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Ausgabe:

1941

Spalte:

257-259

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Soiron, Thaddaeus

Titel/Untertitel:

Die Bergpredigt Jesu 1941

Rezensent:

Schneider, Johannes

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957 Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10 -258

und entscheidende Ziel der synoptischen Erzählungen i der Forschung nicht recht vertraute Leser schnell das
und Berichte dargelegt hätte: Zeugnis für den lebendigen Problem zu erfassen vermag. — Der zweite Teil beHerrn
zu sein & schäftigt sich mit der „Formgeschichte der Bergpredigt".
D ,. ' h. Seesemann i Der Vf. kommt zu dem Ergebnis, daß die Bergpredigt
er a weder in der von Mt. noch in der von Lk. dargebotenen

j Form gehalten worden ist. Mt. und Lk. bieten eine Korn-
Eds man, Carl-Martin: Le bapteme de feu. Uppsala: Lundequist i bination van Jesusworten. Mt. hat den ursprünglichen

1940. (III, 237 S.) gr. 8° = Acta seminarii Neotestamentici Upsa-
liensis IX.

Öfters ist in letzter Zeit von nllicher Exegese her
das gnostische Mythologem behandelt worden, nach dem
Himmel und Erde durch eine Wand bezw. einen Vorhang
oder Fluß getrennt sind und die Himmelfahrt des Erlösers
wie der Erlösten wesentlich als Überwindung dieses
Hindernisses erscheint. In solchem Zusammenhang stehend
, geht vorliegende Untersuchung der Vorstellung
vom himmlischen Feuerstrom nach, die in Lehre und Kult
zumal der morgenländischen Kirche und mit ihr sich berührender
gnostischer Kreise so verankert ist, daß der
Strom als Stätte einer nach dem Tode erfolgenden Taufe
zur Läuterung der Gerechten,, zum Gericht der Bosen
verstanden wird. Auf Grund von Mt. 3,11 erblickt man
in dieser Feuertaufe das Korrelat und die Vollendung
der Wassertaufe. Der jüdische Einschlag der ursprunglichen
, in vorchristlicher Religionswelt weitverbreiteten
Konzeption äußert sich in der Verwertung von Dan. 7,10
und der Verflechtung des Grundmotivs mit der Typologie
vom Flammenschwert, vom Durchzug durchs Rote
Meer und von der mit der gnostischen Lichtsaule identifizierten
Himmelsleiter.

In der kultischen Abwandlung des zunächst eschato-
logischen Motivs fallen Feuer- und Wassertaufe analog
zu gewissen Traditionen über die Jesustaufe zusammen.
In der Praxis wird nicht selten und in Nachahmung heidnischer
Vorbilder die Technik zur Erzielung dieses ursprünglich
visionären Erlebnisses aufgeboten. Wichtig ist
die aufgewiesene Verbindung zwischen Mysteriendrama
und Mythos von der Auffahrt der Seele, aus der man
manches Neue lernt; besonders sei dabei auf die einleuchtende
Erklärung des Perlensymboles im Perlenlied
der Thomasakten hingewiesen.

Die schöne Monographie fördert keine grundlegend
neuen Erkenntnisse zu Tage, verdient aber den Dank
und die Beachtung derer, die sich mit der Geschichte
gnostischer Ideen in der alten Kirche befassen. Vertieft
sie doch unsere Kenntnis auf ihrem Spezialgebiet nicht
unerheblich, und das in starker Betonung des längst noch
nicht genug gesehenen Zusammenhanges zwischen Gno-
sis und jüdischer Mystik. Man folgt gern dem durchsichtigen
Aufbau und den präzisen Darlegungen des Werkes,
dessen sorgfältige Gestaltung bis in die Register hinein
spürbar wird, und bemerkt immer wieder mit Freude sowohl
die umfassende Materialvertrautheit wie ein besonnenes
, auch die Chronologie der Texte klar herausstellendes
Urteil und einen das Fernste nahebringenden
und zusammenfassenden Spürsinn.

Gelsenkirchen Ernst Käsemann

Soiron, Thaddäus, O. F. M.: Die Bergpredigt Jesu. Formge-
schichtliche, exegetische und theologische Erklärung. Freiburg i. Br.:
Herder & Co. 1941. (VIII, 480 S.) 8°. RM 9.40; geb. RM 11.20.

