weltreligion", Leipzig, 1938), das Ras- fährt man S. 2, was der Zweck der Ruthgeschichte nicht
sische, indem er nach einem Überblick über die „stam- ; sein kann, so S. 114, daß das Estherbuch der hieros
niesgebundenen Naturreligionen" die „volksgebundenen ! logos des Purimfestes ist.

Kulturreligionen" auf „vorwiegend nordischem", dann Hohes Lied und Klagelieder haben seither in Einzelauf
„vorwiegend armenidem und mediterranem", endlich heiten, namentlich in der metrischen Erfassung, Fortauf
„vorwiegend sinidem und mongolidem Rasseboden" j schritte erfahren, während der Prediger wohl im Ververfolgt
, um darauf den Buddhismus als „Weltreligion ständnis des Inhaltes die reichste Förderung erfahren hat.
auf vorwiegend nordischem Rasseboden", Christentum Bei den dreien Ruth, Hohes Lied und Esther ver-
und Islam als „Weltreligionen auf vorwiegend armeni- spricht man sich eine Förderung des Verständnisses
dem und mediterranem Rasseboden" zu behandeln. Da- durch vermutungsweises Zurückführen des Stoffes auf
bei bleibt er sich allerdings bewußt, daß der zu Grunde Kultlegenden, bei Ruth und dem Hohen Lied insbeson-
liegendc Rasseboden, auf dem ja jeweils mehrere, aber 1 dere der Vegetationsgottheiten, wie sie in Ägypten durch
durchaus verschiedene Religionen erwachsen, sind, eine isjs und Osiris, in Vorderasien durch Tammuz-Adonis
große Variationsbreite für sehr mannigfaltige religiöse u,„d istar, repräsentiert werden. Dazu ist methodisch zu
Bildungen und Erlebnisweisen besitzt, woran sich sofort bemerken, daß es zunächst auf eine Herausstellung des
die Frage anschließt, wie weit diese Variationsbreite der Sinnes ankommt, den der Verfasser der Büchlein mit seieinzelnen
Rassen reiche. Zu ihrer Beantwortung fuhrt nem Stoff beabsichtigt bzw. darin gefunden hat. Überdies
M. mit Recht an, daß zur rassischen Basis als weitere ; jst bisher herzlich wenig von wirklicher Förderung des
Determinanten Tradition, Sitte, Kultur, geschichtliches Verständnisses aus den erschlossenen Kultlegenden geSchicksal
und der bestimmende Einfluß großer ge- wonnen. Und das ist nicht überraschend. Denn: „Leider
schiclitsbildender Persönlichkeiten hinzukomme. i fehlt auch hier, wie beim Estherbuch für den lediglich
Wie bei der wissenschaftlichen Gründlichkeilt des Ver- i aus den Namen erschlossenen Mythus die wohlbezeugte
fassers nicht anders zu erwarten ist, zeichnet sich die ; Vorlage" (S. 3). Beim Stoff des Estherbuches handelt
Darstellung, die er in enger Fühlungnahme mit den Re- , es sich um einen nur aus Namensgleichungen erschlosse-
sultaten philologischer Spezialforschung von den ein- j neil Mythus, der mit dem Fest des Frühjahrsäquiuok-
zelnen Religionen gibt, durch große Zuverlässigkeit aus. tiums verbunden gewesen sein soll, una auch dazu muß
Besonders verdienstlich ist, daß er der Mitteilung pri- | der Bearbeiter bemerken: „Leider fehlt bis jetzt die
märer Quellen einen weiten Spielraum gewahrt. Das vorausgesetzte babylonische Vorlage" (S. 116). War beim
ermöglicht dem Leser — vor allem ist auch an die Be- l Hohen Lied der Gang der Betrachtung früher der daß
dürfnisse der Studierenden gedacht — ein lebendigeres man annahm, daß Hochzeits- oder Liebeslieder oder
unmittelbares Verhältnis zum behandelten Stoff. Ich wonl gar ej„ Drama durch Umdeutung auf das Verhält-
bedaure nur, daß M. einzelne Religionen wie die sla- ; nis zwischen Jahwe und Israel kanonfähig gemacht sei
vische, keltische, mexikanische ganz außer Betracht ge- , so wjrd jetzt der umgekehrte Weg einer kultmythologi-
lassen hat; der Mankhäismus wird mit einem Hinweis , scnen Deutung gegangen, wobei eine Götterhochzeit der
auf H. H. Schaeders Artikel in RGG. abgetan. Grund- ! semitischen Antike — genauer des Tammuz und der
sätzlich bin ich nicht ohne Bedenken gegenüber einer 1 igtar — der Stoff der Legende gewesen sein soll der
gewissen — wie mir scheint — Überbetonumg dessen, erst später auf israelitischem Boden „verweltlicht"'wor-
was M. die „Lebensmitte jeder Religion" nennt. Es de„ sei. Daß damit im einzelnen für die Erklärungen

