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Ausgabe:

1941

Spalte:

12-13

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Mensching, Gustav

Titel/Untertitel:

Allgemeine Religionsgeschichte 1941

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 1/2

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weise dieser seiner Thesen und unter Berufung aut die
Analogien von Kore und Demeter u. a. zur Aufklärung
des Wesens solcher Göttinnenpaare anführt, ist sehr ver-
schiedenwertig; so kann ich z. B. weder seinen von Eis-
ler inspirierten Erörterungen über die uranische Bedeutung
der togae praetextae am Bilde der Fortuna folgen
noch einen inneren Zusammenhang zwischen Rundtempel
und Bräutlichkeit absehen. Ueberhaupt ist es heikel, so
viele verschiedene Götterbeziehungen auf ein Grundschema
zurückführen zu wollen, das dann doch so dehnbar
ausfallen muß wie die variantenreichen Archetypoi, auf
die die Textkritik früher so gerne rekurrierte, um möglichst
alles aus einer einzigen Quelle herleiten zu können.
Drohen doch selbst die beiden Haupttypen des Schemas
ineinander zu verschwimmen, wenn virginale Gottheiten
auch als Mütter erscheinen, und tatsächlich findet Lyng-
by in Carmenta und Egeria den bräutlichen und den
matronalen Aspekt nebeneinander vertreten. Ja, er geht
so weit, Acca Larentia in zwei Gottheiten Acca und La-
rentia aufzuspalten; aber die beiden Versionen ihrer Legende
, in denen sie als Hetäre oder als Amme erscheint,
geben dazu kein Recht, wie denn die Unterscheidung
zweier Homonymen bei Plut. Rom. 4f. Aet. Rom. 35
ja nur nach ganz bekanntem Cliche zum Ausgleich der
chronologischen Differenz der zwei Versionen eingeführt
ist. Nicht glücklicher ist dasselbe Verfahren im Falle der
Anna Perenna, während Fortuna wenigstens in Antiuin
wirklich eine wenn auch wohl sekundäre Zweiheit darge
stellt hat. Alles in allem glaube ich mir den Ergebnissen
Lyngbys gegenüber Reserve auferlegen zu müssen, aber
seine Arbeit wirkt anregend und enthält im einzelnen
mancherlei beachtenswerte Gedanken und Observationen.
(Zum Topographischen vgl. jetzt ünomon XVI 1940,
455 ff.).

Bonn Hans H e r t e r

Pernitzsch, Prof. Dr. M. G.: Die Religionen Chinas. Berlin:
W. de Gruyter 1940. (111 S.) 8° = Lehrbücher der Ausland-Hochschule
an der Universität Berlin, hrsg. v. d. kommiss. Leiter der Ausland
-Hochschule. Bd. XL. RM 3—.
Der Mangel eines kurzgefaßten, für die Allgemeinheit
geschriebenen Lehrbuches der Religionen Chinas
machte sich bei der ständig wachsenden Fachliteratur
immer mehr fühlbar. Es ist daher zu begrüßen, daß
die Leitung der Ausland-Hochschule sich entschlossen
hat, die vorliegende knappgefaßte Einführung, die für
den sinologisch nicht vorgebildeten Leser bestimmt ist,
im Rahmen ihrer Lehrbücher herauszugeben.

In wenigen, treffsicheren Strichen skizziert Vf. Konfuzius, Lao-tze
und Buddha und charakterisiert Leben und Lehre dieser drei Großen
der fernöstlichen Geisteswelt in gedrängtester Form, so daß ihre Gegensätzlichkeiten
scharf hervortreten. Aber des Vf.s Stellungnahme
zum Konfuzianismus bedarf einer wesentlichen Korrektur. S. 22
schreibt Vf.: „Eine Staatsreligion ist der Konfuzianismus nie gewesen
, aus dem einfachen Grunde, weil weder Konfuzius noch seine
Nachfolger Religionsstifter waren, wohl aber kann man von einer
Staatsphilosophie sprechen, die durch viele Jahrhunderte lang als
orthodoxe Lehre anderen Anschauungen gegenüber den Vorrang genoß
. . . Der Konfuzianismus ist eine Tugend- und Staatslehre,
aber keine Religion". Demgegenüber ist aber zu bemerken, daß
die ursprünglichen Lehren des Konfuzius und der spätere Konfuzianismus
etwas ganz verschiedenes sind. Konfuzius lehrte eine Moral
und Ethik, aber der spätere Konfuzianismus entwickelte sich zur
Staatsreligion. Der Altmeister der Sinologie, Prof. Franke, hat in
seinem grundlegenden Werk „Die Chinesen" im Lehrbuch der Religionsgeschichte
(herausg. von Bertholet und Lehmann), das Vf.
unbegreiflicherweise in seinem Literaturverzeichnis nicht zitiert, ein
ganzes Kapitel der Entwicklung des Konfuzianismus zur Staatsreligion
gewidmet, und de Groot behandelt in seinem Universismus
sogar in fünf Kapiteln den Götterkult des Konfuzianismus. Vf. verkennt
das Wesen des Konfuzianismus; oder betrachtet er das Opferritual
für Himmel und Erde, für die Planeten und Sterne, für
Shen-nung usw. etwa als Staatsphilosophie? S. 40 schreibt er:
„Die weitere Entwicklung der Lehre Kung-dsi's gehört in die Geschichte
der Philosophie".