Das umfangreiche Werk von Soiron faßt in ausgezeichneter
Weise die Ergebnisse der neueren Forschung
über die Bergpredigt zusammen und bietet in steter Auseinandersetzung
mit den verschiedenen Auffassungen eine
eigene wohlbegründete Auslegung. Man findet in ihm
erschöpfende Antwort auf fast alle Fragen, die in der
Geschichte der Exegese aufgetreten sind. Der 1. Teil:

Inhalt der Bergpredigt durch andere, seinen Absichten
entsprechende Sprüche Jesu erweitert; Lk. hat bei der
Formung der Bergpredigt die Situation seiner Leser berücksichtigt
und so Traditionsgut eingeschoben, das ihm
zweckdienlich erschien. Der Sinn der Komposition ist
bei Mt. und Lk. verschieden. Mt. stellt die Bergpredigt
unter das Thema der neuen Gerechtigkeit, bei Lk. wird
sie zur Predigt von der Liebe. Lk. hat die Bergpredigt
von ihrer Beziehung zum Judentum völlig gelöst und sie
zu einer Predigt gestaltet, „die an die in gedrückter sozialer
Lage befindlichen hellenistischen Christen gerichtet
ist". Damit ist für den Vf. die Frage entschieden, welche
Überlieferungsform den Vorzug größerer Ursprünglichkeit
hat. Entgegen der in der protestantischen Forschung
fast all gemein anerkannten These, daß die kürzere Form
des Lk. als die ursprünglichere anzusehen sei, entscheidet
sich Soiron für Mt. Er glaubt, daß die Bergpredigt des
Mt. der historischen Situation besser entspricht als die
des Lk., der „in weitestem Maße" seinen hellenistischen
Lesern Rechnung trägt. Von dieser Erkenntnis aus sucht
der Vf. dann zu der ursprünglichen Gestalt der Bergpredigt
zu kommen. Dabei ist folgender Gesichtspunkt für
ihn maßgebend: „Wir werden sicher zum ursprünglichen
Bestand der Bergpredigt rechnen müssen die Abschnitte,
die das Neue, das Jesus verkünden will, in der Auseinandersetzung
mit dem Judentum, speziell mit dem Phari-
säismus bieten." So scheidet er eine Reihe von Sprüchen
aus. Als ursprüngliche Bestandteile der Bergpredigt gelten
ihm dann außer den Seligpreisungen 5,17—18 (19.
20?); 21-24; 27-28; 33-37; 38-42; 6,1-4; 5-8;
16-18; 7,1-5; 12; 15-21; 24—27. Das entscheidende
Argument für die Ursprünglichkeit dieser Gestalt der
Bergpredigt ist nach Soiron ihre geschlossene Einheit.
Damit ist nicht gesagt, daß die so als ursprünglich erkannte
Bergpredigt nun ihren ganzen ursprünglichen
Umfang umschreibt. Der Vf. rechnet damit, daß noch andere
Sprüche, die sich auf das Evangelium verteilen, in
die Bergpredigt hineingehören. — Der dritte Teil bietet
die „Erklärung der Bergpredigt", die keine wesentlich
neuen Gesichtspunkte enthält, die aber ihren Wert darin
hat, daß sie sich bemüht, in sehr sorgsamer Exegese den
ursprünglichen Sinn der einzelnen Worte und Sätze aufzuzeigen
. Das geschieht unter genauer Beachtung der
bisher vertretenen Meinungen. Da der Vf. sich, seiner
Grundthese entsprechend, nur an die Mt.-Überlieferung
hält, zieht er ausgiebig das von Strack-Billerbeck dargebotene
rabbinische Material heran. — Der letzte Teil beschäftigt
sich mit der „Theologie der Bergpredigt". Der
Vf. sagt: „Die Bergpredigt ist der erste große Durchbruch
des Reiches Gottes in die alte, jetzt abzulösende
Welt." Die Gerechtigkeit, die Jesus in der Bergpredigt
lehrt, ist die Gerechtigkeit aus Gnade, die den Menschen
zum Kinde Gottes macht. Wir versagen oft den Ansprüchen
gegenüber, die Jesu Forderungen an uns stellen;
darum sind wir für die Verwirklichung der neuen Gerechtigkeit
auf die Hilfe Gottes angewiesen. Die Bergpredigt
ist somit als „Erlösungsethik" oder „Ethik des
Gotteskindes" zu bestimmen; sie will die Erlösung des
Menschen von seinem selbstgerechten und selbstsüchtigen
Ich. -

Mir ist der Grundgedanke, auf dem der Vf. seine

„Das Problem der Bergpredigt und seine Lösungen" j ganzen Ausführungen aufbaut, nicht so sicher, wie er ihm
zeigt unter Benutzung ausführlicher Zitate, welche Beur- j erscheint. Gewiß hat die These, daß die Mt.-Form den
teilung die Bergpredigt von seiten der neutestamentlichen Vorzug vor der des Lk. verdient, etwas sehr Bestechen-
Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten erfahren hat. i des. Aber man wird doch sagen müssen, daß auch Mt.
Das ist eine gute und aufschlußreiche Zusammenstellung, seine Zusammenstellung der Jesusworte den Bedürfnis-
Die oft sehr in die Breite gehende Darlegung der einzel- [ sen seiner judenchristlicheii Leser angepaßt hat. Und die
nen Lösungsversuche hat den Vorteil, daß auch der mit [ Theorie, daß Mt. Umformungen bzw. Erweiterungen des