gibt m. E. zu denken, was z. B. inbezug auf die Religion
der Germanen Hermann Schneider (Die Götter der
Germanen, 1938, S. 136) als den Fehler der meisten
Versuche der Darstellung germanischen Göttergefühls

Klarheit geschaffen wird, kann nicht behauptet werden.
Wenn beispielsweise zu den schwierigen Versen des Hohen
Liedes Kap. 8,8—10 bemerkt wird: „Doch dürfte
eine Herleitung auch dieses Liedes aus dem Kult der

und germanischer Frömmigkeit hervorgehoben hat, daß j Liebes- und Vegetationsgottheiten naheliegen" (S. 45)
sie nämlich „das ganze weite Gebiet und das verstreute 1 so müßte eben gezeigt werden, inwiefern dadurch Klar-
Zeugnismaterial mit Einem Schlagwort zu meistern ver- heit geschaffen wird und wo die Vorlage dafür ist.
suchen. ... In Wahrheit begegnen in den ungefähr Nur das ist zuzugeben, daß aus dem Schwererklär-
1000 Jahren, die wir überblicken, und innerhalb so barem und nicht restlos aus Hochzeitssitten Verständ-
weiter Landstriche und verschiedener Lebensverhältnisse lichem geschlossen werden darf auf einen nicht gänzlich
die mannigfachsten Formen des Gottesbewußtseins und verstandenen und deshalb nicht völlig verarbeiteten über-
der Gottesverehrung." Entsprechendes durfte mutatis lieferten Stoff, wie überhaupt über die Herkunft des
mutandis von den meisten Religionen gelten. Natürlich Stoffes auch bei Esther und Ruth vielleicht von der Zuverschließt
sich einer solchen Erkenntnis auch M. nicht; kunft noch Klärung zu erhoffen ist.
vielleicht aber wäre es gut, sie dem Leser öfter vor Der Prediger Salomo ist von Kurt Galling bear-
Augen zu führen. Aber auch ohne das wird dieser mit beitet Sein Beitrag zeichnet sich aus durch Besonnendem
Referenten dem Verfasser für das Gebotene vollen heit des Urteils und Feinsinnigkeit in der Analyse der
Dank wissen. Gedankengänge. Nachdem schon Hempel in seiner Li-
Berlin Alfred Bertholet teraturgeschichte S. 192 eine rückläufige Bewegung in

der weitgehenden Zerteilung des Büchleins eingeleitet

ALTES TESTAMENT hatte, tritt auch Galling für die Einheitlichkeit des Wer-

---_- kes ein, wenn auch beide einige bewußte Überarbeitun-

„ r ... t„ , ... _ „ ,, . gen annehmen müssen. Bei Galling beschränkt sich ihre

" S ^ÄStE? "SES" jxb fi"r ^hl. im wesentlichen auf das wf s schon einst SnS

940 (VI 13b S) gr.8» = Handb. z. AT, 1. Reihe, Abt. ls. "J seiner „Alttestamentlichen Religionsgeschichte" S. 504

v ' rm 6— ; seb. rm 7.80. als sekundär bezeichnet hatte- — Hinsichtlich Zeit und

Eine Zusammenfassung und wenn möglich eine Wei- Ort wird bemerkt (S. 48): „eher im 3. Jahrh. vor Chr.

terführung des mit und nach dem Erscheinen der letzten als noch im 4.", und weiter als Entstehungsort des Büch-

Kommentarwerke zu den fünf Megilloth Erarbeiteten war leins eher Palästina denn Ägypten angenommen,
höchst wünschenswert. Die vorliegende 15. Lieferung Die Schrift wird von Galling in 37 Sentenzen zer-

des Handbuches zum Alten Testament bietet sie in leben- legt, deren Abgrenzung gegeneinander nicht immer leicht

diger anregender Form. ist. Zu ihnen kommt in 12,9—11 ein erstes und in