Die Nachfolgeschaft Lao-tze's ist recht knapp geraten; Lieh-tze
und Tschuang-tze werden zusammen auf einer halben Seite erledigt.
Dagegen wird der Vulgärtaoismus in übermäßiger Breite abgehandelt.
Bei der Gruppe der „Acht Genien", Pa-hsien, erwähnt Vf. S. öl,

daß Lü Tung-pin, der populärste der Pa-hsien, 755 v. Chr. geboren
sei. Man glaubt erst an einen Druckfehler; aber nein, Vf. folgert

; daraus einen Anachronismus: bei diesem Geburtsjahr konnte Lü
Tung-pin unmöglich das Tao-te-king kommentieren, da Lao-tze viel

j später gelebt hat. Leider ist aber besagter Lü Tung-pin 755 n a c h
Chr. geboren, und Vf. hat sich um rund |l/j Jahrtausend geirrt,

j was in einem Lehrbuch eigentlich nicht vorkommen sollte. Bei

I der Schilderung des Kultes der Stadtgötter (S. 03) fehlt der wichtige
Hinweis, daß diese im konfuzianischen Staatskult Anerkennung

j gefunden haben ebenso wie der Kriegsgott Kuan-Ti, was sowohl

l Krause (Ju Tao Fo S. 191/3) wie auch Franke (a. a. O. S. 217)

i erwähnen.

Richtig sagt Vf. (S. 65), daß Kuan-Ti auf Grund eines chinesischen
Wortspiels auch als Schutzpatron der Kaufleute verehrt wird.
Kuan-Ti wird meist sitzend und im Tsch'un-ts'iu lesend dargestellt;
auf diesen Darstellungen ist der Spruch „k'an-pen-te-li" angebracht.
Das bedeutet einmal „ein Buch lesen und daraus Gewinn ziehen",
aber auch — und nun bringt Vf. das Wortspiel ganz unverständlich,
wenn er schreibt: „aufs Kapitel achten und daraus Gewinn ziehen",

I während es richtig heißen muß, wie auch Krause (a. a. O. S. 550
Anm. 240) sagt: „Durch Achten auf das Kapital gewinnt man

! Zinsen". Hier liegt sicherlich ein Druckfehler vor; aber ob wohl
alle Leser ihn richtig verbessern werden? Der S. 65 erwähnte
oberste Literaturgott Wen-tsch'ang war die historische Persönlichkeit
Chang-ya und nicht Chang Ah, wie Vf. schreibt.

Die Entwicklung des Taoismus zur taoistischen Kirche mit

I einem taoistischen Papst wird nur ganz kurz gestreift, da Vf. (S. 66)
meint, man könne von einer taoistischen Hierarchie kaum sprechen.
Ausführliches findet man darüber in Franke (a. a. O. S. 220 ff.).
Ebenso sind die Angaben über die verschiedenen Schulen des Buddhismus
in China allzu mager geraten. Ausführliches bietet da Krause
(Ju Tao Fo S. 455—472). Zum Schluß wird der Lamaismus in
einigen charakteristischen Strichen skizziert, während der Islam fortfällt
, da dieser in China grundsätzlich das geblieben ist, was er in
seinem Ursprungsland war (S. 8).

Abschließend muß ich leider noch auf Zweierlei hinweisen
, was bei einem Lehrbuch als Mangel empfunden
werden wird: bei den zahlreichen Zitaten gibt Vf. niemals
die betr. Textstelle des Originals an und in dem
Literaturverzeichnis fügt er nie das Erscheinungsjahr
der dort aufgeführten Werke hinzu. Für den sinologischen
Leser gibt ein Anhang die chinesischen Zeichen
der gebräuchlichsten Eigennamen und sonstigen Ausdrücke
. Warum diese in einem von der Ausland-Hochschule
herausgegebenen Lehrbuch allerdings in reproduzierter
Handschrift wiedergegeben werden mußten statt
im klaren Typendruck ist unverständlich.

Zusammenfassend muß ich leider sagen, daß trotz
der eingangs erwähnten Vorzüge dieser Einführung der
Gesamtwert durch die aufgeführten Mängel doch leidet,
umso mehr, als es sich ja um ein Lehrbuch handelt.
Bonn Erich Schmitt

Mensching, Prof. Dr. Gustav: Allgemeine Religionsgeschichte.

Leipzig: Quelle ft: Meyer 1940. (226 S.) 89 — Hochschulwissen in
Einzeldarstellungen. RM 4—.

Mit dem vorliegenden Buch liefert Mensching die
notwendigen geschichtlichen Grundlagen seiner 1938 in
der gleichen Sammlung („Hochschulwissen") veröffentlichten
„Vergleichenden Religionswissenschaft", die in
dieser Zeitung besprochen worden ist. Damit ist bereits
die auf einen systematischen Aufbau der vergleichenden
Religionswissenschaft abzielende Blickrichtung
angedeutet, in der der Verfasser den reichen
religionsgesehiclrtliehen Stoff behandelt. Sie gibt der
vorliegenden Darstellung eine Einheitlichkeit und Geschlossenheit
, die von vornherein als einer ihrer Vorzüge
hervorgehoben sei. Worauf es dem Verfasser ankommt
, ist, „in allen historischen Religionsbildungen
das geheime religiöse Leben und Erleben selbst zu erfassen
und zu Gefühl und Bewußtsein zu bringen, das
in den geschichtlichen Ausprägungen der Religionen
mit ihrer Mannigfaltigkeit und einmaligen Eigenart seinen
.farbigen Abglanz' findet." Er möchte damit bis
zur „Lebensmitte" jeder Religion vordringen, „aus der
sich alles Aeußere und Einzelne in seiner inneren Lebensnotwendigkeit
verstehen läßt". Darin, erweist sich seine
I Darstellung als wichtiger Beitrag zu der nach van der
i Leeuw's Wort im Entstehen begriffenen „Religionsge-